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Bezirkstreffen der Pfarrgemeinde- und Pfarreienräte: ein Erfahrungsbericht von Reinhard Demetz

Im Laufe des Monats März konnte ich bei 6 Bezirkstreffen über 130 Vorsitzenden von Pfarrgemeinde- oder Pfarreienräten begegnen. Ziel der Abende war es, die Leitungsrolle der Vorsitzenden zu reflektieren. Diese verändert sich zurzeit sehr stark und wird mehr und mehr zu einer tragenden Leitungsaufgabe für die gesamte Pfarrei. Obwohl das allgemeine Kirchenrecht den Begriff „Leitung“ den Priestern vorbehält, weist die Realität den Vorsitzenden heute eine immer wichtigere Leitungsaufgabe zu, nicht zuletzt aufgrund des Priestermangels. Was „Leitung“ in der Pfarrei bedeutet und welche Herausforderungen und welche Freude damit verbunden sind konnte ich in den Bezirkstreffen gemeinsam mit den Vorsitzenden reflektieren.

Von Reinhard Demetz, Seelsorgeamtsleiter

„Gemeinsam Verantwortung tragen: Aufgaben und Herausforderungen von Leitung“

Bezirkstreffen der Vorsitzenden der Pfarrgemeinde- und Pfarreienräte: ein Erfahrungsbericht

Was hat ein Besen mit den Aufgaben einer Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates zu tun? Und wieso beschreibt ein luftiger Damenhut das Idealbild eines Präsidenten des Pfarreienrates? Auch wenn es vielleicht nicht unmittelbar einleuchtet, doch eine ganze Menge!

Wichtiger Hintergrund war dabei die Richtlinie „Das Miteinander im Leitungsdienst in der Pfarrseelsorge“ die vom Priester- und Pastoralrat erarbeitet und von Bischof Ivo Muser am Pfingstsonntag 2021 in Kraft gesetzt wurde. Auf dem Hintergrund der laufenden Veränderungen gibt die Richtlinie wichtige Hinweise, was Leitung in einer Pfarrei oder Seelsorgeeinheit bedeutet, wer dabei welche Aufgaben hat und mit welcher geistlichen Haltung Leitung verbunden sein kann.

Ein zweiter Hintergrund der Bezirkstreffen war der laufende synodale Weg der Weltkirche und der Kirchen in Italien, in deren Kontext die Ortskirchen eingeladen wurden, über die Leitungsrollen in den Pfarreien zu reflektieren und konkrete Erfahrungen zu sammeln, wie diese in Zukunft neu gestaltet werden können.

Am Beginn jedes Abends stellte ich zunächst die Leitungsstruktur vor, die die diözesanen Richtlinien für Pfarrei und Seelsorgeeinheit vorgeben. Im Zentrum standen danach die Erfahrungen der Vorsitzenden, die sich in kleinen Gruppen zu folgenden Fragen austauschten: Was ist unser Ideal von Leitung? Welchen Schwierigkeiten begegnen wir in der Realität? Dazu suchten die Vorsitzenden Bildmotive aus, die symbolisch für die Ideale und Herausforderungen stehen, die sie mit ihrer Aufgabe verbinden.

Neben dem bereits genannten Besen und dem Hut kamen dabei viele verschiedene Bilder hervor, mit denen Schwierigkeiten und Herausforderungen klar benannt wurden: die Vielfalt der verschiedenen Vorstellungen, Ideen und Wünsche, denen Rechnung zu tragen ist; die Unklarheit von Rollen und Aufgaben; das Risiko der Überforderung bei Priestern und Laien; die passive Konsumhaltung vieler Getaufter; Spannungen und Konflikte.

Aber auch das Ideal konnte klar benannt werden: das Stiften von Einheit in der Vielfalt; die Orientierung an der Frohbotschaft Jesu und eine lebendige Gottesbeziehung; das geduldige Gehen eines Weges; gemeinsam an einem Strang ziehen; für klare Strukturen, Aufgaben und Abläufe sorgen; die Menschen mit ihren Nöten und Bedürfnissen an die erste Stelle rücken.

Für mich haben die Treffen eines klar gezeigt: im epochalen Wandel, den wir als Kirche heute zu gestalten haben, können wir vor Ort auf engagierte, kompetente und überzeugte Christinnen und Christen bauen, die in Führung gehen und die Geschicke ihrer Pfarreien in die Hand nehmen. Mit Blick auf die italienische und weltweite Synode würde ich mir wünschen, dass wir mehr und bessere kirchen- und zivilrechtliche Instrumente in die Hand bekommen, um diese wertvollen Menschen in ihrem Engagement zu unterstützen. Wo ein Priester viele Pfarreien gleichzeitig betreut, braucht er reale Entlastung, während die Menschen vor Ort mehr Spielraum für eigenverantwortliche Gestaltung brauchen.

Aber auch ein weiteres kam klar zur Sprache: es liegt nicht allein an Regelwerken, sondern an einem guten Miteinander unter den Verantwortlichen. Für Priester wie für Laien heißt das oft loslassen, zulassen, ermöglichen, sich zurücknehmen. Viel zu oft herrscht noch ein schädliches Konkurrenzdenken, in dem die wachsende Rolle des Einen als Identitätsverlust des anderen erlebt wird. Das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die gegenseitige Unterstützung und Ermutigung wird die Essenz einer guten Zusammenarbeit im Leitungsdienst bleiben, jenseits aller kirchen- und zivilrechtlichen Vorgaben.

Was ist nun aber mit dem Besen und mit dem Hut? Diese beiden Bilder sind mir vom Bezirkstreffen in Bruneck stark geblieben. Der Besen steht für die Herausforderung, Altes hinter sich zu lassen, das Programm der Pfarrei zu bereinigen, durchzuputzen: eine Reduktion auf das Wesentliche, die Platz und Freiraum für Beziehungen und Unplanbares schafft. Der Hut steht für das Ideal, alles „unter einen Hut zu bringen“: die verschiedenen Ansichten und Wünsche, die Traditionen und das Neue, die verschiedenen Gruppen und Akteure. Es ist aber ein luftiger Hut, mit Federn drauf: denn alles soll unter den luftigen, befreiten Hut des Heiligen Geistes kommen. Das erfordert von den Leitenden oft auch die Bereitschaft, „Federn zu lassen“, d.h. sich selbst und die eigenen Ideale und Ziele nicht zu wichtig zu nehmen und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt zu stellen.