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Projekt "Mut zum Hinsehen"

Die Diözese Bozen-Brixen hat sich 2023 für die Realisierung des Projektes „Mut zum Hinsehen“ entschieden. Die Idee zum Projekt wurde von P. Dr. Hans Zollner SJ, Präsident des Institutes für Anthropologie (IADC) an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, anlässlich des Informationstreffens am 4. März 2022 in Bozen angestoßen. Das Konzept der Aufarbeitung, das in Zusammenarbeit mit dem Institut für Anthropologie an der päpstlichen Universität Gregoriana erarbeitet worden ist und jetzt durchgeführt wird, geht von einer Zukunftsvision aus, in der die Diözese ein sicherer Ort für Minderjährige und schutzbedürftige Personen ist. Als die wichtigsten Merkmale des Projektes „Mut zum Hinsehen“ bezeichnet Gottfried Ugolini, der Vorsitzende der Projektsteuerungsgruppe „die Betroffenenperspektive, die Unabhängigkeit der Untersuchungen“, - und wie von Bischof Muser vorweggenommen – „eine transparente Vorgangsweise sowie die Berücksichtigung der sprachlichen und kulturellen Besonderheiten unseres Landes“.

 

Häufig gestellte Fragen zu Prävention und Missbrauch

Als sexuellen Missbrauch werden jene sexuellen Handlungen an und vor einem Mädchen oder Jungen bezeichnet, die gegen deren Willen vorgenommen werden. Aufgrund ihrer körperlichen, seelischen, geistigen, sprachlichen und sozialen Unterlegenheit können die Mädchen und Jungen diesen Handlungen nicht wissentlich zustimmen. Sie stehen außerdem in einem ungleichen Machtverhältnis gegenüber den Tätern und Täterinnen. Diese nützen ihre Vertrauens-, Macht- und Autoritätsposition aus, ihre eigenen Bedürfnisse nach Macht und Nähe auf Kosten der Kinder zu befriedigen.

Sexueller Missbrauch verletzt das Vertrauen, das ein Mädchen oder ein Junge in jene Person gesetzt hat, die sie bzw. ihn allmählich in eine Abhängigkeitsbeziehung verwickelt hat. Ein sexueller Missbrauch missachtet die Würde des Kindes als menschliche Person. Das Mädchen oder der Junge wird entmenschlicht und zum Objekt der eigenen Bedürfnisbefriedigung gemacht. Damit werden die Rechte der Kinder auf ein unversehrtes Aufwachsen, Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung und das Recht auf ein Leben in Fülle (Joh 10,10) missachtet und ignoriert.

Sexueller Missbrauch umfasst eine ganze Bandbreite von Formen, die außer den genitalen Bereich auch alle anderen Bereiche miteinschließen. Sexueller Missbrauch kann mit oder ohne Körperkontakt erfolgen. Der Täter kann körperlichen Kontakt mit einem Mädchen oder Jungen spielerisch anbahnen oder direkt suchen und zu gegenseitigem Körperkontakt auffordern. Der Täter kann auch ein Mädchen oder einen Jungen einladen oder dazu anleiten, dass sie seinen Körper oder den je eigenen berühren und sexuelle Handlungen vornehmen.

Wie jede Form von Missbrauch ist auch der sexuelle Missbrauch immer und zuallererst ein Machtmissbrauch. Mit dem Missbrauch der Macht sind auch das betrogene Vertrauen und die Ausnützung der Beziehung in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Dabei sind nicht nur individuelle, sondern auch systemische Komponenten zu berücksichtigen. Zum Missbrauch tragen eine Reihe von Voraussetzungen bei, die im System inhaltlich und strukturell verankert sind. Eine unantastbare Hierarchie und eine unhinterfragbare Ideologie verhindern sowohl Verantwortliche als auch die Basis, dass Betroffenen Entlastung und Gerechtigkeit zuteilwerden und Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Beispiele für sexuellen Missbrauch mit Körperkontakt sind: aufdringliche körperliche Nähe; begrabschen; ungewollte Berührungen am Körper durch die Hände über oder unter den Kleidern; erzwungene Zärtlichkeiten, Streicheln, Reiben, Küsse, Zungenküsse; Aufforderung zu erniedrigenden Körperhaltungen; Masturbation; vaginale, anale oder orale sexuelle Handlungen oder Penetration mit Gegenständen.

