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Predigten

Dankgottesdienst für die Seligsprechung von P. Franziskus Jordan

Bischof Ivo Muser

St. Nikolaus/Meran, 23. Mai 2021

Liebe Gemeinschaft der Salvatorianerinnen, lieber P. Benedikt, liebe Mitbrüder, liebe pfingstliche Festtagsgemeinschaft!

Wir feiern Pfingsten: der fünfzigste Tag nach Ostern, das Hochfest der Herabkunft des Hl. Geistes auf die entstehende Kirche, der krönende Abschluss der Osterzeit, zusammen mit Ostern und Weihnachten ein Höhepunkt im Kirchenjahr.

Ich bin immer wieder von der Erzählung aus der Apostelgeschichte fasziniert, die wir heute als Lesung zum Hohen Pfingstfest gehört haben. Nicht nur, dass da „Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel“ (Apg 2,5) versammelt waren. Die Völker und Landschaften werden sogar bei ihrem Namen genannt, und zwar so, als würde ein großer Kreis um Jerusalem gezogen, als wäre in Jerusalem, um es im Bild zu sagen, ein Stein ins Wasser geworfen worden. Und dieser Stein zieht nun seine Kreise, bis ans Ende der damals bekannten Welt: „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,11).

Genau an dieser Stelle möchte ich jetzt anknüpfen und einen Brückenschlag wagen zu Pater Franziskus Maria vom Kreuz Jordan, der am vergangenen 15. Mai in der Lateranbasilika in Rom seliggesprochen wurde. In diesem Pfingstgottesdienst danken wir für diesen neuen Seligen unserer Kirche, den Gründer der salvatorianischen Ordensfamilie. Wir tun es hier in Meran, zusammen mit der Gemeinschaft der Salvatorianerinnen, die es seit 1912 in Obermais gibt und der ich heute auch als Bischof bewusst und öffentlich danke für ihr Sein und Wirken unter uns.

Der selige Franziskus Jordan hatte von seinem Schöpfer ein wahrhaft pfingstliches Talent in die Wiege gelegt bekommen: In unglaublich kurzer Zeit konnte er eine Sprache nicht nur lesen und verstehen, schon bald hat er sie auch gesprochen. So etwas habe ich noch von keinem Menschen gehört: 39 Sprachen hat er auf hohem Niveau beherrscht, in 13 Sprachen hat er uns ein umfangreiches geistliches Tagebuch hinterlassen.

Als er nach Umwegen endlich ins Priesterseminar in Freiburg im Breisgau eintreten und am 21. Juli 1878 zum Priester geweiht werden konnte, hätte ihn sein Bischof aufgrund der Situation im Kulturkampf in keine Pfarrei schicken können. So schickte er dieses Sprachtalent zum Sprachenstudium ans Orientalische Institut nach Rom; dort sollte er orientalische Sprachen lernen. Einen Professor orientalischer Sprachen hätte man daraus machen können oder einen Diplomaten im kirchlichen Dienst. Da waren Sprachen gefragt. Dieses Studium hatte er kaum fertig, da schickte man ihn tatsächlich schon mit einem wichtigen Auftrag nach Kairo und erlaubte diesem überbegabten Priester, gleichsam als Belohnung, von Kairo ins Heilige Land weiterzureisen, und über Jerusalem weiter in den Libanon, damit er dort in einem maronitischen Kloster seine Arabisch-Kenntnisse vervollkommnen konnte. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste der selige Franziskus vom Kreuz bereits mit unumstößlicher Gewissheit, dass Gott für ihn einen anderen Platz ausgewählt hatte, eine andere Sendung, einen wahrhaft apostolischen Auftrag. Als er sich kurz vorher in Jerusalem aufhielt, konnte er nicht oft genug die Grabeskirche besuchen, diesen heiligsten Ort des christlichen Glaubens, und da kniete er dann und legte sein geistliches Tagebuch auf die Stelle - so hält er es später in seinem Tagebuch fest - „wo das heilige Kreuz stand und der Erlöser der Welt gestorben ist“.

