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Botschaften & Stellungnahmen

Tag des Lebens 2021

Bischof Ivo Muser

Sonntag, 7. Februar 2021

„Die Freiheit soll im Dienst des Lebens stehen“: Unter dieses Leitwort stellt die Italienische Bischofskonferenz den „Tag des Lebens“, der jedes Jahr am ersten Sonntag im Februar begangen wird. 2021 ist es der 7. Februar.

"Freiheit" ist zu einem grundlegenden Wort des neuzeitlichen Denkens und des gegenwärtigen Lebensgefühls geworden. Es geht dabei zunächst um die Möglichkeit, über sich selbst zu bestimmen und das persönliche Leben frei zu gestalten. Zweifellos sind in den letzten Jahrzehnten die persönlichen Freiheitsspielräume gewachsen. Das hängt zum Teil daran, dass allgemeinverbindliche Anschauungen und Traditionen zurückgetreten sind; es gibt weniger feste Vorgaben und Maßstäbe für das, was die Einzelnen tun und wie sie sich verhalten. Da die Freiheitsspielräume gewachsen sind, wird es auf der anderen Seite für die einzelnen Menschen schwieriger, verantwortliche Entscheidungen wahrzunehmen. Manche fühlen sich dabei überfordert im Blick auf das Risiko, das mit den eigenen Entscheidungen verbunden ist. Soziologen sprechen deshalb von "riskanten Freiheiten". Darüber hinaus haben viele den Eindruck, sie könnten mit dem, was sie tun, gerade eine wichtige Chance verpassen und damit etwas Wesentliches versäumen. Mit alledem kommen die Möglichkeiten wie die Grenzen der persönlichen Freiheit in den Blick.

 

Christliche Freiheit

Der Apostel Paulus fasst die Verkündigung, das Wirken und das Geschehen von Kreuz und Auferstehung Jesu in der Überzeugung zusammen: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1). Es geht um eine Freiheit, die uns in Christus geschenkt ist, die uns leben lässt und die uns in den Dienst des Lebens stellt. Christliche Freiheit kann nicht im individualistischen Sinn verstanden werden; sie ist vielmehr auf die menschliche Gemeinschaft bezogen und will daher in der Liebe wirksam werden. Paulus, diese überragende Gestalt des christlichen Anfangs, lässt keinen Zweifel: „Ihr seid zur Freiheit berufen. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe! Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ (Gal 5,13-14).

Christliche Freiheit lebt von der Überzeugung und von der Haltung des „Für“: für das Leben, für die Gemeinschaft, füreinander. Freiheit bedeutet also nicht Beliebigkeit; zur verantwortlichen Wahrnehmung der Freiheit gehört die Bereitschaft, die Würde anderer zu achten – immer.

 

Freiheit und Leben

Freiheit und Leben sind aufeinander bezogen. Dass jedes menschliche Leben heilig und damit unantastbar ist, von der Empfängnis bis zum Tod, ist eine innere Konsequenz des biblischen Gottes- und Menschenverständnisses, eine innere Konsequenz des christlichen Freiheitsbegriffs. Das Leben in all seinen Formen verdient Ehrfurcht, Dankbarkeit, Staunen, Aufmerksamkeit, die Haltung, dass wir nicht alles tun dürfen, was wir tun können.

 

Freiheit im Dienst des Lebens

Christliche Freiheit muss sich zeigen im Verhalten gegenüber der Schöpfung, gegenüber allen Formen des Lebens, und vor allem im Umgang mit dem menschlichen Leben. Leben darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es ist gefährlich, Einteilungen zuzulassen und anzuwenden: ungeboren - geboren; gesund - krank; beeinträchtigt - nicht beeinträchtigt; jung - alt; lebenswert - lebensunwert. Die Geschichte ist voll von mahnenden Beispielen. Auch die Gegenwart – leider zunehmend, bis hinein in die Gesetzgebung.

 

Leben ist Geschenk und Auftrag

Mit dem Bekenntnis zu einer Freiheit, die sich in den Dienst des Lebens stellt, setzen sich Christen für all das ein, was das Leben liebt und fördert. Unser JA zum Leben gibt uns die Kraft, mutig und entschlossen unsere Stimme zu erheben gegen eine heute weitverbreitete Lebensunlust, gegen übertriebene Zukunftsangst und auch gegen die Anmaßung, über das Leben verfügen zu dürfen. Leben ist keine Ware, sondern Geschenk und Auftrag! Diese christliche Überzeugung tut uns, unserer Gesellschaft und unserer Zeit gut.

Viel innere Freiheit, viel Lebensfreude, viel Segen bei unserem persönlichen und gemeinschaftlichen Einsatz für das Leben: Das ist mein Wunsch und mein Gebet zum „Tag des Lebens 2021“.

Maria, die uns den Urheber des Lebens geboren hat, begleite mit ihrer Fürsprache unser JA zum Leben: im Denken, Reden und Tun.

 

+ Ivo Muser, Bischof