Beispiele für sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt sind: sich vor Kinder entkleiden, sexuelle Anspielungen machen oder masturbieren (Exhibitionismus); Kinder dazu bringen oder auffordern, sich zu entkleiden, sich sexuell zu bewegen, zu berühren oder zu betätigen (Voyeurismus); verbale sexistische Beleidigungen (herabwürdigende Bezeichnungen, sexistische Witze und Bemerkungen), obszöne Gesten und Äußerungen, unerwünschte Belästigung sexueller Natur durch Anrufe, Mitteilungen und Bilder auf den social media; Aufnahme, Bearbeitung oder Verbreitung von Bilder ohne das Wissen der betroffenen Person, Aufnahme, Herstellung und Verbreitung pädo-pornographischen Materials.

Allgemein wird die Bezeichnung sexueller Missbrauch verwendet. In der italienischen Gesetzgebung spricht man von sexueller Gewalt. Aufgrund der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen finden sich inzwischen mehrere Bezeichnungen.

Sexueller Missbrauch – Mit dieser Bezeichnung werden alle sexuelle Handlungen an oder vor Mädchen und Jungen bezeichnet, die gegen deren Willen vorgenommen werden. Aufgrund ihrer körperlichen, seelischen, geistigen, sprachlichen oder kulturellen Unterlegenheit sind sie unfähig, ihre Zustimmung zu äußern.

Das Wort Missbrauch setzt einen erlaubten bzw. legitimen Gebrauch voraus. Das ist bei Gegenständen und Regeln möglich. Ein erlaubter Gebrauch von Kindern und Jugendlichen für sexuelle Handlungen ist weder rechtlich noch moralisch tragbar.

Der Begriff sexueller Missbrauch bekräftigt, dass die Verantwortung einer Tat eindeutig beim Erwachsenen liegt.

Sexuelle Gewalt – Der Begriff „sexuelle Gewalt“ unterstreicht, die Durchsetzung sexueller Interessen und Bedürfnisse gegen den Willen Dritter. Das sexuelle Motiv bestimmt das Handeln, das mit den unterschiedlichen Formen von Gewalt umgesetzt wird. Dies ist, zum Beispiel, bei Belästigungen, Übergriffen, Erpressungen, Nötigungen und Vergewaltigungen (mit und ohne Drogen) der Fall. Sexuelle Gewalt verletzt das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Person.  

Sexualisierte Gewalt – Diese Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass sexuelle Handlungen instrumentalisiert werden, um Gewalt auszuüben und Macht zu demonstrieren. Es handelt sich in erster Linie um eine Gewalttat. Das Motiv der Handlungen ist kein sexuelles, sondern wurzelt darin, durch Gewalt Stärke und Überlegenheit zu zeigen und Machtgelüste auszuleben. Sexualität wird funktionalisiert und zum Mittel, eigene Interessen und Machtansprüche gewaltsam zu verteidigen bzw. einzufordern. Dies äußert sich zum Beispiel in den kriegerischen Auseinandersetzungen, wenn im angegriffenen Land Frauen, Männer und Kinder vergewaltigt und oft danach auch getötet werden.

Sexueller Missbrauch kann überall und immer stattfinden. Es handelt sich um eine weltweites Phänomen. Sexueller Missbrauch findet in allen Kulturen, Religionen und politischen Systemen sowie in allen gesellschaftlichen und kirchlichen sozialen Kontexten statt wie in der Familie, in Kindergärten, Schulen, Heime, Sport- und Kulturvereine, Gemeinschaften, Organisationen, Einrichtungen und Betrieben.

Sexueller Missbrauch kann mit und ohne Gewalt erfolgen. Wie jede Form von Missbrauch ist auch der sexuelle Missbrauch immer und zuallererst ein Machtmissbrauch. Mit dem Missbrauch der Macht gehen immer das betrogene Vertrauen und die Ausnützung einer machtungleichen Beziehung einher. Die Beziehung wird durch vertrauensbildende Maßnahmen aufgebaut oder es besteht bereits eine Bindung. Das besondere Merkmal dieser Beziehung ist das Machtgefälle, das durch Hierarchie, Autorität, Rollen und sozialen Status festgelegt ist (Eltern, Priester, Lehrperson, Erziehende, Betreuende, Trainerinnen und Trainer, usw.). Ein ungleiches Machtverhältnis kann auch entstehen u.a. aufgrund von Altersunterschied, durch körperliche, geistige, psychologische und sprachliche Überlegenheit, durch höhere Bildung und mehr Erfahrung, durch bessere soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen.

