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Vorträge & Ansprachen

50 Jahre Cusanus Akademie

Lieber Herr Direktor und liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Cusanusakademie, verehrter Herr Landeshauptmann und lieber Herr Bürgermeister, liebe Mitbrüder, geehrte Damen und Herren! Fünfzig Jahre sind historisch gesehen keine lange Zeit, doch hat die Cusanusakademie in diesem kurzen Abschnitt die Glaubens- und Kulturgeschichte unserer Diözese und unseres Landes mitgestaltet. Das verdient Anerkennung, Wertschätzung und Dank, und das möchten wir in dieser Stunde miteinander tun. Im Gründungsakt, den Bischof Joseph Gargitter am 1. Oktober 1962 unterschrieb, steht: Die Akademie „soll eine Stätte der Begegnung zwischen Kirche und Welt werden und soll helfen, die Probleme der modernen Zeit im Lichte der geoffenbarten Wahrheiten und in lebendigem Gedankenaustausch zu behandeln und deren Lösung zu suchen“. Und bei der Einweihung drei Tage später, am 4. Oktober 1962, sagte der Bischof: „Wir streben im Apostolat der Kirche nicht nur den Christen an, der persönlich gläubig ist und treu seine religiösen Pflichten als Katholik erfüllt; die Arbeit der Kirche zielt darauf hin, den Katholiken in seiner Aufgabe in der menschlichen Gemeinschaft gerade als Katholik fähig zu machen“. Geradezu neu für damals waren die folgenden Wünsche des Bischofs: „Die Teilnehmer sollen zu diesen Tagungen nicht kommen als bloße Hörer, sondern als aktive Mitgestalter, als aktiv Beteiligte am gemeinsamen Bemühen, die bestimmten Lebens- und Berufsaufgaben, die grundsätzliche und praktische Einsicht zu erarbeiten, um als Christen ihrer Sendung gerecht zu werden“. Bischof Gargitter wollte die Cusanusakademie als einen Ort der Begegnung zwischen Kirche und Welt, zwischen Glaube und Kultur, zwischen Kirche und Gesellschaft, zwischen Religion und allen Bereichen, die das Leben der Menschen ausmachen und prägen. Es ging ihm, um ihn noch einmal zu zitieren, „um die Erarbeitung der christlichen Grundsätze für das öffentliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben, für alle, die darin Verantwortung tragen“. Und er stellte diesen neuen Begegnungsort unter den Namen von Kardinal Nikolaus Cusanus, wohl jener Bischof von Brixen, der wie kein anderer in die Weltkirche hineingewirkt hat und der durch die Größe seines Geistes und die Weite seines Denkens auf dem Hintergrund einer klaren christlichen Identität in den Dialog mit den Menschen seiner Zeit eingetreten ist. Die Cusanusakademie wurde von ihrem Gründerbischof Joseph Gargitter genau eine Woche vor dem Beginn des II. Vatikanischen Konzils eingeweiht. Vielleicht ein Zufall, aber ein sehr glücklicher, symbolträchtiger und aussagestarker. Im dankbaren und feiernden Rückblick auf dieses weitsichtige Anliegen des Gründerbischofs dürfen wir heute sagen: die Cusanusakademie wurde zu einem lokalen und ortskirchlichen Kommentar zur großen Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“. Erlauben Sie mir, dass ich bei dieser runden Geburtstagsfeier für diese unsere Cusanusakademie vor allem an dieses große Konzilsdokument erinnere, weil ich in diesem Dokument die „Magna Charta“ für dieses Bildungshaus sehe. Mehr als jedes andere Konzilsdokument hat „Gaudium et spes“ seinen Ursprung im Konzil selbst. Es war sicher für viele Konzilsväter überraschend, in welchem Ausmaß die „Welt“ am Konzil Anteil nahm und es spricht für die Sensibilität vieler Konzilsväter, unter ihnen auch Bischof Gargitter, dass sie hellhörig und offen waren für die Anfragen, die aus der „Welt“ an das Konzil gestellt wurden: Inwieweit wird sich das Konzil mit der konkreten Menschheit solidarisch erklären und inwieweit wird sie die aktuellen Probleme und Herausforderungen überhaupt zur Kenntnis nehmen?Es spricht dann für den Mut dieser Konstitution, in der komplexen Situation des heutigen Menschen und seiner Welt konkrete Weisungen zu geben, die als Weisungen vor allem die Glieder der Kirche betreffen, aber als Hinweise, Empfehlungen und Einladungen an alle Menschen gerichtet sind. Das Konzil stellte sich damit gegen jene „weltlichen“ Kreise, die meinen, Aufgabe der Kirche sei die Befriedigung religiöser Bedürfnisse, und dass die Kirche sich heraushalten solle aus gesellschaftlichen, politischen, kulturellen, ethischen und ökonomischen Fragen. Das Konzil tritt aber auch in Gegensatz zu jenen kirchlichen Kreisen, die meinen, die Kirche habe allein durch