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Luis Gurndin: "Ständige" Diakone

Von Luis Gurndin, Diözesanreferent für die Ständigen Diakone

Der Begriff „Ständige“ Diakone macht sofort deutlich, dass es auch „nicht ständige“ Diakone gegeben hat und gibt. Das hat mit der Geschichte dieses kirchlichen Dienstamtes zu tun, das Irenäus von Lyon (2. Jh.) mit der Erzählung über die Einsetzung des Siebener-Kreises (der Verfasser der Apostelgeschichte meidet den Begriff „Diakon“) in Beziehung setzt. Der Verfasser der Apostelgeschichte schildert eine Auseinandersetzung zwischen  den griechisch sprechenden und den aramäisch(hebräisch) sprechenden Judenchristen. Da er offensichtlich den Zwölferkreis für die materielle und spirituelle Gesamtversorgung der Anhängerinnen und Anhänger Jesu zuständig sah, dieser aber den Bedürfnissen beider ethnisch verschiedenen Gruppen nicht nachkommen konnte, bestellten die Zwölf in einer Versammlung der Gemeinde aus der Mitte der Gemeinde sieben Männer „von gutem Ruf...“ für den Tischdienst und „legten ihnen unter Gebet die Hände auf“ (Apg 6,1-6). Doch dürfte es sich eher um das Gremium handeln, das für die Leitung der griechisch sprechenden Judenchristen bestellt wurde.

Es ist nämlich zu beachten, dass alle Aufgaben in der Gemeinde von der Verkündigung des Wortes bis zur materiellen Versorgung der Gemeindemitglieder als diakonia (=„Dienst“) verstanden wurden. So deutete Paulus schon vor der Zeit des Verfassers der Apostelgeschichte die Vielfalt der kirchlichen Dienste mit dem Bild der vielen Gliederin einem Leib als Gnadengaben, die der Geist verschiedenen Menschen zu unterschiedlichen Diensten zuteilwerden lässt. Da erscheint der Titel „Diakon“(Helfer) in Phil 1,1 in Zuordnung zu den „Episkopen“(Aufseher); beide Bezeichnungen gelten für Personen, die eine besondere Verantwortung haben. In Röm 16,1 wird Phöbe als Diakonin eingeführt, womit eventuell sogar die Aufgabe der Gemeindeleitung von Kenchreä angesprochen ist. Paulus selber versteht sich als „diakonos“ Gottes oder Christi für die Gemeinde in Korinth.

Aus den vielen Diensten haben sich im Laufe des 2. Jahrhunderts drei herausgebildet, die zusammen das Weihesakrament bilden, aber in drei Stufen gespendet werden: Episkopat (Bischofsweihe), Presbyterat (Priesterweihe) und Diakonat (Diakonenweihe). Die ersten beiden Begriffe sind leicht als von der griechischen Welt übernommene Titel erkennbar und kennzeichnen Leitungsaufgaben, die Paulus auch den Diakonen zuschreibt. „Der Diakon wird immer wieder stark an der Seite des Bischofs angesiedelt. Über seine konkreten Tätigkeiten wissen wir wenig. Es dürfte sich aber tendenziell um Aufgaben im Bereich der Karitas, wie der Verwaltung der ‚Armenkasse‘, gehandelt haben“ (Bernd Lunglmayr, Der Diakonat. Kirchliches Amt zweiter Klasse? Innsbruck 2002, 64). Auf jeden Fall finden sich im Dienst des Diakons immer Aufgabenzuweisungen in allen drei wesentlichen Lebensvollzügen der Kirche: Verkündigung, Liturgie und Diakonie.  Eine syrische Kirchenordnung aus dem 5. Jahrhundert sieht im Diakon ein „Symbol der ganzen Kirche“, der „in allen Grundfunktionen des gemeindlichen Lebens tätig“ ist, speziell aber in der „Sorge um die Armen“ im „Aufzeigen von Not“, im „Einsatz für Fremde und ‚Flüchtlinge‘“ und in der leiblichen „Versorgung von Kranken und Armen“ (ebd. 67). In der römischen Gemeinde des 4. Jahrhunderts kamen „die Diakone zu einzigartigem Einfluss“. „Es gab...nur sieben Diakone in der Stadt. Jeder von ihnen war Leiter einer kirchlichen Region“ (ebd.70), und (die) die Bischöfe wurden aus ihrem Kreis gewählt. Das führte zu Konflikten mit den Presbytern und schließlich dazu, dass der Diakonat dem Presbyterat untergeordnet und zu einer „Durchgangsweihestufe“ (ebd.) wurde und der Ständige Diakonat in den folgenden Jahrhunderten allmählich verschwand.