Der Täter nützt seinen Machtvorteil aus, um jemand an sich zu binden und abhängig zu machen.

Deshalb kann sexueller Missbrauch mit und ohne Gewalt erfolgen. Bei sexuellem Missbrauch kommt es selten zu direkter Gewaltanwendung, sondern mehr zu anderen Formen von Gewalteinwirkung wie Einschüchterung, Drohung, Erpressung, Schweigegebot und Zwang. In manchen Fällen werden Alkohol und Drogen verabreicht bzw. konsumiert.

Sexueller Missbrauch ist ein weiter Begriff. Er reicht von einer provozierenden Haltung bis zu genitalen Handlungen. Die subjektive Einschätzung, ob es sich um sexuellen Missbrauch handelt, bezieht sich auf das individuelle Erleben und Empfinden der Betroffenen. Was für eine Person schon als Missbrauch empfunden wird, kann für eine andere noch lange keiner sein.

Was als sexueller Missbrauch objektiv eingeschätzt und bezeichnet wird ist abhängig von geltenden kulturellen und religiösen Werten und Normen sowie von der jeweiligen gesetzlichen Regelung.

Nicht jede Form von sexuellem Missbrauch ist strafrechtlich relevant, hat jedoch immer Folgen für die betroffene Person.

Entsprechend dem Schweregrad kann sexueller Missbrauch in vier Stufen eingeteilt werden.

 

1. Stufe: Grenzverletzungen in alltäglichen Situationen

Das Überschreiten oder Verletzen von Grenzen erfolgt zufällig, ungewollt und unbeabsichtigt. Die Grenzverletzungen können verbaler oder non-verbaler Natur sein. Diese können sich beim Spiel, bei einem Streit, bei einer Auseinandersetzung, bei der Pflege, bei Rettungseinsätzen … ergeben. Die Ereignisse lassen sich klären und können gelöst werden.

2. Stufe: Leichte sexuelle Grenzverletzungen

Hier handelt es sich um verbale und non-verbale Äußerungen und unangemessene Verhaltensweisen, die bewusst und gezielt eingesetzt werden, wie zum Beispiel: sexistische Sprüche und Witze, Spott, doppeldeutige Anspielungen, Drohungen, Handgreiflichkeiten, Berührungen, Festhalten, Zeigen von pornographischem Material … Die Handlungen erfolgen bewusst und mit Absicht, auch wenn sie als Scherz oder als Anmache oder Flirtversuch gemeint sind. Hier sind Grenzen aufzuzeigen und entsprechende pädagogische Maßnahmen zu ergreifen.

3. Stufe: Schwere Grenzverletzungen – Sexuelle Übergriffe

Zu den schweren Grenzverletzungen zählen körperliche, seelische oder sexuelle Grenzüberschreitungen, Voyeurismus, Exhibitionismus, sexuelle Belästigung, sexuelle Übergriffe, Sexting, Nacktaufnahmen ohne Zustimmung, Versenden von pornographischem Material, jemanden zu sexuellen Handlungen zwingen online und offline. In diesen Fällen sind entsprechende Strafmaßnahmen zu ergreifen.

4. Stufe: massive Grenzverletzungen – Sexueller Missbrauch, sexualisierte Gewalt

Alle sexuellen Gewalthandlungen, die entsprechend den staatlichen Gesetzen strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.

Eindeutige Erkennungsmerkmale und Hinweise auf sexuellem Missbrauch gibt es nicht. Auffällige und abrupte Verhaltensänderungen können ein Hinweis darauf sein aber nicht eins zu eins, denn sie können unterschiedliche Ursachen und Gründe haben. Deshalb ist ein interessiertes und einfühlsames Ansprechen und Nachfragen ratsam.

