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Omelie

Domenica di San Cassian e San Vigilio 2024

Vescovo Ivo Muser

Duomo di Bressanone, 14 aprile 2024

Liebe Festgemeinschaft, geehrte Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens, liebe Mitbrüder und liebe Seminaristen, liebe Ministrantinnen und Ministranten, liebe Mitglieder der Vereine und Verbände, cara comunità in festa, stimate autorità, fredesc y sorus! 

„Den Urheber des Lebens habt ihr getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dafür sind wir Zeugen“ (Apg 3,15) – so fasst Petrus in seiner Pfingstpredigt in der Apostelgeschichte das zusammen, was das Kernstück des christlichen Glaubens ausmacht. Entscheidendes ist geschehen, damit Entscheidendes heute durch uns geschieht. Der letzte Satz des heutigen Osterevangeliums ist Programm und Auftrag: „Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür“ (Lk 24,48). 

Das Osterbekenntnis verbindet uns mit dem Anfang der Kirche, mit der Erfahrung und dem Glauben der Apostel. Dass dieser Osterglaube auch unser Land erreicht hat, dafür stehen stellvertretend Kassian und Vigilius, unsere Diözesanpatrone. Ihr Festtag wird seit dem vergangenen Jahr in der ganzen Diözese am 13. August gefeiert. Es ist der Tag, an dem das Kassiansfest über Jahrhunderte im Brixner Diözesankalender stand. Die erste Kassiansprozession wurde am 13. August 1704 abgehalten – mit der Reliquie des Heiligen, die der damalige Fürstbischof Kaspar Ignaz von Künigl aus dem Grab des heiligen Kassian in Imola bekommen hat. Seit 1734 findet sie zwei Sonntage nach Ostern statt, eben am heutigen 3. Ostersonntag. Deswegen gibt es hier in Brixen weiterhin die große Prozession mit den Reliquien unserer Diözesanheiligen am heutigen Tag. Das ist der Grund, warum wir dieses Reliquienfest feiern und warum wir die Fürsprache unserer Diözesanpatrone und der anderen Diözesanheiligen für Brixen und für unsere ganze Diözese Bozen – Brixen erbitten. 

Was mit den Aposteln begonnen hat, wurde durch Generationen von gläubigen Menschen weiter erzählt, weiter getragen, immer wieder neu gefeiert und zu leben versucht. Heute liegt es an uns, ob dieser Osterglaube an Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, unser Land und unsere Beziehungen noch prägen darf. Heute sind wir an der Reihe; heute braucht der Auferstandene uns. „Ihr seid Zeugen dafür“ – ruft er uns heute selber zu. 

„Wie hältst du´s mit der Religion?“: Diese berühmte Frage aus Goethes Faust soll uns heute beschäftigen. Schämen wir uns nicht für unseren Glauben, seien wir stolz auf ihn, verschweigen wir ihn nicht, haben wir den Mut, darüber zu reden und ihn konkret zu zeigen – nicht mit vorgehaltener Hand, nicht nur bei einigen ausgewählten Gelegenheiten wie heute! Was die Kirche ausmacht und was sie braucht sind missionarische Menschen, die persönlich entdecken: Uns ist Jesus Christus und sein Evangelium geschenkt und anvertraut – für diese Welt und über diese Welt hinaus. Kirche hat dort Zukunft, wo es Menschen gibt, die gerne Christen und Christinnen sind. Kirche hat Zukunft, wo es christliche Hoffnung gibt und die Fähigkeit, vom Glauben her in Dialog zu treten mit Gesellschaft und Kultur.  

Kirche heute, das ist meine Überzeugung, wird nicht überleben, wenn sie jedem Konflikt ausweicht. Eine Kirche, die in unserer komplexen, pluralistischen Gesellschaft keinen Widerspruch auslöst, eine Kirche, die nur gelobt werden möchte, weil sie das nachsagt, was alle sagen und die im Strom der Meinungen mitschwimmt, muss sich fragen, ob sie wirklich in der Spur des Evangeliums ist, in der Spur des gekreuzigten Auferstandenen. Ein Glaube, der nichts anderes wäre als ein Stück verblasster und gezähmter Tradition, wird nicht mehr tragen! Jetzt ist die Zeit, sich für den Glauben persönlich zu entscheiden. Die heutige Kassiansprozession soll dafür ein äußeres und gemeinsames Zeichen sein.  

Fratelli e sorelle, concedetemi oggi di ricordarvi quanto sia importante che noi cristiani siamo riconosciuti come tali nella società e nella pubblica opinione. Lo dico consapevolmente con riferimento alle elezioni europee, a cui siamo chiamati il 9 giugno prossimo. 

