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Predigten

Silvesterpredigt – Te Deum 2022

Bischof Ivo Muser

 

Brixner Dom, 31. Dezember 2022

Zu den am häufigsten verwendeten Begriffen des Jahres 2022 gehört ganz sicher das Wort „Krise“. In allen möglichen Zusammenhängen ist es uns begegnet: Coronakrise, Krise des Gesundheitssystems, Ukrainekrise, Wachstumskrise, Beschäftigungskrise, Fachkräftekrise, Energie- und Rohstoffkrise, Krise der Politik, Kirchenkrise, Klimakrise, Wertekrise.

Verunsicherung, Ängste und das diffuse Gefühl, einer schwierigen Zukunft entgegenzugehen, prägen das Leben vieler Menschen. Klar ist: Krisensituationen erfordern Entscheidungen - in Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben, aber auch von der Zivilgesellschaft. Vor allem braucht es von uns allen die klare Entscheidung zum Miteinander, sodass niemand übersehen wird oder auf der Strecke bleibt. Eine „synodale Kirche“, wie sie Papst Franziskus sich wünscht, ist eine Kirche in aufmerksamer Weggemeinschaft mit den Menschen.

In der Auseinandersetzung mit Krisensituationen zeigt sich immer deutlicher: Materieller Wohlstand, das Streben nach ständigem Wachstum und Konsumsteigerung auf allen Ebenen reichen offenbar nicht aus, um den Menschen Zufriedenheit und Sicherheit zu verschaffen. Das erleben wir auch bei uns in Südtirol. Es braucht mehr, es braucht etwas für den Geist, für die Seele.

Zwei Begriffe spielen in der Bibel eine herausragende Rolle, auch im Nachdenken über Krisen: Freiheit und Solidarität. Sie gehören untrennbar zusammen. Zwar wird man in der Bibel das Wort Solidarität vergebens suchen, dennoch begegnet uns das, was mit Solidarität gemeint ist, auf Schritt und Tritt durch die ganze Hl. Schrift.

Bezüglich Freiheit drückt sich am deutlichsten der Apostel Paulus aus, wenn er im Brief an die Galater schreibt: „Ihr seid zur Freiheit berufen“ (Gal 5,13). Freiheit in Solidarität wird in der Bibel als das Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens beschrieben.

Wir haben heute das Glück in einem Sozialstaat moderner Prägung zu leben. Trotzdem nehmen auch bei uns die menschlichen und sozialen Schieflagen zu, nicht zuletzt deshalb, weil das Zusammengehörigkeitsgefühl brüchig geworden ist, weil individuelles Glücksstreben, Orientierung auf Eigennutz, Selbstverwirklichung und eine Überbewertung des Konsums immer mehr in den Vordergrund gerückt sind. Das Haben, das Bekommen und das Wirtschaftliche sind oft so markant und präsent, dass das Geistige, das Kulturelle, das Humane und das Religiöse in der zweiten und dritten Reihe den Platz zugewiesen bekommt. Ein besorgter Bürgermeister hat es mir gegenüber so ausgedrückt: „Wir sind auf allen Ebenen zu einer Ich – Agentur geworden. Das Wir bräuchte eine deutliche Entwicklungshilfe“.

Dass Menschen zusammenrücken, dass das Lobbydenken in die Schranken gewiesen wird, dass wechselseitige Sorge und Verantwortung unter uns wachsen, dass das ICH bereit ist zugunsten des WIR Verzicht und Einschränkung zu üben, das ist es, was wir auch in Zukunft brauchen. Wir haben es in allen Krisen, die es gibt und die uns stark herausfordern, in der Hand, ob Solidarität, Gemeinsinn, Gemeinwohl die Oberhand gewinnen oder aber ein verengter, heute weitverbreiteter Freiheitsbegriff, der sich zeigt in einem „Jeder und jede für sich“.

Freiheit kann nie auf die Formel „Ich will“ oder „Ich will nicht“ verkürzt werden. Freiheit ist nicht nur die Freiheit des Einzelnen. Das müsste eine einprägsame Lehre der Coronapandemie bleiben! Freiheit, die sich löst von Gemeinsinn und Rechtsnormen, die sich abkoppelt von Verantwortung, führt in die Sackgasse. Es geht nicht nur um persönliche Freiheit, sondern um eine Freiheit, die sich zeigt in der Verantwortung für einander und für die Schöpfung, die uns anvertraut ist! Einseitig individualistische, subjektivistische und liberale Konzeptionen werden uns nicht weiterbringen. Freiheit ohne Verantwortung ist weder gesellschafts- noch zukunftsfähig. Freiheit ohne Verantwortung ist nicht christlich!

I Cristiani sono chiamati a dare forma al mondo ed anche a trasformarlo, partendo dal Vangelo. E questa trasformazione ha un orientamento, guidato da uno spirito di solidarietà, di giustizia e di rapporto responsabile verso gli altri verso la creazione.

La mia convinzione cristiana mi porta ad incoraggiare tutti a darsi da fare in parole ed opere, ad impegnarsi per il bene che riguarda tutti, con senso critico nei confronti di ogni soluzione miope, superficiale o egoistica. Soprattutto incoraggio ad essere critici verso slogan e promesse populistiche.