Das blieb so bis zu vereinzelten Anregungen zur Wiedereinführung des Ständigen Diakonats kurz vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die dazu führten, dass die Wiedereinführung zwar als „dringender“ Wunsch (UR 17) ausgesprochen, die Entscheidung aber den Bischofskonferenzen überlassen wurde, wo sie „es für gut halten“ (AG 16). Die Parallele zum Grund der Einführung des Diakonats durch die Apostel ist nicht zu übersehen („weil diese... lebensnotwendigen Ämter... in zahlreichen Gebieten nur schwer ausgeübt werden können, kann in Zukunft der Diakonat als eigene und beständige hierarchische Stufe wiederhergestellt werden“ – LG 29), allerdings wurde er noch nicht überall als so „dringend“ empfunden.

Den entscheidenden Schritt zu einer breiten Wiedereinführung setzte Papst Paul VI. am 18. Juni 1967 mit der Verfügung zur "Erneuerung des Diakonats in der lateinischen Kirche". Schon ein Jahr nach dem „Motu proprio“ wurden die ersten Diakone geweiht (am 28. April 1968 in Köln). In unserer Diözese empfand man den Wunsch nach Ständigen Diakonen noch längere Zeit als nicht so „dingend“, und erst zu Beginn der Neunzigerjahre wurde das Thema ernsthaft angegangen und ein eigenes Curriculum für die Ausbildung erstellt. Persönliche Voraussetzungen für die Zulassung sind: engagiertes Leben im Glauben, aktive Mitarbeit in der Pfarrgemeinde, Mindestalter für Verheiratete 35 Jahre; für Ehelose 25 Jahre, Verantwortungsbewusstsein, Team- und Kontaktfähigkeit, psychische Belastbarkeit, Zustimmung der Ehefrau bei Verheirateten, Bereitschaft zum Gehorsam und zur Ehelosigkeit bei Unverheirateten (vgl. https://www.bz-bx.net/de/berufung/geistliche-berufe/staendiger-diakon.html).

Am 09. März 1997 wurde fünf Männern die Weihe zum Ständigen Diakonat erteilt (drei von ihnen sind schon verstorben). Zurzeit sind 30 Ständige Diakone im Dienst unserer Diözese, drei davon kommen aus anderen Diözesen.

Zur Identität des Ständigen Diakons gehört: Er bezeugt Jesus Christus durch seinen Dienst am Menschen. Er zählt durch die Weihe zu den Amtsträgern, ist ermächtigt zur Taufspendung, zur Verkündigung in der Liturgie zur Leitung von Begräbnisfeiern und zu Segnungen und bewältigt durch seinen Zivilberuf einen normalen Berufsalltag. Durch die Weihe ist er beauftragt, das eigene Leben nach dem Vorbild Jesu zu gestalten, den Bischof und die Priester zu unterstützen, den Armen beizustehen und den Notleidenden zu helfen, den Glauben gemäß dem Evangelium und der Überlieferung der Kirche weiter zu geben, mit und für das Volk Gottes und die ganze Welt zu beten (vgl.https://www.bz-bx.net/de/berufung/geistliche-berufe/staendiger-diakon.html). Die Arbeitsfelder entsprechen den Grunddimensionen der Kirche:

Soziale und karitative Bereiche(Mitarbeit bei der Caritas oder der Vinzenzkonferenz, Krankenbesuche)

Liturgie (Taufen, Beerdigungen halten, Eheschließungen assistieren, Wort-Gottes-Feiern leiten).

Verkündigung des Wortes Gottes (Predigt, leiten von Bibelrunden,). Vgl. ebd.

