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Predigten

Begräbnisfeier für den emeritierten Generalvikar Josef Matzneller

Bischof Ivo Muser

Brixner Dom, 1. August 2022

 

Liebe Schwestern und Angehörigen unseres geschätzten und lieben Verstorbenen, stimato e caro Arcivescovo Lauro, liebe Mitbrüder, cari confratelli, geehrte Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens, cara comunità in lutto quì in Duomo e attraverso la nostra Radio Sacra Famiglia, liebe Trauergemeinde, liebe Mitfeiernde über Radio Grüne Welle!

Bei diesem Begräbnisgottesdienst bündelt sich ein Stück unserer Diözesangeschichte. Josef Matzneller hat den Weg unserer Diözese in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend miterlebt und mitgeprägt. Viel Wissen um unsere Diözese nimmt er heute mit ins Grab: persönliches und institutionelles Wissen. Durch die Dienste, die ihm anvertraut waren, bildet er eine Klammer zwischen den ersten vier Bischöfen unserer neuumschriebenen Diözese Bozen - Brixen und das kommt jetzt auch zeichenhaft zum Ausdruck: Sein Sarg ist umgeben von den Gräbern unserer Bischöfe Joseph Gargitter, Wilhelm Egger und Karl Golser. Und als 4. Bischof von Bozen - Brixen darf ich jetzt mit euch allen diesen Begräbnisgottesdienst für ihn feiern – in großer Wertschätzung und Dankbarkeit, mit vielen Erinnerungen im Herzen und im Kopf, mit jener Hoffnung, die Ausdruck eines jeden christlichen Begräbnisses ist: Im Tod ist das Leben.

Es war am Montag, 29. August 2016. Ich traf mich zur letzten Arbeitsbesprechung mit Generalvikar Josef Matzneller. Da erzählte er mir, was ihn in diesen letzten Tagen seiner zwanzigjährigen Amtszeit als Generalvikar am meisten beschäftigt. Bei den Exerzitien vor der Priesterweihe sagte der P. Spiritual des Germanikums zu den Weihekandidaten, darunter auch Josef Matzneller: „Wenn ihr in wenigen Tagen zu Priestern geweiht werdet, dann vergesst nie: Ihr werdet nicht Protagonisten, ihr werdet nur Stellvertreter. Für einen anderen sollt ihr stehen, einen anderen sollt ihr verkünden, einen anderen sollt ihr feiern, einen anderen zu den Menschen tragen. Euer Leben als Priester wird nur Frucht bringen in dieser Haltung der Stellvertretung. Nur von Jesus Christus her, dem einzigen Priester, könnt ihr Priester sein“. Und dann fügte der Exerzitienleiter noch hinzu: „Ein entscheidendes Merkmal für diesen priesterlichen Dienst der Stellvertretung muss die sakramentale Bindung an euren Bischof sein“. Und damit nicht genug. Wenige Tage später, am 10. Oktober 1970, empfing Josef Matzneller die Priesterweihe in der prächtigen römischen Kirche S. Ignazio, die dem Gründer des Jesuitenordens und des Germanikums geweiht ist. Gestern, am 31. Juli, war sein Gedenktag. Da hörte Josef Matzneller diese Worte des weihenden Bischofs, des holländischen Kardinals Jan Willebrands: „Liebe Weihekandidaten, denkt in dieser entscheidenden Stunde eures Lebens an euren Bischof und an seine Nachfolger, die ihr noch nicht kennt“.

Tief bewegt fügte Josef Matzneller am Ende seines Erzählens hinzu: „Ich ahnte bei den Weiheexerzitien und bei der Priesterweihe noch nicht, dass diese Worte sich in meinem Leben so deutlich erfüllen sollten. Mein ganzes Priesterleben gestaltete sich an der Seite meiner Bischöfe. Das war nicht gewollt, nicht geplant und auch nicht immer leicht. Aber das war mein Platz, an den ich durch den Willen meiner Bischöfe hingestellt war. Bei allem Erkennen der Grenzen und Schwächen und auch durch den Verzicht, der damit verbunden war, weiß ich mit „ignatianischer Gelassenheit“: Das war mein Platz und es gut so.“ Selten in meinem Leben hat mich ein Gespräch so bewegt wie dieses!

Josef Matzneller war der geborene Stellvertreter, er war ein Leben lang vor allem Zweiter, als bischöflicher Sekretär, als Generalvikar an der Seite von drei Bischöfen und auch als zweimaliger Diözesanadministrator, den es nur gibt und braucht in Erwartung des neuen Bischofs. Diese Platzanweisung ist nicht einfach; bei Josef Matzneller war sie verbunden mit menschlicher und geistlicher Größe. Und deswegen wurde sein Dienst zu einem Segen für unsere Diözese Bozen - Brixen und für ihre vier Bischöfe, die ihm viel verdanken.

Ja, Josef Matzneller war ein Leben lang Stellvertreter. Das war sein Platz, seine Berufung in unserer Ortskirche. Welche Orientierung und welche geistliche Kraft liegen in den Worten des P. Spirituals des Germanikums, die er an Josef Matzneller und seine Weihekollegen gerichtet hat! Diese Worte gelten heute uns, liebe Mitbrüder: “Ihr seid nicht Protagonisten, ihr seid nur Stellvertreter.”

