Als ich am 1. September das Amt des Dekans der PTH Brixen übernommen habe, wurde ich in Gesprächen mit Medienvertretern des Öfteren nach der Sinnhaftigkeit des Theologiestudiums in der heutigen Zeit gefragt: Was bringt das Theologiestudium?
Die Dringlichkeit dieser Frage zeigt sich in der Entwicklung, dass die Zahl der Theologiestudierenden im gesamten deutschen und mittlerweile auch im italienischen Sprachraum rückläufig ist, und zwar sowohl an den kirchlichen Hochschule als auch an den Katholisch-Theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten. Geisteswissenschaftliche Studien im Allgemeinen und das Theologiestudium im Besonderen unterschieden sich von vielen anderen Studiengängen unter anderem darin, dass sich ihre Relevanz nicht in einem unmittelbaren praktischen bzw. verwertbaren Nutzen niederschlägt. In einem gewissen Sinne mag es fast eine Art Luxus sein, sich mehrere Jahre lang die Zeit zu nehmen, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich ausführlich mit den existentiellen Fragen des Menschenseins auseinanderzusetzen. Papst Franziskus betont, dass die theologischen Studien „nicht nur dazu da sind, Orte und Programme qualifizierter Ausbildung für Priester, Personen des geweihten Lebens oder engagierte Laien anzubieten, sondern eine Art günstiges kulturelles Laboratorium bilden, in dem die Kirche jene performative Interpretation der Wirklichkeit ausübt, die dem Christusereignis entspringt und sich aus den Gaben der Weisheit und der Wissenschaft speist, durch die der Heilige Geist in verschiedener Weise das ganze Volk Gottes bereichert“ (Veritatis gaudium, Nr. 3).
Das halte ich für eine gelungene Aufgabenbeschreibung für das Theologiestudium. Es geht einerseits darum, dass wir als Einzelne wie als gläubige Gemeinschaft unseren persönlichen wie gemeinschaftlichen Glauben reflektieren, hinterfragen, neu bedenken … und so versuchen, ihn je tiefer zu verstehen, gerade auch angesichts der oft kritischen Fragen, die eine säkulare und zugleich weltanschaulich plurale Gesellschaft an uns als Kirche richtet. Andererseits ist es notwendig, dass unsere Theologie, wenn wir so wollen, sprachfähig bleibt, das heißt, dass wir von den Menschen verstanden werden und dass wir etwas Substanzielles zu sagen haben zu den Fragen und Anliegen, die die Menschen in unserer Gesellschaft umtreiben. Wie können wir also unseren christlichen Glauben als eine Ressource entdecken und diskursfähig machen für die Bewältigung der vielfältigen gesellschaftlichen und ethischen Herausforderungen unserer Zeit? Wie können wir die performative Kraft des christlichen Glaubens wirken lassen?
Ich wünsche den Studierenden und Lehrenden unserer Hochschule sowie allen, die im Lauf des kommenden Jahres in unserem Haus eines der vielen Fortbildungsangebote besuchen werden, dass es uns gelingen möge, die philosophischen und theologischen Studien, Tagungen und Vorlesungsreihen als ein interessantes und lebensrelevantes kulturelles Laboratorium zu erleben und aktiv mitzugestalten.
Zum Abschluss eine Leseempfehlung: In einem aktuellen Beitrag im theologischen Feuilleton feinschwarz.net fragt der Theologe Hans-Joachim Höhn nach der Funktion von Theologie in einer säkular gewordene Gesellschaft, die für den Gottesgedanken nichts mehr übrig hat. Der Theologie, so Höhn, bleibe nichts anderes übrig, als Gott mit einer Welt zusammen zu denken, die sich ohne Gott denken lässt: https://www.feinschwarz.net/radikale-saekularitaet/
Prof. Dr. Martin M. Lintner, Dekan