Folgende Auffälligkeiten sollten möglichst beachtet und angesprochen werden:

  • körperliche Anzeichen wie chronische Müdigkeit, Körpergewicht nimmt merklich zu oder ab, Narben von Verletzungen, Durchfall, Brechreiz, Anfälligkeit für Krankheiten, Verzögerungen in der körperlichen Entwicklung …
  • psychosomatische Signale wie Bauch- und Unterleibsschmerzen, Mund- und Halsentzündungen, Kopfweh, selbstzerstörerische Verletzungen, gestörtes Essverhalten, körperliche Beschwerden, Vernachlässigung der Hygiene …
  • kognitive Anzeichen (Denk- und Wahrnehmung): geistige Abwesenheit, Zerstreutheit, Konzentrationsprobleme, verlangsamtes Denken, intensives Tagträumen, verzögerte Sprach- und Intelligenzentwicklung, übermäßige Beschäftigung mit Sexualität, Suizidideen …
  • psychische Anzeichen wie Ängste, Panikattacken, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Passivität, apathisches Verhalten, Gereiztheit, Gefühlschwankungen, depressive Gemütsstimmung, Gleichgültigkeit, Selbstzweifel, Aggressivität, Wutausbrüche …
  • soziale Anzeichen wie sich zurückziehen, Vermeidung von Personen und Orten, Abnahme der schulischen Leistungen, Schulschwänzen, Suche nach Nähe, Distanzlosigkeit, aggressives Verhalten, sexualisierte Sprache, Neigung zu (sexuellen) Übergriffen, von zuhause weglaufen …

Am häufigsten geschehen Missbrauchsfälle im familiären Nahbereich, zwischen 80-90 Prozent. Betroffene berichten, dass ihnen der Täter bzw. die Täterin bekannt waren.

Vermehrt findet Missbrauch unter Minderjährigen statt. Laut internationalen Studien erfährt eines auf 5 Mädchen und einer auf 10 Jungen sexuellen Missbrauch von leicht bis schwerst. Am meisten betroffen sind Minderjährige mit Beeinträchtigung.

Die Ergebnisse weltweiter Studien besagen: jedes vierte bis fünfte Mädchen, jeder achte bis zehnte Junge war schon einmal sexuellen Übergriffen ausgesetzt in der Stufung von leichten bis schwersten Formen.

Im gesellschaftlichen Bereich ist die Mehrzahl der Betroffenen Mädchen. Im kirchlichen Bereich bilden die Jungen die Mehrzahl.

Die am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe sind Menschen mit Behinderungen. Der Missbrauch geschieht vorwiegend in Einrichtungen.

Nur ein geringer Prozentsatz der Missbrauchsfälle wird bekannt und ein noch viel geringerer Prozentsatz kommt vor Gericht. Die unbekannten Fälle dürften 15- bis 20-mal mehr sein als die bekannt gewordenen.

  • Die Verdachtsmeldung ernst nehmen.
  • Ruhe bewahren und aufmerksam zuhören. Panik oder Bestürzung könnten die betroffene Person zusätzlich belasten oder zum Schweigen bringen.
  • Dem Kind, dem/der Jugendlichen, dem/der Schutzbefohlenen oder der berichtenden Person Glauben schenken. In der Regel erfinden Menschen keinen Missbrauch, und Kinder denken sich sexuelle Übergriffe normalerweise nicht aus.
  • Die Person, von der der Verdachtsfall erfahren wurde, ermutigen, sich an die Ombudsstelle zu wenden. Durch die Meldung kann die betroffene Person (z.B. Minderjährige) geschützt und der vermeintliche Täter von weiteren Taten abgehalten werden. Die Überprüfung der Glaubhaftigkeit obliegt der kirchlichen Kommission, die die Voruntersuchung durchführt.

Stell uns deine Frage!

Zukunftsvision

Das Projekt „Mut zum Hinsehen“ geht von der Zukunftsvision aus: „Kirche als sicherer Ort für Kinder und Jugendliche“. Grundlage dafür sind das Evangelium und die Sendung der Kirche, die Frohe Botschaft zu verkünden, erfahrbar zu machen und zu feiern. Jesus hat auch die Kinder in die Mitte gestellt und gesegnet. Er wirbt mit ihnen für eine Haltung, die dem Reich Gottes entspricht. 

