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Predigten

Abtsbenediktion von P. Philipp Kuschmann OSB

Bischof Ivo Muser

Samstag, 9. Dezember 2023

Kloster Marienberg

Liebe Klostergemeinschaft von Marienberg, lieber emeritierter Abt Markus, liebe Äbte und liebe Mitbrüder, geehrte Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens, liebe Ordensleute, liebe Angehörige und liebe Freunde von P. Philipp, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, lieber Abt Philipp!

Schon mehrmals habe ich die Regel des heiligen Benedikt gelesen. Das ist auch gut möglich. Sie ist nicht lang; sie besteht aus einem Prolog und 73 Kapiteln. Was mich bei dieser Regel besonders anspricht ist der Realismus und der praktische Sinn ihres Verfassers. Benedikt ist davon überzeugt, dass für den suchenden Menschen ein klar abgesteckter Lebensrahmen hilfreich ist, um den eigenen Glauben und sich selber kennen und entfalten zu können. Benedikt ist kein Freund von Events und außergewöhnlichen Ereignissen. Er ist nüchtern. Er strebt nicht nach dem Spektakulären und dem Außerordentlichen. Er glaubt an die Kraft und Orientierung des Alltäglichen. Es geht ihm darum, den Alltag im Kloster zu regeln, die Gebete, die hierarchischen und demokratischen Grundsätze, die Dienste und Zuständigkeiten, die es braucht, die Aufnahme von neuen Mitbrüdern und von Gästen. Er schreibt erstaunlich realistisch über menschliche Verfehlungen und menschliche Größe, über den Dienst an Gott und die Wichtigkeit von Demut. Es geht ihm um eine ausgewogene und sinnvolle Balance zwischen Alltag und Gottessuche, zwischen Gebet und Arbeit.

Papst Gregor der Große, der am meisten über Benedikt erzählt, sagt: Er habe eine Regel für Mönche verfasst „ausgezeichnet durch maßvolle Unterscheidung und wegweisend durch ihr klares Wort“. Und dann fügt er hinzu: „Wer sein Wesen und sein Leben genauer kennenlernen will, kann in den Weisungen dieser Regel alles finden.“ (Dialoge 2,36).

Lieber Abt Philipp, ich werde dir heute mehrere Insignien, äußere Zeichen, für deinen Dienst überreichen: den Ring, die Mitra und den Abtsstab. Aber das erste Zeichen, das  du bekommst, ist die Regel eures Ordensvaters Benedikt. Unter dieser Regel sollst du der 51. Abt dieses Klosters sein und dich so einreihen in eine lange, geistliche Tradition. Du bist nicht der erste, nicht der einzige und wir hoffen, dass du nicht der letzte bist.

Das zweite Kapitel dieser Regel spricht über den Abt. Und was Benedikt dort schreibt, ist wirklich nicht Ohne. Wer das liest, versteht, wie sehr ein Abt das Gebet, das Vertrauen und die Unterstützung seiner Mitbrüder braucht. Um für dich zu beten und dich zu segnen, sind wir heute alle da. Du brauchst dieses Gebet und diesen Segen – nicht nur heute.

Dieses zweite Kapitel der Benediktsregel endet mit der Mahnung: Der Abt „muss wissen, welch schwierige und mühevolle Aufgabe er auf sich nimmt: Menschen zu führen und der Eigenart vieler zu dienen. Muss er doch dem einen mit gewinnenden, dem anderen mit tadelnden, dem dritten mit überzeugenden Worten begegnen. Nach der Eigenart und Fassungskraft jedes einzelnen soll er sich auf alle einstellen und auf sie eingehen.“

Lieber Abt Philipp, ich bete heute vor allem um eine glückliche Hand für dich, um die nötige Entschiedenheit und um die nötige Demut, damit du dich auf deine Mitbrüder einstellen und auf sie eingehen kannst und damit du so zum Vater wirst, zum Abt. Wie dieses „Vater – Sein“ zu leben ist, sagt uns Jesus heute im Evangelium: „Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“ (Mt 23,9).

Erlaubt mir in diesem Zusammenhang diese Überlegung. Immer wieder wird heute gesagt: Wir leben in einer zunehmend „vaterlosen Gesellschaft“, in der Männer in den Familien oft ausfallen und nicht mehr präsent sind, in der sich Männer zurückziehen, sich schwer tun, Verantwortung zu übernehmen und zu tragen und wo es Männer gibt, die Autorität mit Autoritarismus verwechseln. Die vielen Frauenmorde weltweit müssen uns alle aufschrecken und zu einem gemeinsamen und entschiedenen Nein führen zu einem falschen Bild vom Mann, vom Partner, vom Vater.