L’Unione europea è stata fondata, dopo le drammatiche esperienze delle dittature e della Seconda guerra mondiale, proprio anche come comunità di valori cristiani e umanistici. Gli iniziatori di questo impegno erano soprattutto cattolici convinti. Ma oggi lo spirito europeo perde forza. Il sentimento del noi torna a vacillare. Il grande noi si frantuma in tanti noi sempre più piccoli. Nella casa Europa, gli abitanti si stanno sempre più ritirando dentro le loro quattro mura. Toni nazionalistici, xenofobi, populisti e discriminanti sono diventati nuovamente presentabili. 

Come cristiano, mi sconcerta il fatto che lo spirito di questo isolamento appare non di rado sotto le insegne cristiane, ad esempio per salvare il cosiddetto Occidente cristiano. Ma il pensiero audace dei primi cristiani era un altro. L’apostolo Paolo, ad esempio, che in modo molto decisivo ha contribuito a portare il Cristianesimo in Europa, dice: “ Non c'è più giudeo né greco; non c'è più schiavo né libero; non c'è più uomo né donna, poiché tutti voi siete uno in Cristo Gesù“ (Gal 3,28). E di sé stesso l’apostolo scrive: mi sono fatto greco con i greci, giudeo con i giudei (cfr. 1 Cor). Questa è consapevolezza cristiana! Una consapevolezza che conosce le proprie radici, le cura, le difende e le vive – in un dialogo aperto e costruttivo con le identità di altri. 

Non sono gli altri a mettere in pericolo la nostra identità. E non sono gli altri i responsabili della nostra identità. Sta a noi decidere se anche oggi e nella realtà attuale vogliamo diventare, essere e restare cristiani. Questa è la nostra responsabilità, e non dobbiamo lasciarci distogliere da questo impegno, non dobbiamo creare e alimentare paure verso la diversità degli altri. “Di questo voi siete testimoni”, dice il Risorto. 

Die europäische Gemeinschaft steht an einer Wegkreuzung: Wird nationaler Egoismus die Oberhand behalten oder können wir – über Grenzen und Unterschiede hinweg – ein solidarisches Zusammenleben finden, gegründet auf verbindenden und verbindlichen Werten? Sollten die bevorstehenden Europawahlen  für Christinnen und Christen nicht ein Anlass sein, um gemeinsam zu bauen an einem geistigen, geistlichen Fundament, das Europa eine Seele gibt? Wie kalt wird Europa ohne das Bekenntnis zur biblischen Gottes- und Nächstenliebe; wie arm und perspektivenlos wird unser Kontinent ohne die christlichen Werte, die zusammen mit der Antike und der Aufklärung die Kunst, die Kultur, die Demokratie und unsere Freiheits- und Menschenrechte hervorgebracht und geprägt haben! Ohne Hoffnung und ohne Transzendenz verliert Europa seine Seele! Christen sind keine innerweltlichen Optimisten und keine egoistischen Opportunisten, sondern Menschen, die sich am Evangelium ihres Herrn ausrichten und die so Verantwortung übernehmen für einen gemeinsamen Weg der Hoffnung. 

In einem Gespräch mit Schülerinnen und Schülern, die zum sogenannten „Theotag“ an der Philosophisch – Theologischen Hochschule hier in Brixen gekommen sind,  wurde mir die Frage gestellt: „Wo werden wir Ihrer Meinung nach in dreißig Jahren stehen, wenn in unserer Gesellschaft der Glaube vielen nicht mehr viel bedeutet?“ Meine Antwort war: „Das wird auch abhängen von euch und von den Entscheidungen, die ihr in den kommenden Jahren trefft. Glaube ist immer auch eine Entscheidung.“ Und heute füge ich noch hinzu: Wie sich unsere Kinder und Jugendlichen entscheiden werden, hängt zu einem guten Teil von den Entscheidungen der Erwachsenen ab, die sie begleiten und die ihnen Mut machen zum Leben und zum Glauben. 

Die Kassiansprozession mit den Reliquien unserer Heiligen, in die wir uns heute wieder einreihen, ist ein Zeichen für eine lange Glaubenstradition. Wir stehen auf den Schultern der Apostel, der Märtyrer, der Heiligen, der Bischöfe, Priester und Ordensleute, der Mütter und Väter, der Frauen und Männer, die vor uns geglaubt haben. Heute liegt es auch an uns, ob diese Glaubensgeschichte weitergeschrieben oder unterbrochen wird. Wofür entscheide ich mich? Ja, wie hältst du´s mit der Religion? Wie hältst du´s mit deinem Glauben?