Als Primizspruch wählte Josef Matzneller das Wort aus dem Römerbrief des heiligen Paulus, das wir in der Lesung seines Begräbnisgottesdienstes gehört haben und das sein Nachfolger, Generalvikar Eugen Runggaldier, auch auf die Todesanzeige und auf das Andenkbildchen schreiben ließ: „Gott hat seinen eigenen Sohn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm 8,32). Anlässlich seines 50. Priesterjubiläums vor zwei Jahren habe ich Josef Matzneller gefragt, warum er gerade diesen Satz des großen Völkerapostels ausgewählt habe. Seine Antwort kam schnell und sie war – typisch für ihn – schon lange durchdacht und oft meditiert: „Dieser Vers ist für mich Weihnachten und Ostern zusammen. Mich hat immer bewegt, dass Gott sich nicht begnügt, uns etwas zu schenken. Er schenkt alles, was er hat, sich selbst in seinem eigenen Sohn. Wenn Gott alles geschenkt hat, und das bedeutet Weihnachten und Ostern, dann dürfen wir alles von ihm erwarten. Diese Hoffnung hat mich immer begleitet. Ich bete oft um die Gnade, mit dieser Hoffnung sterben zu können.“

Genau dasselbe bringt der Schlüsselsatz aus dem Johannesevangelium zum Ausdruck: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16).

Damit ist alles gesagt: Das ist in dieser Stunde der Trauer, des Abschieds und der Dankbarkeit die einzige Hoffnung, die trägt: Wie sollte Gott, der sich in Jesus, seinem Sohn, so gezeigt hat, wie er ist, Josef jetzt nicht alles schenken? Der christliche Glaube schenkt uns diese Perspektive und diese Hoffnung, gerade auch in der Auseinandersetzung mit dem Tod unserer Lieben, aber auch im Zugehen auf unseren eigenen Tod.

Ich wende mich jetzt an unseren lieben Verstorbenen selber, weil ich glaube, dass er nicht tot ist, sondern dass er auf der anderen Seite des Lebens lebt und auch auf uns wartet. „Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen“, so werde ich später in der Präfation singen.

Lieber Josef, nur wenn es Gott gibt, geht dein Leben nicht ins Leere. Ohne Gott hättest du, wie viele andere, auf eine falsche Karte gesetzt. Ohne Gott braucht es auch keine Priester! Denn der Priester ist zuerst und zuletzt nichts anderes als ein Sakrament: ein Zeichen und ein Werkzeug für die Begegnung zwischen Gott und uns Menschen. Priesterlicher Dienst in all seinen Aufgaben und Formen steht und fällt mit der Glaubensüberzeugung, dass das Heil von Gott kommt und nicht von uns.

Heute, an deinem Begräbnistag, lieber Josef, danken wir Gott für sein JA zu dir, als er dich inmitten einer gläubigen Familie in Aldein ins Leben gerufen hat; wir danken ihm, dass er sich dir für immer zugesagt hat in deiner Taufe und Firmung und dass er dich durch die Priesterweihe zu einem Sakrament für andere gemacht hat. Wir danken heute aber auch dir für dein gegebenes und für dein durchgehaltenes JA. Wo dich deine Bischöfe gebraucht haben, hast du dich hinstellen lassen und du hast mit Hingabe und Können deinen Dienst getan, mit deiner menschlichen Autorität und in der geistlichen Haltung des Hörens und des kirchlichen Gehorsams. Vergelt´s Gott, lieber Josef, für dein Sein und Wirken unter uns. Bete für uns, bete für mich, den letzten Bischof, dem du zur Seite gestanden bist. Bete um einen hoffnungsvollen Weg deiner und unserer Diözese in die Zukunft.

Heute danke ich mit dir Gott auch dafür, dass er dir in Marianna eine leibliche Schwester zur Seite gestellt hat, die dich in großer Treue, Nähe und Geduld begleitet hat. Sie war für dich „goldwert“, wie du einmal zu mir gesagt hast. Schon seit vielen Jahren war sie deine treue Weggefährtin, nicht zuletzt auch in den schmerzlichen Erfahrungen, die dir in den letzten Jahren deines Lebens zugemutet wurden. Das starke Abnehmen deiner Hörfähigkeit hat dich sehr belastet, aber auch das Nachlassen deines wachen und ausgezeichneten Gedächtnisses und vor allem die schwerwiegenden Folgen des Unfalls, der dir zugefügt wurde, bei dem du ein Auge verloren hast und der dich in deiner Gehfähigkeit stark beeinträchtigt hat.

Lieber Josef, an deinem Sarg bete ich jetzt eines deiner Lieblingsgebete, das dich begleitet hat – wie du mir einmal gesagt hast – seit deiner Studienzeit im Germanikum in Rom. Es ist das Gebet des heiligen Ignatius von Loyola. Wer dich kannte, wird verstehen, warum du mit diesen Worten oft gebetet hast: „Nimm hin, o Herr, meine ganze Freiheit. Nimm an mein Gedächtnis, meinen Verstand, meinen ganzen Willen. Was ich habe und besitze hast du mir geschenkt. Ich gebe es dir zurück und überlasse alles dir, dass du es lenkst nach deinem Willen. Nur deine Liebe schenke mir mit deiner Gnade. Dann bin ich reich genug und suche nichts weiter.“

Lieber Josef, ich hoffe und bete, dass wir uns wiedersehen, weil Gott uns in seinem Sohn alles schenken will. Ich freue mich darauf. Ich verneige mich in Dankbarkeit und Ehrfurcht vor deinem Leben und vor deinem treuen, stellvertretenden Dienst.