Die Segnung eines neuen Abtes, also eines stellvertretenden Vaters für seine Gemeinschaft, kann uns allen sagen: Wir brauchen die Autorität Gottes, der der Vater Jesu ist. Er ist der einzige Vater, der in der ganzen Bedeutung dieser Beziehung so genannt werden darf. Nur ihn dürfen wir mit dem Hauptgebet unseres Glaubens ansprechen und anrufen als „Vater unser“. Wir brauchen aber auch gesunde menschliche Autorität auf allen Ebenen des familiären, kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens. Ganz wörtlich heißt „auctoritas, Autorität“: das Ausüben einer Verantwortung, einer Stellung und einer Macht, die andere fördert. Das ist anspruchsvoll für jede Form von Autorität, aber wichtig und notwendig. Wie viele Menschen haben Autoritätsprobleme, leiden darunter und machen es anderen nicht einfach! Der heilige Benedikt ist davon überzeugt, dass es Autorität braucht und dass es bei einer guten Ausübung von Autorität um nichts Geringeres geht als um eine Führung hin zum Heil. Benedikt lässt auch keinen Zweifel daran, dass der Abt einmal gefragt wird, wie er seine ihm anvertraute Autorität ausgeübt hat.

Noch zwei andere wichtige Anliegen lege ich dir, lieber Abt Philipp, deiner Gemeinschaft hier in Marienberg und uns allen heute ans Herz: Benedikt will mit seiner Regel eine geistliche Gemeinschaft formen unter dem Wort Gottes und aus der Kraft dieses empfangenen Wortes heraus. Das Wort Gottes lesen, ergründen, in dieses Wort eindringen, aus diesem Wort heraus beten, dieses Wort durchbeten, sich von diesem Wort ansprechen und beanspruchen lassen, dieses Wort empfangen und diesem Wort gehorchen. Wie wichtig ist es, dem Wort Gottes unter uns Raum zu geben und dieses Wort nicht so auszulegen, dass es uns und unserer Zeit nach dem Mund redet!

Und als zweites: „Operi Dei nihil praefertur“ – dem Lobe Gottes, dem Gottesdienst sei nichts vorzuziehen. Diesem Wort der Benediktsregel muss sich Marienberg auch weiterhin verpflichtet wissen. Das ist seit mehr als 900 Jahren eure Berufung, euer stellvertretendes Sein – vor Gott und für die Menschen. Wir brauchen heute mehr denn je Menschen, die das „quaerere Deum“, das Gott-Suchen zu ihrem Lebensinhalt machen. Wir brauchen solche geistliche Orte, auch als Kontrapunkte in einer lauten, schnelllebigen Zeit. Nicht wenige Menschen meinen, dass dieses irdische Leben schon alles und das Letzte sei. Benediktiner, mehr noch: die Botschaft Jesu, der ganze christliche Glauben, stehen für etwas anderes. Diese Welt ist nicht das einzige und das letzte! Ohne das „ora“, das Beten, die Suche nach Gott, wird das „labora“, das Arbeiten, für uns alle zu einem Aktivismus, der uns nicht fördert, sondern aufreibt und sogar krank macht. Wie wichtig wäre diese Perspektive in unserer heutigen Gesellschaft, die sich in vielen Bereichen vom Haben, vom Leisten, vom Besitzen, vom immer Mehr - Haben her definiert!

Einen besonderen Dank sage ich heute dem emeritierten Abt dieses Klosters, P. Markus. Ich wünsche dir von Herzen, dass du dankbar, zufrieden und versöhnt auf die vergangenen zwölf Jahre zurückschauen kannst. Genau gestern, am großen Marienfesttag, waren es zwölf Jahre, dass ich dir hier die Abtsbenediktion gespendet habe. Der Herr vergelte dir alles Gute, das du getan hast. Er schenke dir Freude an dem, was dir gelungen ist, und seinen Segen für die Zeit, die jetzt vor dir liegt.

„Crux sacra sit mihi lux – Das heilige Kreuz sei mir Licht“: Dieses Leitwort, lieber P. Philipp, hast du für deinen Auftrag als Abt gewählt. Bei deiner Priesterweihe am 14. September 2013, also am Kreuzerhöhungsfest vor zehn Jahren, habe ich hier in eurer Klosterkirche zu dir und P. Urs Maria gesagt: „Bedenke, was du tust; ahme nach, was du vollziehst und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“ Gehe deinen Weg weiter als Priester und Abt, halte dich am Kreuz des Herrn fest und vertraue auf das Licht des Auferstandenen, das im Kreuz aufleuchtet.

Und Maria, die wir gestern an ihrem großen Festtag als den ersterlösten und den vollerlösten Menschen gefeiert haben, bitten wir: Begleite dieses Kloster, das deinen Namen trägt, und erbitte diesem Ort unter der Regel des heiligen Benedikt eine gute Zukunft.