Zum Hauptinhalt springen
Predigten

Priesterweihe von P. Moritz Windegger OFM

Bischof Ivo Muser

Franziskanerkirche Bozen, 22. Juni 2024

Lieber P. Provinzial und liebe Franziskanergemeinschaft, liebe Mitbrüder und Ordensleute, liebe Eltern, Angehörige und Freunde unseres Weihekandidaten, lieber P. Moritz!

Heute stehen auf dem Heiligenkalender der Bischof John Fisher und der Lordkanzler Thomas Morus. Beide lässt König Heinrich VIII. enthaupten, den ersten am 22. Juni und den zweiten am 6. Juli 1535. Beide sterben für Ihre Treue zur Kirche und zum Papst. Beide halten buchstäblich für ihre Überzeugungen den Kopf hin.

Von Thomas Morus gibt es die Aussage: „Nie hätte ich daran gedacht einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen wäre.“ Besonders berührend ist eine Aussage in einem Brief, den er an seine Tochter Margarita schreibt, wenige Tage vor seiner Hinrichtung: „Sei also guten Mutes, liebe Tochter, und sorge dich nicht so sehr um mich, was mir auch immer in dieser Welt zustößt. Es kann mir nichts geschehen, was Gott nicht will. Was immer er aber will, so schlimm es sein mag, es ist dennoch wahrhaft das Beste.“

Lieber P. Moritz, am Gedenktag dieser beiden Märtyrer des Gewissens und der Treue zum Glauben der Kirche wirst du zum Priester geweiht und morgen feierst du deine Primiz im Bozner Dom, wo sich das Grab unseres seligen Josef Mayr – Nusser befindet. Er hat Thomas Morus sehr geschätzt und öfters in seinen Schriften und Vorträgen kommt er auf ihn zu sprechen. Warum, liegt auf der Hand. Es geht um das Gewissen, „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist“, wie es das II. Vatikanische Konzil sagt (GS 16).

Die biblischen Texte, die wir gehört haben, sieht die Liturgie für den heutigen Gedenktag vor. Sie sprechen vom Festhalten an der eigenen Überzeugung. In einer Zeit

großer Bedrängnis schwört der erste Petrusbrief die Gemeinschaft der Glaubenden auf ihre Standhaftigkeit ein. Wer sich in der Zeit des frühen Christentums auf diesen neuen Weg eingelassen hat und am Bekenntnis zu Christus festhielt, war in vielen Situationen der Bedrängnis ausgesetzt. Dieser neue Weg rüttelte an den bekannten und vertrauten Strukturen. Bis hinein in die engsten Verbindungen, die Familie und die Hausgemeinschaft, reichten die Irritationen. Überall galt es auszuhalten, dass dieser Weg, der von anderen Wegen abwich, auf Widerstand stieß. Davon gibt der Abschnitt aus dem Matthäusevangelium Zeugnis. Dabei ist nicht gemeint, dass Jesus gekommen ist, um bewusst Spaltung zu bringen, wohl aber, dass seine Botschaft nicht nur wohlwollend aufgenommen wird, sondern die Geister scheidet und Menschen dadurch entzweien kann. Ihm nachzufolgen, ist ein Risiko! Das haben Menschen am Beginn dieses neuen Weges erlebt, das zeigt sich in den Biographien von John Fisher, Thomas Morus und Josef Mayr – Nusser. Diese Auseinandersetzung wird in unserer Gesellschaft, die in vielem nicht mehr christlich denkt und empfindet, noch stark zunehmen.

Auf einem Kalenderblatt zum heutigen 22. Juni habe ich diesen Satz von Papst Benedikt XVI. gelesen: „Ideen brauchen einen Träger, politische Programme einen Kopf, das Wort Gottes braucht den Zeugen.“ In Jesus ist das Wort Fleisch geworden: das ist die Initialzündung des christlichen Glaubens. Jesus hat seine Lehre nicht niedergeschrieben. Er ruft und beruft Menschen, seine Person und seine Botschaft durch ihr Leben weiterzutragen. Seit den Tagen am See von Galiläa wirkt er durch Menschen. Für Jesus bleibt diese Entscheidung von Anfang an ein gefährliches Risiko. Wir brauchen nur hineinzuschauen in den ersten Kreis um ihn: Schon da gibt es das Nichtverstehen, das Träumen von Einfluss und Karriere, die Verleugnung, den Verrat. Wie oft haben wir Christen das Evangelium verraten! Auch in dieser Stunde geht er wieder ein Risiko ein. Mit dir, lieber P. Moritz!

„Bist du bereit, dich Christus, dem Herrn, von Tag zu Tag enger zu verbinden?“ Diese Frage werde ich dir bald stellen. Es ist die letzte von sechs Fragen. In jeder Frage geht es um Wichtiges. Diese letzte Frage trifft den Kern. Auf diese Frage wirst du auf dem Hintergrund deiner Lebens-, Glaubens- und Berufungsgeschichte antworten: „Mit Gottes Hilfe bin ich bereit.“

Wer Jesus finden will, muss sich auf seinen Weg einlassen: Hinter ihm her, in seinen Fußspuren, in der täglichen Verbindung mit ihm. Wenn du dich gleich auf den Boden legst, dann soll das ein sprechendes Zeichen dafür sein, dass du mit ihm in die Tiefe gehst und auch zu denen, die am Boden liegen, niedergeschlagen durch was und wen auch immer. Auf der Seite Jesu, des Mensch Gewordenen und Gekreuzigten, stehen nur diejenigen, die auf der Seite der Menschen stehen. Dieser Weg in die Tiefe ist der Tiefgang des Glaubens!