Das ist aber jetzt schon mein zweiter Anknüpfungspunkt an die Geschichte vom Pfingstereignis in der Apostelgeschichte. Vergessen wir dabei nicht, gerade noch eben waren die Jünger und Anhänger Jesu ein verschrecktes Häuflein Elend, die nach der Katastrophe des Karfreitags am liebsten zurück nach Galiläa gegangen wären zu ihren Familien, zu ihrer Arbeit. Eine unerhörte Ausweitung hatte stattgefunden. Christus war am Kreuz gestorben, dieser Tod war Grund zu Traurigkeit und Verzweiflung, am Pfingsttag erst geht diesen Menschen auf: Christus ist am Kreuz für ALLE gestorben. Deswegen sind in der Pfingsterzählung des Lukas „alle Völker unter dem Himmel“ vertreten.

Kaum etwas hatte den seligen Pater Jordan so betroffen gemacht wie die Aussage, die er bei Paulus fand, nämlich: dass Christus am Kreuz für ALLE gestorben war. Seine Betroffenheit war so überwältigend, dass daraus die große Sehnsucht seines Lebens wurde: ALLE. Immer und immer wieder schreibt er dieses magische Wort in sein Tagebuch und wendet es auch auf sich an. „Alle Länder“, schreibt er, „alle Nationen, alle Völker, alle Stämme, alle Menschen! Allen bist du Schuldner.“

Am Ende des 19., zu Beginn des 20. Jahrhunderts, mitten im Zeitalter der größten Nationalismen, die zwei Weltkriege und die Hölle des Holocaust entfachen würden, ruft Gott einen jungen Mann, den jetzt seligen Franziskus vom Kreuz, der das Malerhandwerk gelernt hatte und sehr  sprachbegabt war, um der Welt ein ganz anderes Projekt entgegen zu halten, das am Kreuz noch nicht, aber zu Pfingsten sichtbar geworden war. ALLEN sollte das Heil zu teil werden. Dafür hat Christus die Apostel ausgesandt, und zwar bis zum Ende der Welt, über die Grenzen von Nationen und Sprachen hinweg. Besonders geprägt hat P. Jordan der Satz aus dem Johannesevangelium: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3).

Hier entzündete sich die große Vision des seligen Franziskus vom Kreuz Jordan. Um alle zu erreichen, sollten möglichst alle mit hineingezogen werden in dieses Apostolat der Verkündigung, der Evangelisierung: Priester, Wissenschaftler, Männer und Frauen, Jugendliche und sogar Kinder Er ist begeistert von den Möglichkeiten eines Presseapostolats und gibt schon bald mehrere Zeitschriften heraus, in Latein, in Italienisch, in Deutsch. Alle sollten erreicht werden. Alle sollten ihren Beitrag leisten. Alle sind berufen Apostel zu sein!

Das ist das bleibende Vermächtnis des neuen Seligen, seine große Aktualität: zu laufen, zu handeln, findig zu sein, zu wagen, soviel als nur möglich ist, für die Ausbreitung des Reiches Gottes, für die Rettung der anderen, für die Rettung aller.

Lassen wir uns, durch Pater Franziskus vom Kreuz ermutigt, verwandeln! Lassen wir uns, wirklich jede und jeder von uns, vom Geist erneuern, damit dies möglich wird und damit unsere wertvolle Sendung nicht scheitert.

Im Dankgebet zur Seligsprechung heißt es: „Gib uns den Mut, wie der Selige Franziskus Jordan von Herzen auf dein Rufen zu antworten in der Sehnsucht, dass alle Menschen Heil erfahren. Schenke uns dein Licht und deine Weisheit, dass wir geeint unsere Sendung leben, damit alle Jesus Christus, den Heiland der Welt, erkennen, ihn lieben und ihm dienen.“