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Botschaften & Stellungnahmen

Mit dem Engel des Herrn durch den Advent und durch das ganze Jahr

Bischof Ivo Muser

1. Adventsonntag, 29. November 2020

 

 

"Der Engel des Herrn"

Der Engel des Herrn
brachte Maria die Botschaft.

- Und sie empfing vom Heiligen Geist.
Gegrüßet seist du, Maria …

Maria sprach: 
Siehe, ich bin die Magd des Herrn.
- Mir geschehe nach deinem Wort.

Gegrüßet seist du, Maria …

Und das Wort ist Fleisch geworden.
- Und hat unter uns gewohnt.

Gegrüßet seist du, Maria …

Bitte für uns, heilige Gottesmutter.
Dass wir würdig werden
der Verheißungen Christi.

Lasset uns beten. Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes, erkannt. Führe uns durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung. Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn. Amen.

 

Liebe Schwestern und Brüder in unserer Diözese Bozen–Brixen!

„Auf dein Wort hin: innehalten“

Der „Engel des Herrn“ gehört zu den schönsten und bekanntesten Gebeten. Wir können ihn verstehen und beten wie eine Zusammenfassung des christlichen Glaubens. Seit dem 13. Jahrhundert gibt es das „Angelus–Läuten“. Am Morgen, zu Mittag und am Abend eines jeden Tages laden uns die Kirchenglocken ein, innezuhalten und mit Maria das Geheimnis der Menschwerdung Gottes zu betrachten. Seit dem 15. August 1954, dem Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, betet der Papst jeden Sonn- und Feiertag öffentlich den „Engel des Herrn“.

 

Warum beten wir den "Engel des Herrn"?

Beten heißt innehalten: Wir unterbrechen das, was wir gerade tun. Wir richten uns auf Gott aus. Wir machen uns bewusst: ER ist da. Alles beginnt mit dieser Haltung.

Beten heißt hören: „Noch bevor sie in ihrem Leib empfangen hat, empfing sie in ihrem Ohr“, sagt der heilige Augustinus über Maria. Aufmerksam hinhören. Gott und sein Wort heraushören aus allen anderen Stimmen eines jeden Tages. Mit Maria den Weg der Menschwerdung Gottes gehen.

Beten heißt Antwort geben: Maria hat ihr Ja als Antwort gegeben - nicht wissend, was auf sie zukommt, aber vertrauend – bis unter das Kreuz ihres Sohnes. Sie bleibt bei ihrem gegebenen Ja.

Beten heißt vertrauen: Gott weiß um uns.Kein blindes Schicksal waltet über unser Leben, unsere Zukunft liegt nicht in den Sternen. Wir sind Teil der Heilsgeschichte Gottes. Durch Jesus Christus, den Sohn Gottes und den Sohn Marias, hat Gott sich für immer auf unsere Seite gestellt. Er geht den Weg mit und voraus: über das Kreuz zur Auferstehung.

Beten heißt, den Auftrag Gottes annehmen: Wie zu Maria sagt Gott auch zu mir: Ich brauche dich! Das Wunder der Menschwerdung Gottes ereignet sich dort, wo das Ja Gottes und das Ja des Menschen aufeinandertreffen. In aller Freiheit lässt er uns entscheiden, welche Antwort wir auf seine Frage geben, ob wir seinen Auftrag annehmen.

 

Mit dem „Engel des Herrn“ durch den Advent und durch das ganze Jahr

Ich lade alle ein, mit dem „Engel des Herrn“ das Innehalten einzuüben: vom ersten Adventsonntag bis zum Heiligen Abend. Vielleicht entwickelt sich daraus eine gute, tägliche Gewohnheit, die uns durch das ganze Jahr begleitet. Gerade diese „Corona–Zeit“ mit ihren vielen Unsicherheiten, Meinungen, Stimmen, Forderungen und Ängsten lädt uns ein zum bewussten Innehalten im Gebet. Den „Engel des Herrn“ kann man überall beten: beim Kochen, im Bus, beim Autofahren, bei einem Spaziergang, in einem Warteraum, als Tischgebet, bei einer Sitzung …, allein oder zusammen mit anderen, laut oder auch still. Es geht um eine Spiritualität des Alltags!

Ich bitte darum, den „Engel des Herrn“ auch mit den Kindern zu beten, sie an dieses Gebet heranzuführen. Diese Bitte richte ich besonders an die Eltern und Großeltern!

Ich danke allen, die mit dem „Engel des Herrn“ ein Gebetsnetz knüpfen, das uns in der Ortskirche und weltweit verbindet: persönlich, in Familien, Hausgemeinschaften, Ordensgemeinschaften, Seniorenheimen und überall dort, wo gläubige Menschen miteinander leben.

Der „Engel des Herrn“ soll auch ein hoffnungsvolles Gebet sein, das uns durch die Corona-Pandemie führt und begleitet. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14) – mit allen Konsequenzen, von der Krippe bis zum Kreuz. Jesus Christus kennt menschliches Leben aus eigener Erfahrung. Er teilt dieses Leben mit uns, bis in den Abgrund seines Leidens. Er ist der „Gott mit uns und für uns“ – jetzt, auch inmitten der schmerzlichen Erfahrung dieser Krankheit, und sogar über die Schwelle unseres Todes hinaus.

Innehalten, hören, Antwort geben, vertrauen und den Auftrag Gottes annehmen – wie Maria, die Gottesmutter. Ich bete mit euch allen und bitte um euer Gebet.

 

Euer Bischof

+ Ivo Muser

 

1. Adventsonntag, 29. November 2020