Theologisch gesehen ist das „Verhältnis von Episkopat, Presbyterat und Diakonat durch das Konzil nur ansatzweise geklärt. Der Diakon wird zwar dem Bischof zugeordnet, steht aber dennoch ‚eine Stufe tiefer‘ als der Presbyter“ (B. Lunglmayr 22). Ob das theologisch stimmig ist, ist umstritten. Natürlich braucht es eine Zuständigkeitsteilung, die Frage ist aber, ob damit auch eine theologische Wertigkeit verbunden ist. Im Weiheritus aller drei Dienste findet sich die Frage nach der Bereitschaft zur Sorge um die Armen – die Notleidenden allgemein, und der Papst trägt als einen seiner Ehrentitel: „Servus servorum Dei“ („Diener der Diener Gottes“). Das heißt: In dem Mit- und Ineinander der Dienste braucht es menschliche und spirituelle Reife und gegenseitiges Wohlwollen, um einen fruchtbaren Mittelweg zu finden und zu gehen – im Blick auf Jesus, der als Letzter der Erste vor Gott ist und zur Nachahmung seines Beispiels einlädt. Konkret ist auf die Gefahren zu achten, die Papst Franziskus nicht müde wird in Erinnerung zu rufen: Missbrauch von Macht, Klerikalismus, Rivalität, gegenseitiger Neid auf der einen und Überempfindlichkeit auf der anderen Seite. Im konkreten Alltag mit den konkreten Menschen in konkreten Positionen sind die konkreten Bedürfnisse einer Pfarrgemeinde, die bereits in Kirche und Gesellschaft diakonisch tätigen Berufsgruppen, Verbände, Vereine und Gruppen (KVW, Caritas, KFS, Weißes und Rotes Kreuz usw.) mitzudenken, die konkreten Charismen und Grenzen der Presbyter und der Diakone zu berücksichtigen und in regelmäßigen Abständen Gespräche über die anstehenden Aufgaben zu führen. Bernd Lunglmayr ist freilich auch rechtzugeben, wenn er sagt: „Die vielen offenen Bereiche in der Diakonatstheologie eröffnen auch einen großen Spielraum zur Gestaltung des Amts“ (B. Lunglmayr 22), und das breite Feld der Praxis wird immer neu die Überprüfung des konkret Möglichen brauchen. Für verheiratete Diakone muss klar sein, dass ihre Nächstenliebe in erster Linie ihrer Ehefrau und ihrer Familie zu gelten hat. Dies sollte in der pfarrlichen und diözesanen Öffentlichkeit stärker berücksichtigt werden.

 

Zu zwei häufig kritisch gestellten kritischen Fragen:

1. Wozu die Weihe von Ständigen Diakonen, wenn sie

eh nur das tun dürfen, was viele ehrenamtliche Laien im Leben der Pfarrgemeinde auch tun?

Das stimmt gewiss zu einem guten Teil, aber ein wesentlicher Gesichtspunkt wird dabei übersehen: Wer sich zu ehrenamtlichem Dienst bereit erklärt, kann seine Bereitschaft jederzeit wieder zurückziehen. Der Ständige Diakon verpflichtet sich zu seinem Dienst auf Dauer. Die Weihe kann nicht rückgängig gemacht werden.

2. Warum werden Männer, die auch zum priesterlichen

Dienst geeignet wären, angesichts des Priestermangels nicht „frisch“ zu Priestern geweiht? Das hat mehrere Gründe: Einmal will nicht jeder, der sich zum Dienst als Ständiger Diakon bereit ist, auch Priester werden. Dann gilt bis auf Weiteres für die Zulassung zum priesterlichen Dienst die Verpflichtung zur Ehelosigkeit (Zölibat). Und schließlich hat es auch einen guten Sinn, wenn Menschen die kirchliche Grunddimension der Diakonie mit ihrer Person und ihrem Leben sichtbar machen.

 

Ein abschließender Vorschlag für die Zukunft: Um die Wichtigkeit des Ständigen Diakonats zu unterstreichen, sollten die beiden Formen nicht im selben Vorgang gespendet und der „Durchgangsdiakonat“ für Priesteramtskandidaten in größerer äußerer Einfachheit gefeiert werden. Die in den vergangenen Jahrzehnten üblich gewordene Praxis, die Vorstufe zur Priesterweihe in der gleichen Feierlichkeit zu begehen, lässt einerseits kaum den Unterschied zwischen Diakonates- und Priesterweihe erkennen und lässt anderseits den „Ständigen Diakonat“ als zweitrangig erscheinen.