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Orden

Die Tertiarschwester und Theologin Sr. Honorine: Von Kamerun nach Brixen

Sechs Jahre lang hat die Tertiarschwester Sr. Honorine Kinyuy Lantang aus Kamerun in Brixen gelebt und studiert. Vor Kurzem hat sie als erste Afrikanerin ihr Studium an der Philosophisch-Theologischen Hochschule abgeschlossen.Im Garten des Tertiarklosters sprach sie über ihre Erfahrungen und über Gott und die Welt.

Von Hannah Chiusole (erschienen im Sonntagsblatt Nr. 33 am 9.8.2020)

 

In ihren ersten Jahren in Brixen hat Sr. Honorine nach jeder Messe in ihrem Zimmer eine CD abgespielt und dazu getanzt. In Kamerun wird nämlich bei Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen getanzt – vor allem zu Messbeginn und bei der Gabenprozession. Das Tanzen in der Kirche hat Sr. Honorine in Südtirol sehr vermisst. Seit sie im Februar 2013 nach Brixen gekommen ist, ist es ihr immer wieder gelungen, „ein bisschen Kamerun nach Brixen zu bringen“ und manche Feiern im Kloster oder in der Hochschule mit Tanz zu bereichern.

 

Kultur in der Messe

Sr. Honorine Kinyuy Lantang ist Tertiarschwester und die erste Afrikanerin, die an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Brixen ihr Studium abgeschlossen hat. Zudem ist sie die erste Absolventin, die dort ihre Diplomprüfung aufgrund der Coronakrise online abgelegt hat.

In den Jahren in Brixen hat sie sich immer wieder mit einer Frage auseinandergesetzt: „Wer bin ich?” Die Antwort dazu hat sie nun parat: „In erster Linie ein Mensch, von Gott geschaffen, dann eine Christin und schließlich eine Ordensfrau.“

In der Liturgie kommen diese drei Aspekte zum Ausdruck. Deshalb hat sie sich in ihrer Diplomarbeit auch mit der Liturgie befasst – und zwar mit der Einbeziehung von kulturellen Elementen in den Ritus der Messfeier. Das beschreibt sie am Beispiel Kameruns, wo in der Kirche nicht nur getanzt wird, sondern die Menschen zur Gabenbereitung auch die Früchte ihrer Ernte als Zeichen der Dankbarkeit mitbringen.

 

Frühe Berufung

Geboren und aufgewachsen ist Sr. Honorine in Bamenda, einer Stadt im Nordwesten Kameruns. Ihre Muttersprache ist Lamnso, ihre zweite Sprache Englisch. Direkt nach dem Abitur ist sie 2003 mit 18 Jahren ins Kloster der Tertiarschwestern eingetreten. Schon als kleines Mädchen war sie vom Ordensleben fasziniert. In Kamerun werden Berufungen sehr gefördert, durch Berufungsgruppen in der Schule zum Beispiel. „Das Leben im Kloster ist in mancher Hinsicht gar nicht so anders als bei mir daheim. Meine Familie ist sehr religiös, wir sind jeden Tag um fünf Uhr aufgestanden, um zu beten“, erzählt sie. Nach ihrer ersten Profess im Jahr 2006 hat sie in Zentralafrika und Kamerun für den Orden u.a. als Englischlehrerin, Kassiererin, Pförtnerin und Ökonomin gearbeitet. Nebenbei hat sie begonnen, Deutsch zu lernen, weil die Ordensgemeinschaft eine Übersetzerin ausbilden wollte. Dann kam die Idee, in Brixen Theologie zu studieren. „Im Mutterhaus der Tertiarschwestern zu leben, war schon etwas Besonderes für mich, nachdem ich schon viel darüber gehört hatte“, sagt sie. In den vergangenen Monaten der Coronakrise hat sie viel nachgedacht und gebetet. Und hin und wieder mit Gott gehadert. „Das darf man auch manchmal”, sagt sie. Aber die Coronakrise ist wie „eine Wunde auf einer Wunde“ für Kamerun, ein Land, das ohnehin schon von politischen Krisen, Hunger und Armut geprägt ist. „Über solche Krisen wird nicht so viel geredet wie über die Coronakrise“, betont sie. Sie versteht auch nicht, wenn Menschen in Südtirol sie nach „Neuigkeiten aus Afrika“ fragen. „Ich komme aus Kamerun, und selbst da kann ich nur über meine Erfahrungen in den Regionen sprechen, in denen ich schon einmal war.“

 

Warten auf Heimkehr

Was die Zukunft für sie bereithält, weiß sie noch nicht. „Dinge passieren selten, wie sie geplant werden. Ich lege mein Leben ganz in Gottes Hand“, sagt sie dazu. Eigentlich hätte sie seit April wieder in Kamerun sein sollen. Der Flug wurde aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Monate in Brixen sieht sie aber dennoch als Geschenk, weil sie Zeit hatte, in der Krankenstation im Kloster zu wirken. „Hier findet große Theologie statt“, erklärt sie, „ich rede durch die kranken Menschen mit Gott und über Gott“. Es gehe darum, „einfach  da  zu  sein,  das Tun kommt erst an zweiter Stelle“.

 

Hannah Chiusole