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Predigten

6. Jahrtagsgottesdienst für Bischof Karl Golser

Bischof Ivo Muser

Brixner Dom, 30. Dezember 2022

Weil in diesem Jahr zwischen den Weihnachtstag und den Neujahrstag kein Sonntag fällt, ist heute das Fest der Heiligen Familie. Dieses Fest unterstreicht einen Aspekt des Weihnachtsgeheimnisses: Jesus wird in seiner Menschwerdung Kind einer menschlichen Familie. Das ist ein besonderer Anlass, an unsere eigenen Familien zu denken. An die Freuden und Leiden der Familien. An ihre Geborgenheit und an ihre Verletzlichkeit. An das Gelingen von Familie, aber auch an das Scheitern von Familie, das wir heute so oft erleben.

Als Diözesanfamilie beten wir heute besonders für Bischof Karl, der kurze Zeit Vorsteher dieser Familie war und der in der Christnacht vor sechs Jahren – wie wir hoffen und beten – aufgenommen wurde in das Haus und in die Familie Gottes.

Diesen 6. Jahrtagsgottesdienst für unseren verstorbenen Bischof Karl nehme ich jetzt zum Anlass, um sein Wirken als Moraltheologen zu würdigen. Dabei spreche ich einen Bereich an, auf den er sich oft bezogen hat: Sterbehilfe. Ein Bereich, der höchst aktuell ist!

 

Mit fünf Aspekten fasse ich die kirchliche Position zur Sterbehilfe zusammen, der sich auch Bischof Karl immer verpflichtet wusste.

1. Medizinische Maßnahmen haben das Ziel, die Gesundheit wiederherzustellen und das Leben zu erhalten. Wenn sie dieses Ziel nicht erreichen, dürfen sie unterlassen, ja sogar abgebrochen werden. Das gilt besonders dann, wenn am Lebensende der Sterbeprozess nicht mehr verhindert werden kann. Die Unterlassung oder die Unterbrechung von lebenserhaltenden Maßnahmen bedeutet nicht, dass man ein Leben als wertlos einstufen würde, sondern dass eine medizinische Maßnahme in Bezug auf die die Krankheit eines Menschen als nicht mehr angemessen beurteilt wird. Es geht immer um den Schutz der Würde des Menschen.

2. Die Kirche macht einen deutlichen und klaren Unterschied zwischen Töten und Sterbenlassen. Sie sagt, dass man einen Menschen nie töten darf, dass man aber auch nicht alles tun muss, um sein Leben um jeden Preis zu verlängern und zu erhalten. Ein Mensch hat das Recht auf medizinische Therapie, aber wenn eine Krankheit so weit fortgeschritten ist und ein Mensch ans Ende des Lebens gelangt, hat er auch ein Recht darauf, Therapien abzulehnen und sterben zu dürfen. Unter keinen Umständen sieht es die Kirche als ethisch erlaubt an, den Tod gezielt herbeizuführen – also einen Menschen willentlich zu töten oder ihm Mittel in die Hand zu geben, mit denen er sich selber töten kann.

3. Sterbende Menschen brauchen menschlichen, pflegerischen und geistlichen Beistand – besonders dann, wenn ihnen medizinisch nicht mehr geholfen werden kann. Die Unterlassung oder der Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen bedeutet nämlich nicht, einen Menschen aufzugeben oder seine Würde nicht mehr zu schützen. Gerade Sterbende brauchen menschliche Nähe, Zuwendung und Begleitung.

4. Wir brauchen in unserer Gesellschaft eine neue Sterbekultur. Das Sterben ist nicht ein „Betriebsunfall“. Das Sterben gehört zum Leben. Es ist eine Lebensaufgabe, sich auf das eigene Sterben vorzubereiten und sich mit dem eigenen Tod zu versöhnen. Wie wichtig ist es, mit den Betroffenen, aber auch mit den Angehörigen über ihre Sorgen und Ängste zu sprechen, sie in der Zeit des Abschiednehmens zu begleiten, ihnen zuzuhören und für sie da zu sein!

5. Das unausweichliche Sterben bekommt einen anderen Stellenwert und sogar eine besondere Würde, wenn der Tod angenommen werden kann im Glauben an ein Leben nach dem Tod. Die Hoffnung auf den Himmel ist nicht eine nebensächliche Nische des christlichen Glaubens, sondern das Herzstück: Christus ist für uns Mensch geworden, er hat für uns den Tod angenommen und in seiner Auferstehung den Tod überwunden – um uns ewiges Leben zu schenken.

 

Wir hoffen und vertrauen, dass Bischof Karl, allen unseren Verstorbenen und einmal auch uns dieses ewige Leben geschenkt wird – durch den Tod hindurch. Bitten wir oft um diesen weihnachtlich – österlichen Glauben!