Viviamo ancora in una terra ricca e dovremmo essere grati per il fatto che mai nella nostra storia tante persone hanno goduto di condizioni materiali e finanziarie così buone come al giorno d'oggi. Mi preoccupa però che le persone perdano il senso della gratitudine e della moderazione. Molti si sono abituati a pretendere soltanto e a pretendere sempre di più!

Di meno varrebbe spesso di più! L´anno prossimo nella nostra provincia e regione ci saranno le elezioni. La politica non può certo fare tutto da sola e sarebbe ingiusto ritenerla responsabile di tutto. Esiste una responsabilità del singolo di cui non ci si può liberare e che non può venire delegata ad altri. Tocca a ciascuno di noi quando si tratta di pretendere di meno e di condividere di più. Spetta a tutti noi portare il peso di misure di risparmio equamente distribuite.

Sulla soglia dell'anno nuovo 2023, auguro a tutti noi il coraggio, la volontà e la forza di considerare il bene comune più importante di ogni interesse individuale o di gruppi particolari. Auguro a tutti noi il coraggio di pensare ed operare a partire dai più deboli e non dai più influenti. Serve un atteggiamento che pensi a partire dai bambini, dai giovani, dalle famiglie, dalle donne e dalle madri, dai malati, dai bisognosi ed anche dagli immigrati.

Serve un impegno che prenda misure in base alla responsabilità per le generazioni future. So che tutto ciò è presto detto e preteso, ma che può essere raggiunto e realizzato soltanto con grande impegno. Eppure abbiamo bisogno di visioni, e proprio la fede cristiana è in grado di donarcele!

Optimismus oder Pessimismus? Wahrscheinlich liegen bei vielen von uns Erwartungen, Unsicherheiten, Ängste, Pläne und offene Fragen nahe beieinander. Mir persönlich ist die Rede von Optimismus oder Pessimismus auf jeden Fall zu oberflächlich. Entscheidend aber ist die Hoffnung! Sie ist tiefer, sie reicht weiter. Hoffnung wird gerne mit dem Anker symbolisiert, sie ist letztlich in Gott verankert. Sie bezieht ihre Zuversicht nicht aus Wirtschaftsprognosen und Aktienkursen, und noch weniger aus Horoskopen und anderen esoterischen Praktiken, sondern aus der Treue Gottes, die uns immer zugesagt ist. In dieser weihnachtlichen Festzeit feiern wir „den Gott mit uns und für uns“, der uns im Kind von Betlehem begegnen will.

Deswegen habe ich Hoffnung: Gottes Treue ist größer als alle Krisen. Und diese Hoffnung gibt auch die Kraft, Krisen gemeinsam anzugehen und sogar fruchtbar zu machen für ein neues und gutes Miteinander!

L'umiltà, il coraggio di servire: questa è a mio parere la chiave della personalità di Joseph Ratzinger, del suo pensiero, della sua teologia, del suo concepire il ministero, del modo in cui è stato il nostro Papa. Infine, ma non meno importante, le sue dimissioni volontarie e consapevoli dal ministero petrino sono un'espressione di questo coraggio di servire.

È una mia ferma e personale convinzione: Joseph Ratzinger/Papa Benedetto è un Dottore della Chiesa del nostro tempo e ben oltre il nostro tempo! La sua morte renderà ancora più luminosa la sua teologia e il suo servizio alla Chiesa.

Das Messkleid, das ich heute trage, und der Kelch, mit dem ich diese festliche Eucharistie zum Jahresschluss feiere, sind ein Geschenk von Papst Benedikt an diesen Dom und an unser Priesterseminar. Auch das Brustkreuz, das er mir zu meiner Bischofsweihe geschenkt hat, trage ich heute in Dankbarkeit und Wertschätzung. Kein anderer Papst war durch seine familiären Wurzeln und durch seine Ferienaufenthalte so sehr mit Brixen, unserer Diözese Bozen - Brixen und mit Südtirol verbunden wie Benedikt XVI.

Es war wie eine Art Liebeserklärung an Brixen und an unser Seminar, als er sich nach seinem Sommerurlaub am 11. August 2008 vom Bibliotheksfenster des Priesterseminars aus mit den Worten verabschiedete: „Alle schönen Dinge haben ein Ende und so leider auch mein Urlaub in Brixen. Aber ich kann euch sagen: Es war wunderschön! Und wenn auch äußerlich diese Tage enden, es bleibt ein Schatz an Erinnerungen, die ich mit mir nehme und durch die ich immer bei euch sein kann. Und vor allen Dingen will ich über die Brücke des Gebetes bei euch sein.“

Die schönste Form der Beziehung und der Dankbarkeit ist für uns Christen die Feier der Eucharistie. Der menschgewordene, gekreuzigte und auferstandene Herr lasse ihn jetzt endgültig und für immer erleben, was seine Krippe und sein Kreuz uns verheißen: Erlösung und Leben in Fülle. Vergelt`s Gott für alles, verehrter, lieber Papa emeritus!

Maria, morgen, acht Tage nach dem Weihnachtsfest und am ersten Tag des Neuen Jahres, feiern wir dich als die Mutter Gottes, die uns denjenigen geboren hat, nach dem wir unsere Jahre zählen. Zeige uns auch im Neuen Jahr 2023 deinen Sohn und erinnere uns jeden Tag neu an sein Versprechen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Fidiamoci alla soglia del nuovo anno 2023 della promessa del Risorto: „Io sono con voi tutti i giorni fino alla fine del mondo“ (Mt 28,20).