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Aufnehmen | Schützen | Fördern | Integrieren

Die Migranten und Flüchtlinge aufnehmen,beschützen, fördern und integrieren

Liebe Brüder und Schwestern!

»Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott« (Lev 19,34).

Während der ersten Jahre meines Pontifikats habe ich wiederholt meiner besonderen Sorge um die traurige Situation so vieler Migranten und Flüchtlinge Ausdruck verliehen, die von Kriegen, Verfolgungen, Naturkatastrophen und der Armut fliehen. Es handelt sich ohne Zweifel um ein „Zeichen der Zeit“, das ich zu entziffern versucht habe, wofür ich seit meinem Besuch in Lampedusa am 8. Juli 2013 das Licht des Heiligen Geistes erfleht habe. Bei der Errichtung des neuen Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen wollte ich, dass eine besondere Abteilung, die zeitweise meiner unmittelbaren Leitung unterstellt sein sollte, die Fürsorge der Kirche für die Migranten, die Evakuierten, die Flüchtlinge und die Opfer des Menschenhandels zum Ausdruck bringe.

Wenn wir das gegenwärtige Szenario betrachten, so bedeutet aufnehmen vor allem, den Migranten und Flüchtlingen breitere Möglichkeiten für eine sichere und legale Einreise in die Zielländer anzubieten. In diesem Sinn ist ein konkretes Bemühen wünschenswert, damit die Gewährung von Visa zu humanitären Zwecken und zur Wiedervereinigung von Familien vermehrt und vereinfacht wird.(…)

Das zweite Verb, beschützen, artikuliert sich in einer ganzen Reihe von Maßnahmen zur Verteidigung der Rechte und der Würde der Migranten und der Flüchtlinge unabhängig von ihrem Migrantenstatus. Dieser Schutz beginnt in der Heimat und besteht im Angebot von sicheren und bescheinigten Informationen vor der Abreise und in der Bewahrung vor Praktiken illegaler Anwerbung. (…)

Fördernheißt im Wesentlichen sich dafür einzusetzen, dass alle Migranten und Flüchtlinge wie auch die sie aufnehmenden Gemeinschaften in die Lage versetzt werden, sich als Personen in allen Dimensionen, die das Menschsein ausmacht, wie es der Schöpfer gewollt hat, zu verwirklichen. Unter diesen Dimensionen muss der religiösen Dimension der richtige Stellenwert zuerkannt werden, wobei allen sich im Staatsgebiet aufhaltenden Ausländern, die Bekenntnis- und Religionsfreiheit gewährleistet wird.

Das letzte Verb, integrieren, liegt auf der Ebene der Möglichkeit interkultureller Bereicherung, die sich durch die Anwesenheit von Migranten und Flüchtlingen ergibt. Die Integration ist nicht eine Angleichung, „die dazu beiträgt, die eigene kulturelle Identität zu unterdrücken oder zu vergessen. Der Kontakt mit dem andern führt vielmehr dazu, sein »Geheimnis« zu entdecken, sich ihm zu öffnen, um seine wertvollen Seiten anzunehmen und so eine bessere gegenseitige Kenntnis zu erlangen.(…)

 

In der Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge (2020) ergänzt Papst Franziskus die 4 Verben durch weitere „6 Verbenpaare“ und drängt damit auf konkretere Maßnahmen auf sozialer und religiöser Ebene, wobei er auf die Erfahrung der Pandemie hinweist.
 

Die Vertriebenen bieten uns die Gelegenheit zur Begegnung mit dem Herrn, »auch wenn unsere Augen Mühe haben, ihn zu erkennen: mit zerrissenen Kleidern, schmutzigen Füßen, entstelltem Gesicht, verwundetem Leib, nicht in der Lage, unsere Sprache zu sprechen« (Homilie 15. Februar 2019). Wir sind gerufen, auf diese pastorale Herausforderung mit den vier Verben zu antworten, die ich in der Botschaft zu eben diesem Welttag im Jahr 2018 aufgezeigt habe: aufnehmen, schützen, fördern und integrieren. Diese möchte ich nun um sechs Paare von Verben ergänzen, die sehr konkreten Handlungen entsprechen, die in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung zueinander stehen.

Man muss etwas kennen, um es zu verstehen. Wissen ist ein notwendiger Schritt zum Verständnis des anderen. (…)

Es ist notwendig, dass man jemandem zum Nächsten wird, um ihm dienen zu können. Das scheint offensichtlich, oft jedoch ist das nicht gleich klar. Ängste und Vorurteile – viele Vorurteile – führen dazu, dass wir uns von anderen distanzieren, und hindern uns oft daran, ihnen „zu Nächsten zu werden“ und ihnen mit Liebe zu dienen.

Um sich versöhnenzu können, muss manzuhören. Das sehen wir an Gott selbst, der das Seufzen der Menschheit mit menschlichen Ohren hören wollte, und dazu seinen Sohn in die Welt sandte (…)

Um zu wachsen, ist es notwendig zu teilen. Gott wollte nicht, dass die Ressourcen unseres Planeten nur einigen wenigen zugutekommen. Nein, das war nicht der Wille des Herrn! Wir müssen lernen zu teilen, um gemeinsam zu wachsen. Dabei dürfen wir niemand außen vor lassen. Die Pandemie hat uns daran erinnert, dass wir alle im selben Boot sitzen.

Man muss jemanden miteinbeziehen, um ihn zu fördern. (…) Manchmal übersehen wir in übereifriger Hilfsbereitschaft die reichen Ressourcen unserer Mitmenschen. Wenn wir die Menschen, denen wir unsere Hilfe anbieten, wirklich fördern wollen, müssen wir sie miteinbeziehen und sie zu Protagonisten ihrer Erlösung machen. (…)

Um etwas aufzubauen ist es notwendig zusammenzuarbeiten. (…)Der Aufbau des Reiches Gottes ist eine Aufgabe, die allen Christen gemeinsam ist, und aus diesem Grund ist es notwendig, dass wir lernen zusammenzuarbeiten, ohne dass wir uns von Eifersucht, Zwietracht und Spaltung davon abbringen lassen.