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Vorträge & Ansprachen

Weihnachtsbesuch im Südtiroler Landtag 2016

Stimato Signor Presidente del Consiglio Provinciale, sehr geehrter Herr Landeshauptmann und geehrte Mitglieder der Landesregierung, stimati Consiglieri Provinciali, sehr geehrte Damen und Herren, stimè Cunsei Provinziel!

In der Weihnachtsgeschichte des Lukasevangeliums nimmt das Erscheinen des Engels breiten Raum ein. Zuerst wird in knappen Worten von der Geburt Jesu erzählt. Die Erzählung geht weiter mit den Hirten auf dem Feld. Da geschehen plötzlich bedrohliche Dinge. Die Angst der Hirten vor dem Unbekannten findet Ausdruck in den Worten: „Und sie fürchteten sich sehr“. Beim Evangelisten Lukas wird ihnen die Angst schnell genommen. Ein Engel erscheint und beruhigt mit dem Gruß: „Fürchtet euch nicht!“ Der himmlische Bote sagt dies, bevor er unglaubliche Dinge verkündet und den Hirten zumutet, diese zu glauben und danach zu handeln.

Der Engel verkündet, dass nicht der Kaiser im fernen Rom der Erlöser ist, sondern ein Kind in der Krippe. Es braucht wirklich Mut, so etwas zu glauben. Das ist Weihnachten! Engel heute, im übertragenen Sinn, sind Menschen, die daran glauben, dass Menschlichkeit und gewaltfreie Konfliktlösungen möglich sind und die danach handeln. Engel sind jene, die die Kraft haben aus dem Teufelskreis der Unversöhnlichkeit auszubrechen; dem Kreis, der aus dem Nachbarn einen Gegner, aus dem Flüchtling einen Feind macht. Es braucht wirklich Mut zu so einer Einstellung!

Nella Bibbia gli angeli non sono i risolutori dei momenti di crisi, non sono guardie del corpo. Sono altro: sono coloro che ammoniscono, sono la voce della coscienza, sono coloro che infondono coraggio. Essi richiedono decisioni, desiderano che le persone cerchino la strada giusta e che poi la percorrano.

Il racconto di Natale ha un riferimento molto attuale al tempo presente. Anche oggi sono molti quelli che temono tutto ciò che non possono spiegare. Intendo i grandi rischi della nostra epoca: come affrontare le conseguenze delle guerre, come comportarsi con persone che fuggono, come superare la paura dell’eccesso di stranieri, della disoccupazione, del declino sociale? Nessuno conosce la riposta giusta a tali domande.

In una democrazia si deve sempre lottare per la giusta direzione e per questo dobbiamo tenere presenti alcune indicazioni: La società deve rimanere umana. Il senso per il bene comune deve prendere il posto dell’egoismo e della pretesa. Bisogna saper parlare in modo responsabile; il linguaggio populista non solo si nutre delle preoccupazioni della gente, ma serve spesso ad alimentare rancori e paure. Senza porsi dei limiti e senza autodisciplinarsi non possono vivere né il singolo né una comunità.

Erlauben Sie mir drei Überlegungen, die mir am Herzen liegen:


1. Zum Zustand der Europäischen Union

Die Europäische Union ist nach den dramatischen Erfahrungen der Diktaturen und des 2. Weltkriegs gegründet worden, durchaus auch als christlich – humanistische Wertegemeinschaft. Der europäische Geist verliert heute aber an Kraft. Das Wir-Gefühl bröckelt in der Flüchtlingskrise. Das große Wir zerfällt in immer kleinere Wirs. Im Haus Europa sind die Bewohner dabei, sich wieder mehr in ihre eigenen vier Wände zurück zu ziehen. „Vorsicht vor diesem Wir“ – kann man immer häufiger hören!

Eigentlich müsste es heißen „Wir, die Völker Europas“. An so einem Empfinden war Europa schon mal näher dran. Die vielen neuen Wirs liebäugeln mit Grenzen. Die Flüchtlinge, heißt es, gehören nicht zu „uns“. Es macht mich als Christ betroffen, dass der Geist der Abschottung nicht selten sogar unter christlichen Vorzeichen antritt, beispielsweise um das christliche Abendland zu retten. Dabei war der kühne Gedanke der ersten Christen ein anderer. Paulus hat entscheidend dazu beigetragen, das Christentum nach Europa zu bringen. Von ihm stammt die Aussage: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). Über sich selber schreibt der Völkerapostel: Er sei den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche geworden (vgl. 1 Kor). Das ist christliche Identität! Eine Identität, die die eigenen Wurzeln kennt, pflegt, verteidigt und lebt – im offenen und konstruktiven Dialog mit der Identität der anderen.

Die europäische Gemeinschaft steht an einer Wegkreuzung: Wird nationaler Egoismus die Oberhand behalten oder können wir – über Grenzen und Unterschiede hinweg – ein solidarisches Zusammenleben finden, gegründet auf verbindenden und verbindlichen Werten?