die Verkündigung des Wortes Gottes und durch die Feier der Sakramente zu wirken.Schon das Vorwort dieses großen Konzilsdokumentes spricht die existentielle Solidarität der Menschen in der Kirche mit den Menschen in der Welt aus und bekundet den Willen der Kirche zum Dialog mit der gesamten Menschheitsfamilie über den Menschen. Und das Konzil glaubt, dass die Kirche in diesen Fragen kompetent ist und etwas zu sagen hat – in ihrer Verantwortung und Sendung für die Welt. Nur mit Stichworten möchte ich andeuten, wie ich mir als heutiger Bischof in der Nachfolge des Gründerbischofs Joseph Gargitter die Cusanusakademie wünsche – als einen wichtigen Beitrag der Ortskirche für unsere Gesellschaft:Hier soll die Wichtigkeit des Einsatzes von Christen in der Welt von heute betont und gestärkt werden; die soziale und politische Dimension des Glaubens gilt es hervorzuheben; hier soll ermutigt werden, über den eigenen Kirchturm hinaus zu schauen und dabei zu entdecken, dass unser Land nicht der Nabel der Welt ist und dass unsere Ortskirche ein Teil der weltweiten, katholischen Glaubensgemeinschaft ist; hier sollen Hilfen angeboten werden, dass wir uns als kirchliche Gemeinschaft nicht in Sakristei und Kirchenraum zurückziehen. Der Dienst für die Welt ist auch Gottesdienst. Die missionarische Dimension des Glaubens soll neu bewusst gemacht werden. Der Einsatz für den Menschen ist ein Echtheitskriterium für unsere Gottesbeziehung. Die Auseinandersetzung und der Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Strömungen soll gewagt und geführt werden. Menschen sollen durch Aus- und Weiterbildung befähigt werden, wahrzunehmen, dass unsere Gesellschaft sich verändert durch Menschen anderer Kulturen, Sprachen und auch Religionen. Menschen sollen befähigt werden zu einem echten und konstruktiven Dialog mit dem Anderssein der Anderen. Die Akademie hat neben dem Dialog die Aufgabe einer kritischen Zeitgenossenschaft. Sie soll die Entwicklung unserer Gesellschaft, in der Politik, Wirtschaft und Kultur beobachten und darauf durch gezielte Angebote eine Antwort versuchen. Hier soll die Sehnsucht nach vertiefter Spiritualität gefördert werden. Die Übernahme von St. Georg in Sarns bietet gute Bedingungen gerade für Exerzitien und Einkehrtage. Und dies alles auf dem Hintergrund einer überzeugten und mutigen christlichen Identität, die gerade „Gaudium et spes“ an vielen Stellen betont. Der christliche Einsatz für den Menschen und seine Lebenswelt gelingt nur von Christus her. GS 10 sagt wörtlich: Christus ist „Schlüssel, Mittelpunkt und Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte“. So manche konkreten Anweisungen von „Gaudium et spes“ sind zeitbedingt – wie könnte es anders sein bei einem Dokument, das bald 50 Jahre alt ist. Das Anliegen bleibt hochaktuell: Die Kirche in der Welt von heute. Dieses „in“ ist für die Kirche im Licht des II. Vatikanischen Konzils eine pastorale Grundoption. Die Sorge der Kirche gilt nicht nur den Nahen, sondern auch den Fernen. Die Cusanusakademie soll weiterhin mithelfen, die Stimme des Evangeliums und die Stimme der Kirche hörbar zu machen, gelegen oder ungelegen, auch um den Preis, sich in der konkreten Auseinandersetzung einmal zu verbrennen. Ich denke in dieser Stunde mit großem Respekt an meinen Vorgänger Joseph Gargitter zurück, der diese Akademie als Ausdruck der Verantwortung der Ortskirche gegenüber unserer Gesellschaft und den Menschen unseres Landes gewollt hat, und an alle, die seit 50 Jahren diesem Anliegen in diesem Haus ein konkretes Gesicht gegeben haben und geben: P. Benedikt Tauber SJ, der als erster Direktor die Akademie geleitet hat; Dr. Konrad Köhl, der fast zwanzig Jahre lang diesem Bildungshaus vorstand, und Mag. Konrad Obexer, der seit 1993 mit großem Einsatz als Direktor dieses Haus leitet . Mein aufrichtiger Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Referenten und Referentinnen und den vielen Menschen, die die Angebote dieses Hauses nützen und es mit Leben erfüllen! Ad multos annos, geschätzte Cusanusakademie! Ad multos annos im Dienst des Dialogs zwischen Kirche und Welt, zwischen Glaube und Kultur, zwischen Kirche und Gesellschaft, zwischen Religion und allen Bereichen, die das Leben der Menschen ausmachen und prägen. Möge die Cusanusakademie ein Bezugspunkt für unsere Ortskirche bleiben, unter dem Vermächtnis von GS 1: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihrem Herzen Widerfall fände“.