Von Martina Rainer (Katholisches Sonntagsblatt)
Sr. Mirjam Volgger, Provinzoberin der Tertiarschwestern und diözesane Ordensbeauftragte, hat herausfordernde Wochen hinter sich. Als eine der Schwestern im Mutterhaus in Brixen Ende März mit grippeähnlichen Symptomen erkrankte, war dies erst der Anfang einer ganzen Infektionskette, die schlussendlich 24 von 43 Schwestern der Gemeinschaft betraf.
Über den Ausgangspunkt der Infektion können laut Sr. Mirjam Volgger nur Vermutungen angestellt werden. Nachdem auf einen Schlag zehn Schwestern positiv getestet worden waren, mussten sich auch die restlichen Ordensfrauen einem Test unterziehen.
Die meisten Schwestern hatten einen leichten Krankheitsverlauf mit grippeähnlicher Symptomatik, drei sind verstorben – eine von ihnen im 102. Lebensjahr. Als sich die Coronakrise Mitte März zuspitzte, hat Sr. Mirjam Volgger als diözesane Ordensreferentin mehrmals auch alle Ordensgemeinschaften im Land kontaktiert. „Die Klöster sind mittlerweile Altersheime auf privater Ebene und gehörten somit auch zur Risikogruppe. Daher haben auch sie das Recht, Hilfe von der öffentlichen Hand zu erhalten, wenn Not besteht“, ist die Ordensreferentin überzeugt. Neben den Tertiarschwestern sind auch andere Ordensgemeinschaften vom Virus nicht verschont geblieben. Schwer betroffen waren auch die Barmherzigen Schwestern im Jesuheim in Girlan und im Provinzhaus in Bozen. Selbst vor der strengen Klausur des Klarissenklosters in Brixen machte das Coronavirus nicht halt. Eine Schwester wurde positiv getestet und deshalb auf einer Covid-Station außerhalb des Klosters betreut. Für die anderen Klarissenschwestern galt eine strenge Quarantäne mit sämtlichen Schutzmaßnahmen.
„Für mich ist nicht die Frage vordergründig, nach dem Warum, nach der Ursache oder nach Schuldigen zu suchen. Vielmehr geht es darum, welche Konsequenzen wir daraus ziehen, was wir aus dieser Situation lernen und was wir mit in unser Leben und in unsere Strukturen nehmen“, sagt Sr. Mirjam. Insgesamt sind in Südtirol sechs Ordensleute im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben, ein aus Südtirol stammender Ordensbruder im Trentino.
Die Coronakrise hat auch das Leben hinter den Klostermauern stark verändert. Bei den Tertiarschwestern in Brixen gehört das Tragen von Mundschutz innerhalb des Klosters mittlerweile zum Alltag. Auch wird seit Wochen nur in Turnussen gegessen, um im Speisesaal einen maximalen Schutz zu gewährleisten. Seit März müssen die Schwestern in Brixen und anderen Klöstern auf gemeinsame Messfeiern verzichten.
Ebenso entfällt seit Wochen das gemeinsame Stundengebet. „Die Schwestern beten einzeln in der Kapelle für sich“, sagt Sr. Mirjam. Auch für die Ordensfrauen galt es, sich an die Ausgangssperre zu halten. Die großen Gärten der Marienklinik und in Brixen haben sich dabei als vorteilhaftes und wertvolles Refugium erwiesen. Sr. Mirjam Volgger wertet die derzeitige Situation „als interessante Erfahrung mit viel Lernpotenzial“. Die auf politischer Ebene getroffenen Entscheidungen hätten einschneidende Veränderungen mit sich gebracht. Ein Beispiel ist das Verbot der öffentlichen Gottesdienste: „Ich war erstaunt, wie starr gewordene Strukturen und Vorschriften, die es um jeden Preis zu erhalten galt, plötzlich durch ein Virus aufgeweicht wurden – und das ohne Proteste.“ Sie bewundert die große Flexibilität, mit der sich Schwestern an die neuen Gegebenheiten angepasst haben. Die verordnete Distanz habe paradoxerweise Nähe geschaffen – mehr Respekt und Verständnis füreinander seien in dieser Zeit notwendig: „Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl.“
Dieser Beitrag ist im Katholischen Sonntagsblatt, Nummer 21/2020 vom 17. Mai 2020 erschienen