2. Economia, ambiente, vita sociale

Lo scopo della politica deve essere quello di creare e mantenere l´equilibrio tra i fondamentali ambiti dell’economia, dell’ambiente e della vita sociale. Tutte e tre queste dimensioni sono di pari importanza. Rendere le economie sostenibili per la Natura e per l’Uomo è un compito costante. In un mondo in cui le risorse si vanno esaurendo, il clima subisce cambiamenti e la vita sociale si irrigidisce, questa sfida è da tenere in evidenza come non mai. Nella sua opera fondamentale “Das Prinzip Verantwortung/ Il principio responsabilità” il filosofo Hans Jonas scrive: “Prima la tecnica veniva utilizzata per risolvere un problema, per alleggerire un processo lavorativo. Quando il problema era risolto, la questione era finita. Oggi la tecnica moderna induce a non fermare questo processo, che si sta sempre più autonomizzando. È un processo dinamico, che si prolunga in continuazione senza uno scopo definito.” Hans Jonas invoca un atteggiamento responsabile. Secondo lui l’imperativo categorico di Kant oggi dovrebbe suonare così: “Agisci in modo che le conseguenze della tua azione siano compatibili con la permanenza di un’autentica vita umana sulla terra.”


3. Armut im Wohlstandsland Südtirol

Trotz guter Wirtschaftslage gelten zunehmend mehr Menschen als arm oder sind vom Armutsrisiko bedroht. Armut hat viele Gesichter und viele Ursachen. Sie geht weit über die materielle Dimension hinaus, ist also mehr als nur Einkommensarmut. Häufig kommen bei bedürftigen Menschen mehrere Belastungen zusammen, wie etwa ungesicherte und schlechte Wohnverhältnisse, Vereinsamung, psychische Probleme, Abrutschen in ein Außenseiterdasein, zerbrochene Familienbiographien. Die Sozialethik hat für den nichtmateriellen Bereich das Konzept der Teilhabe und Beteiligungsgerechtigkeit entwickelt.

Bedürftige – darunter auch Flüchtlinge - sind in der öffentlichen Meinung im Unterschied zu anderen gesellschaftlichen Gruppen einem grundsätzlichen Misstrauen ausgesetzt, sie würden soziale Leistungen missbrauchen. Pauschale Überzeichnungen in der Öffentlichkeit erschweren die Akzeptanz einer Sozialpolitik für Menschen am Rande der Gesellschaft. Dies wiederum erschwert das Bemühen, Armut in der Wohlstandsgesellschaft als Faktum zu sehen und die Notwendigkeit zu erkennen, sich für eine Verbesserung der Situation einzusetzen. Der Grundsatz des sozialen Ausgleichs zwischen schwachen und starken Gliedern der Gesellschaft ist und bleibt eine Herausforderung für das Gemeinwesen. Biblisch gesprochen: Entscheidend bleibt die Bereitschaft zum Teilen. Es gibt nicht ein Recht auf Überfluss, auf ein ständiges Mehr und Noch-Mehr, solange es die Armut gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, stimato Consiglio Provinciale, stimè Cunsei Provinziel! Es ist in unserer Gesellschaft, auch in Südtirol, oft schon zur Mode geworden, gegen die Politik und jene, die sie gestalten und ausüben, zu schimpfen oder sie als „schmutziges Geschäft“ zu verdächtigen. Ich teile nicht diese Sicht, ja ich möchte sogar ausdrücklich vor Politikmüdigkeit, Politikverdrossenheit und vor Pauschalurteilen gegenüber den politisch Verantwortlichen warnen.

Es stimmt, es gibt Beispiele, wo Menschen in der Politik nicht mehr das verkörpern, was Politik meint und sein soll: Verantwortung für die „polis“, Einsatz für das Ganze eines menschlichen, gesellschaftlichen Gefüges. Es gibt aber auch durchaus viele positive Beispiele. Ich möchte von meiner christlichen Überzeugung her alle Menschen in unserem Land ermutigen, sich für die Politik zu interessieren, sich einzubringen in Wort und Tat, sich einzusetzen für das Ganze, das alle angeht, kritisch zu sein gegenüber allen zu kurzsichtigen, vordergründigen und egoistischen Lösungen.

Als Christ wünsche ich mir mehr Freude an Politik: Leidenschaft für den Menschen, Freude daran, menschliches Zusammenleben unter den heutigen Bedingungen zu gestalten. Dabei denke ich vor allem an den nicht abschiebbaren und nicht delegierbaren Teil der je eigenen Verantwortung für das Ganze der Gesellschaft, in der wir leben, arbeiten, uns begegnen und auch aufeinander angewiesen sind.

Un Natale benedetto a tutti voi!
A chi ha il dono di vivere da cristiano questa festa particolare auguro sinceramente che il Signore nasca nei nostri cuori, nelle nostre famiglie e comunità, nella nostra terra. LUI vuole farsi carne – non solo allora, ma oggi, in mezzo a noi. LUI vuole avere a che fare con la nostra vita, con le nostre relazioni, con il nostro modo di pensare, parlare, agire, con le nostre decisioni, con la nostra politica.

Gesegnete und frohe Weihnachten – Ihnen allen und Ihren Familien! Möge der Stern von Betlehem auch über diesem wichtigen Haus unseres Landes stehen bleiben und ein hoffnungsvolles 2017 nach Christi Geburt ankündigen – ein Jahr der Solidarität, des Respekts und der Wertschätzung im Denken, Reden und Handeln, ein Jahr der Menschlichkeit und der Verantwortung füreinander.

A Vo duc y a Vosta families n bon Nadel.