Neuheit des Projektkonzeptes

Das Konzept geht über die bisherigen Ansätze und Formen der Erhebung der Realität der Missbrauchsfälle im innerkirchlichen Bereich hinaus. Über die sozio-historischen, kirchenrechtlichen, zivilrechtlichen, an Betroffenen und Tätern orientierten Kriterien zur Aufklärung und Aufarbeitung hinaus wird mit diesem Projekt ein neuer Weg beschritten. Das Konzept will mit einer Zukunftsvision einen umfassenden organisationalen Transformationsprozess in Bewegung setzen. Ein weiterer neuer Aspekt betrifft die gleichzeitige Einbeziehung von internen und externen Fachleuten. Durch erstere soll die interne Akzeptanz gefördert und die interne Expertise miteinbezogen werden. Durch die externen Fachleute soll eine transparente und wissenschaftlich verantwortliche Umsetzung des Projektes gewährleistet werden. Zudem wird durch einen externen Projektbeirat eine kirchenunabhängige, kompetente und kritische Außensicht auf die Umsetzung des Projektes geworfen.

Im Übrigen handelt es sich um das erste Projekt in der Kirche Italiens, das sich auf diese Weise der Realität des Missbrauchs in ihren eigenen Reihen stellt und konsequent Aufarbeitung als umfassenden Erneuerungsprozess in die Wege leitet.

Projektprozesse

Transformationsprozess

Durch die Umsetzung des Projektes wird ein Transformationsprozess eingeleitet, der zwei Ziele verfolgt: eine veränderte Haltung gegenüber den Missbrauchsfällen, den Betroffenen und Tätern sowie eine strukturelle und inhaltliche Umgestaltung, um Missbrauchsfällen vorzubeugen und bei Vorfällen konsequent und kompetent zu handeln. Es handelt sich um eine ethische Haltung und moralische Verantwortung entsprechend der Sendung der Kirche, ihres missionarischen und prophetischen Auftrages.

Motto des Prozesses

Das Motto des Projektes „Mut zum Hinsehen“ drückt die Entschiedenheit und den Willen der Diözese aus, sich den Missbrauchsfällen der Vergangenheit und deren Folgen zu stellen, Verantwortung zu übernehmen, aus Fehlern und Versagen zu lernen und Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Daraus erwächst eine Kultur des Hinsehens, der Wachsamkeit und der Mitverantwortung aller, solidarisch, gerecht und respektvoll die Würde des Menschen und den Wert des Lebens in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen.

Projektphasen

Das Projekt sieht drei Phasen vor und ist auf drei Jahre angelegt.

Die erste Phase ist der Aufklärung gewidmet. In mehreren Zugängen werden die Missbrauchsfälle, welche durch kirchliches Personal begangen wurden, erhoben und wie Verantwortliche, Einrichtungen und Gemeinden damit umgegangen sind. Dies geschieht durch eine Archivrecherche, durch einen allgemeinen Aufruf über die Medien, durch Interviews und durch einen Fragebogen.

Die zweite Phase hat die systematische Aufarbeitung auf individuellerund systemischer Ebene zum Ziel. Sie bezieht sich auf alle Beteiligten und diözesanen Strukturen: Betroffene, Zeugen, Mitwissende, Täter, Gemeinden, Einrichtungen, Organisationen und Gemeinschaften. Dazu gehören die Berücksichtigung der Missbrauchsthematik in allen Äußerungen des kirchlichen Lebens und die Anbringung von Erinnerungstafeln und die Errichtung von öffentlichen Mahnmalen.

Die dritte Phase setzt den Schwerpunkt auf Prävention. Die sieht eine verbindliche und überprüfbare Standardisierung der Präventionsmaßnahmen und der Interventionsabläufe in allen diözesanen Bereichen vor. In allen Bereichen der Diözese werden eigene Präventionsmaßnahmen und Schutzkonzepte erarbeitet und implementiert, die jeweils ständig evaluiert und aktualisiert werden.

Missbrauchsfälle und Zeitrahmen

Das Projekt sieht die Erhebung und die Beachtung aller Formen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt durch Priester, Diakone, Ordenspriester im diözesanen Dienst und kirchliche Mitarbeitende auf allen Ebenen der Diözese vor.

Aus eigenrechtlichen Gründen werden die Ordensgemeinschaften bei der Archivrecherche nicht mit einbezogen.

Die Archivrecherche bezieht sich auf die diözesanen Archive seit 1964, dem Jahr, in dem die Diözesangrenzen neu geregelt wurden. Ausgenommen sind die Pfarrarchive, auf Grund der Annahme, dass sich kaum jemand selbst als Täter im Archiv dokumentiert. Werden oder sind Missbrauchsfälle bekannt, zu denen in den Personalakten keine oder nur dürftige Unterlagen vorhanden sind, wird auch in den Pfarrarchiven oder in den Einrichtungen, in denen die Person tätig war, nachgeschaut.