Einer, der diesen Tiefgang des Glaubens gewagt hat, war Franz von Assisi. Zu Recht sagte Dante Alighieri über ihn: „Wie eine Sonne ging er in der Welt auf“. Sein Leben bringt eine Neuentdeckung der Person Jesu und seines Evangeliums. Er wollte das Evangelium „sine glossa“ verkünden: ohne Kommentar. Das Evangelium soll nicht interpretiert und kommentiert, sondern gelebt werden. Er wollte ursprünglich für seine Gemeinschaft auch keine eigene Regel verfassen. Seine Brüder sollten eine „comunitas secundum sanctum Evangelium“ sein, eine Gemeinschaft, die dem Evangelium entspricht.

Lieber P. Moritz, du wirst Priester als Franziskaner! In die Schule des Franziskus gehen und in dieser Schule wachsen und reifen, ist ein gewaltiger Anspruch. Vielleicht mehrere Schuhnummern zu groß – für uns alle, auch für alle Angehörigen der franziskanischen Gemeinschaften und auch für dich.

Ich wünsche dir, dass du ein von Jesus faszinierter Christ, Franziskaner und Priester bist; mit der ständigen Bereitschaft zur Umkehr und mit jener Liebe zur konkreten Kirche, die Franziskus ausgezeichnet hat. Er hat die Radikalität des Evangeliums nicht von anderen gefordert, er hat sie selber gesucht und gelebt. Die Kirche seiner Zeit trug viele Wunden, Runzeln und blinden Flecken, in vielem war sie verweltlicht und verkrustet. Seine Reform geht nach innen und in die Tiefe und gerade so wird er zu einer der größten Reformgestalten der Kirchengeschichte! Wie entwaffnend kirchlich Franziskus denkt, wird deutlich, wenn er in seinem Testament sagt: „Ich will in den Priestern nicht ihre Sünde sehen, weil ich den Sohn Gottes in ihnen erblicke und sie meine Herren sind. Und deswegen tue ich das, weil ich leiblicherweise von ihm, dem höchsten Sohn Gottes, in dieser Welt nichts sehe als seinen heiligsten Leib und sein heiligstes Blut, das sie selbst empfangen und sie allein den anderen darreichen.“ Damit redet Franziskus keinem Klerikalismus das Wort; das ist Ausdruck seiner Christusbeziehung, seiner Liebe zur Eucharistie, seines kirchlichen Glaubens.

Lieber P. Moritz, Priestersein ist immer nur möglich im Annehmen und im Durchtragen einer Spannung: zwischen offizieller Lehre und dem eigenen persönlichen Verstehen; zwischen dem Dienst am Reich Gottes und dem zeitbedingten Dienst der Kirche an diesem Reich; zwischen der Treue zum Evangelium und dem Erleben der eigenen Unvollkommenheit. Ich wünsche dir, dass du diese Spannung mit Leben füllen kannst. Als ausgebildetem Journalisten wünsche ich dir, dass du ein offener, neugieriger, staunender und ehrfürchtiger Mensch bist – nicht auf der Suche nach Schlagzeilen, sondern auf der Suche nach der Wahrheit. Verinnerliche das schöne Leitwort, das du dir vom großen Paulus für deine Priesterweihe ausgeliehen hast: „Spe enim salvi. Auf Hoffnung hin gerettet“ (Röm 8,24). Vielleicht brauchen wir heute in Kirche und Gesellschaft nichts so sehr wie diese Hoffnung, die viel mehr ist als ein innerweltlicher

Optimismus oder Aktivismus, die auf sich allein gestellt sind. Wir brauchen eine Hoffnung, die getragen ist vom auferstandenen Christus. ER ist unsere Hoffnung!

Wir erleben in dieser Stunde ein Ereignis, das selten geworden ist. In den fast dreizehn Jahren als Bischof bist du, lieber P. Moritz, der 17. Priester, den ich weihen darf. Kein Sakrament ist heute so in der Diskussion wie das Weihesakrament. Der Missbrauchsskandal hat Vertrauen tief erschüttert. Gläubigenmangel, Priestermangel, leere Klöster und die Bildung immer größerer Seelsorgeeinheiten verändern Aufgaben und Bild des Priesters radikal. Die Zugänge zum Amt werden kontrovers und oft auch polemisch diskutiert. Ökumenisch ist das Amt auch umstritten. Und warum dann doch Priesterweihe? Die Kirche braucht Priester, die sie erfahren lassen, dass sie nicht aus sich, sondern von Christus her entsteht. Sie braucht Priester, um in der Spur des Evangeliums zu bleiben und um die Eucharistie feiern zu können. Sie braucht das sakramentale Amt, damit alle Gläubigen ihr Priestertum, geschenkt in Taufe und Firmung, leben können.

Liebe Schwestern und Brüder, viele Priester feiern in den kommenden Tagen rund um das Hochfest Peter und Paul den eigenen Weihetag. Auch ich gehöre dazu. Euch alle bitte ich heute, dass ihr uns Priester nicht alleine lasst und dass euch Priesterberufungen ein Herzensanliegen sind. Wir brauchen euer Mitbeten, Mitdenken, Mitgehen, eure Mitarbeit, euer Glaubens- und Lebenszeugnis und auch eure Geduld und euer Verzeihen. Nehmt uns an und ertragt uns als Menschen und schätzt im Glauben das, was uns im Sakrament für euch anvertraut worden ist.

Und jetzt, lieber P. Moritz, lass dich durch die Auflegung meiner Hände auf das Risiko ein, das Gott selber mit deiner Weihe wieder eingeht: mit Freude, Überzeugung, Dankbarkeit und Hoffnung. Pax et bonum, pace e bene: ein Leben lang für dich und durch dich für viele.