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Pressemitteilungen 2018

Bischof Ivo Muser zu aktuellen Diskussionen in der Kirche

Papst Franziskus steht bereits seit längerer Zeit innerkirchlich stark unter Druck. Wie beurteilt Bischof Ivo Muser die derzeitige Situation? Interview im Katholischen Sonntagsblatt.
Papst Franziskus steht bereits seit längerer Zeit innerkirchlich stark unter Druck. Während Millionen von Gläubigen auf der ganzen Welt seine Art mittragen, die Kirche zu führen und Probleme anzusprechen, scheint es innerhalb der Hierarchie der Kirche Verwerfungen zu geben. Wie beurteilt Bischof Ivo Muser die derzeitige Situation?
Herr Bischof, eine grundsätzliche Frage: Der Papst gibt die Linie der Kirche vor. Welche Rolle sollen dabei die Bischöfe spielen? Bischof Ivo Muser: Der Papst ist der Petrus von heute. Die Bischöfe sind zusammen mit dem Papst und unter dem Papst das Apostelkollegium von heute. Dabei sind die Bischöfe nicht die Beamten des Papstes, sondern durch ihre Weihe „ein sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“, so wie der Bischof von Rom als Nachfol­ger des hl. Petrus „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ ist, so lehrt es das Zweite Vatikanische Konzil. Papst und Bischöfe haben vor allem der Einheit der ganzen Kirche zu dienen. Deswegen ist es höchst problematisch, Papst und Bischöfe gegeneinander auszuspielen. Und es macht mich sehr nachdenklich und traurig, wenn Bischöfe selber die Einheit der Kirche aufs Spiel setzen, indem sie den Papst zum Rücktritt auffordern.
Es sind in jüngster Zeit aber immer wieder Bischöfe und Kardinäle, die den Kurs von Franziskus anzweifeln. Droht dabei nicht ein Autoritätsverlust für den Papst? Das Ringen um den richtigen Weg der Kirche gehört zum Wesen und Auftrag der Kirche dazu. Wir sind als Kirche immer auf dem Weg durch die Geschichte und noch nicht am Ziel! Deswegen darf es auch Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen, unterschiedliche Standpunkte, ja sogar Spannungen geben, wenn es darum geht, nach Antworten und Lösungen zu suchen, die dem Evangelium entsprechen. Dieses Ringen um den richtigen Weg darf es auch zwischen dem Papst und den Bischöfen geben – früher, heute und auch in Zukunft. Aber es ist höchst bedenklich und gefährlich, wenn für bestimmte Gruppen und sogar für Bischöfe nicht mehr klar ist, wer der Papst ist und was uns der Petrusdienst des Papstes bedeutet. Und besonders problematisch ist es, wenn der Petrusdienst früherer Päpste gegen den Petrusdienst des gegenwärtigen Papstes ausge­spielt wird. Es muss für uns alle klar sein: Papst Franziskus ist der Petrus von heute, so wie es Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in ihrer Amtszeit waren. Und nach Franziskus wird es wieder einen Bischof von Rom geben, der für seine Zeit Petrus sein wird. Gegenwärtige Diskussionen und Verhaltensweisen sind oft sehr spalterisch unterwegs und bringen Grundsätze in Gefahr, die für uns Katholiken selbstverständlich sein sollten.
Es fällt auf, dass einige Bi­schofskonferenzen oder Bischöfe für oder gegen den Papst Stellung nehmen. Wie sollte die Kirche mit dieser Polarisierung umgehen? In der letzten Zeit habe ich mir traurig und betroffen öfters die Frage gestellt: Wo sind wir denn gelandet? Warum lassen wir eine solche Polarisierung zu? Warum spielen so viele dieses ungute Spiel mit? Es müsste für uns alle klar sein, selbstverständlich auch für uns Bischöfe, dass wir hinter dem Papst stehen. Das hat nichts zu tun mit bloßer Sympathie. Das hat nichts damit zu tun, dass ein Papst alles richtig machen muss. Das Stehen zum Papst und hinter dem Papst ist für mich ein Ernstfall meines Bekenntnisses zur Kirche und meiner Liebe zur Kirche. Diese ungute Polarisierung und die Einteilung von Gläubigen und Bischöfen, die für oder gegen Papst Franziskus sind, widersteht mir zutiefst – theologisch, geistlich und menschlich. Glauben wir noch daran, dass Christus der Herr der Kirche ist und dass er ganz bestimmt nicht aussteigt aus dem Boot seiner Kirche – trotz allem und durch alles hindurch?
Bei der Seelsorgetagung haben Sie unter anderem von einer „Verrohrung der Sprache“ gesprochen. Sehen Sie dieses Problem auch innerhalb der Kirche? Ja. Und das macht mir auch Sorge. Katholisches Denken, Sprechen und Glauben darf nie ein polarisierendes Denken, Sprechen und Glauben sein: schwarz–weiß, entweder–oder. Die Verrohung der Sprache ist letztlich auch ein Zeichen dafür, dass wir der Komplexität des Lebens und auch den großen Herausforderungen für die Kirche in unserer Zeit ausweichen möchten. Unsere Sprache ist nie neutral und sie verrät uns immer! Spaltungen in der Kirche waren immer auch eine Konsequenz einer polarisierenden und aggressiven Sprache.
Die italienische Bischofskonferenz hat sich bisher zu den Polemiken rund um Papst Franziskus nicht zu Wort gemeldet. Warum? Ich sage es noch einmal: Wo sind wir gelandet? Bischöfe werden aufgefordert, sich hinter den Papst zu stellen, weil andere Bischöfe den Papst zum Rücktritt auffordern. In jeder heiligen Messe, die für uns der wichtigste Ausdruck auch der kirchlichen Einheit ist, beten wir mit diesen oder ähnlichen Worten: „Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde und vollende dein Volk in der Liebe, vereint mit unserem Papst, unserem Bischof und allen Bischöfen, unseren Priestern und Diakonen und mit allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind.“ Die Polarisierungen, die zurzeit stattfinden und die von verschiedenen Richtungen ge­nährt und angeheizt werden, halte ich für eine Sünde gegen die Einheit der Kirche. Ich bit­te alle um das Gebet für unse­ren Papst Franziskus und für die Einheit der Kirche.
Walther Werth