Werden oder sind Missbrauchsfälle vor 1964 bekannt, werden in den entsprechenden Archiven die Personalakten eingesehen.

Charakteristika des Projektes

Das Projekt „Mut zum Hinsehen“ ist prozesshaft, partizipativ und auf Prävention hin angelegt. Die Umsetzung des Projektes erfolgt zielgerichtet in kleinen Schritten, die immer wieder aufeinander abgestimmt werden und den jeweils nächsten Schritt vorbereiten. An der Umsetzung des Projektes werden möglichst viele auf den unterschiedlichen Ebenen und in den unterschiedlichen Bereichen der Diözese eingebunden und aktiv beteiligt. Zur Gestaltung und Durchführung der einzelnen Schritte werden interne und externe Fachleute herangezogen. Dabei wird auf eine transparente Vorgangsweise Wert gelegt. Entsprechend der Zukunftsvision ist das Endziel die Schaffung einer qualifizierten, evaluierbaren und von allen mitgetragenen Präventionsarbeit in der gesamten Diözese.

Organisationsstruktur des Projektes

Die Organisationsstruktur zur Umsetzung des Projektes „Mut zum Hinsehen“ ist sehr einfach angelegt.

Auftraggeber ist der Bischof zusammen mit dem Generalvikar.

Der Bischof setzt eine Steuerungsgruppe ein mit dem Auftrag, das Projekt umzusetzen. Die Steuerungsgruppe arbeitet unabhängig. Der Vorsitzende der Steuerungsgruppe informiert den Auftraggeber über die Durchführung des Projektes und vertritt das Projekt nach innen und nach außen.

Die Mitglieder der Steuerungsgruppe:

  • Roland Angerer: Pädagoge, Betroffener
  • Peter Beer: Vertreter des IADC
  • Marina Bruccoleri: Sozialpädagogin
  • Mario Gretter: Priester, verantwortlich für den Bereich Pastoral
  • Helmut Hell: Organisationsberater
  • Brigitte Hofmann: Pädagogin, verantwortlich für den Bereich Caritas
  • Julia Linder: Pädagogin, verantwortlich für den Bereich Bildung
  • Raffaella Zadra: Rechtsanwältin
  • Fabian Tirler: Kirchenrechtler, verantwortlich für den Bereich Verwaltung
  • Gottfried Ugolini: Priester

Um die Transparenz bei der Umsetzung des Projektes zu gewährleisten, wird vom Bischof auf Vorschlag der Steuerungsgruppe ein externer Projektbeirat eingesetzt. Dieser besteht aus Fachleuten, die in keinem diözesanen Dienstverhältnis stehen. Er hält einen unabhängigen kritischen Blick auf die Projektdurchführung. Er hat Informations-, Initiativ- und Vorschlagsrecht.

Für die operative Durchführung des Projektes werden unter anderem vier Projektgruppen gebildet und eingesetzt. In jedem diözesanen Bereich arbeitet eine Projektgruppe: Pastoral, Bildung, Caritas und Verwaltung. Die Verantwortlichen der Projektgruppen sind Mitglieder der Steuerungsgruppe.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Öffentlichkeitsarbeit erfolgt über das Amt für Medien und Kommunikation in Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der Steuerungsgruppe. Auf der Homepage der Diözese wird eine eigene Seite zum Projekt „Mut zum Hinsehen“ eingerichtet für Mitteilungen und Informationen sowie für Fragen und Rückmeldungen.

Finanzierung

Die Diözese übernimmt die Finanzierung des Projektes. Die Kostenvoranschläge und die Abwicklung der Bezahlungen erfolgt über den Diözesanökonomen.

Datenschutzinformation

Datenschutzinformation laut Art. 13 der Verordnung (EU) 2016/679 – Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und den gültigen nationalen Bestimmungen (GvD 196/2003, abgeändert durch das GvD 101/2018) sowie Generaldekretes „Bestimmungen zur Wahrung des guten Rufes und der Privatsphäre“ der italienischen Bischofskonferenz vom 24. Mai 2018. Hiermit informieren wir Sie über die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten und Ihre Rechte im Rahmen des Projektes „Mut zum Hinsehen“.