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Texte und Berichte

Für verschiedene Zeitschriften verfasse ich gelegentlich Kurztexte. Mein Anliegen: Durch möglichst leicht verständliche Texte beitragen, damit Leserinnen und Leser über das eigene Leben und die Natur nachdenken und sich mehr über sich selbst bewusst werden.

Menschliches Leben folgt inneren Gesetzmäßigkeiten und ist eingebettet in Gemeinschaft und in die Großartigkeit der Natur. Alles ist jederzeit durchwaltet von der schöpferischen Kraft Gottes. Dies zu bedenken kann helfen, mit dem eigenen Leben und den Beziehungen besser zurecht zu kommen, sowie Vertrauen in das wechselvolle Leben zu finden.

Josef Torggler

Wir machen uns oft nicht genug bewusst, wie wirkmächtig und bedeutsam unsere Worte sind. Wir brauchen Worte, um unser Leben zu organisieren, unsere Gedanken auszudrücken, die Welt irgendwie zu erklären und Gespräche miteinander zu führen.

            In unseren Gesprächen haben Worte große Bedeutung. Wenn jemand einen anderen mit Worten beleidigt, demütigt, verletzt, klein macht oder lächerlich macht, dann kann das im anderen noch stundenlang, tagelang oder sogar jahrelang negativ nachwirken. Durch Worte können sogar Beziehungen zerstört werden.

            Wenn wir jemandem hingegen ermutigende, aufbauende, lobende Worte sagen, dann bewirkt das Optimismus, Lebensfreude, Mut und lebenswichtiges Selbstwertgefühl. Das hat besonders auch in der Erziehung von Kindern große Bedeutung.

            Ja, Worte sind wirksam und wirkmächtig. Es hängt von  unseren Worten ab, ob es den anderen neben uns gut geht oder nicht. Wir sind mitverantwortlich dafür, wie es anderen neben uns im Leben geht. Dabei ist nicht nur die Wahl der Worte wichtig, sondern besonders auch,  was beim Sprechen im Ton als Botschaft mitschwingt.

            Ausgesprochene Worte kann man nicht mehr zurücknehmen. Ihre Wirkung bleibt, selbst wenn es einem nachher leid tut und man sich zu entschuldigen versucht.

            Der Evangelist Johannes beginnt sein Evangelium mit dem Satz: „Im Anfang war das  Wort...“ und er fährt fort: „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“  „Wort“ bedeutet hier die schöpferische Tat Gottes, durch die alles ermöglicht und in dynamischer Entwicklung erhalten wird. Dabei übersteigt das Wort als schöpferische Tat Gottes alle unsere menschlichen Vorstellungen von Worten und Taten.

            Menschliche Worte und Taten sind immer begrenzt und mehrdeutig. Bei Gott müssen wir versuchen, es anders zu denken. Der Ausdruck „Im Anfang“ meint nicht nur einen irgendwann begonnenen Anfang vor langer Zeit. „Im Anfang“ meint die immer wirkend anwesende Gegenwart  jenes nicht fassbaren göttlichen Grundes, der jederzeit alles ermöglicht und in seiner Entwicklung erhält. Der Anfang in diesem Sinn umfasst  Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das schöpferische „Wort Gottes“ ist in jedem Moment als Wirkkraft  in allem gleichzeitig gegeben. Auch uns selbst müssen wir dabei mitdenken.

            Mit dem wirksamen Wort Gottes ist unbedingtes Wohlwollen und Liebe verbunden. Als Sinnbild dafür gilt das „Licht“. Das Buch der Weisheit formuliert: „Du (Gott) liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas abgelehnt, so hättest du es nicht geschaffen. (Weish 11,14).

            Der Evangelist beklagt, dass Menschen selbstüberheblich ihre Freiheit missbrauchen und sich gegen ihren eigenen Ursprung und Sinn verschließen. Sie fügen anderen oft in Wort und Tat unendlich viel Leidvolles und Böses zu. Ein verhängnisvoller Widerspruch, der dringend der Heilung und Erlösung bedarf.

Josef Torggler

Im Laufe des Kirchenjahres werden immer neu Themen angesprochen, die uns und unser Leben ganz persönlich betreffen. Die Adventszeit macht das „Warten“ zum Thema.

               Jeder kennt das Warten. An Bushaltestellen, vor dem Beginn einer Veranstaltung, an Bahnhöfen und Postämtern, vor einem Arztbesuch, in einem Restaurant und bei unzählig vielen anderen Gelegenheiten muss man warten. In unserer schnelllebigen Zeit wird Warten oft als unangenehm erlebt. Und doch müssen wir oft warten.

               Es gibt ein Theaterstück, das heißt: „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Darin wird während der ganzen Vorstellung nur das Warten dargestellt. Die Schauspieler warten auf jemanden, den sie nicht kennen, der aber kommen soll. Sie können sich von diesem Warten nicht befreien und sind unendlich gelangweilt  und enttäuscht, weil der Erwartete bis zum Schluss nicht kommt. In ihrem erfolglosen Warten können sie keine Freude und keinen Sinn finden.

 

               Auch Advent ist „Zeit des Wartens“ auf das Fest der Geburt Jesu, auf seinen Geburtstag. Dieses Warten aber hat eine ganz andere, tiefsinnige Bedeutung. Einerseits warten wir natürlich auf das äußere Fest von Weihnachten und bereiten dafür viel Schönes vor bis hin zu den weihnachtlichen Feiern und Geschenken. Besonders Kinder können es oft fast nicht erwarten bis es Weihnachten wird.

 

               Das Besondere des Wartens auf das Fest von Weihnachten besteht darin, dass der Erwartete immer schon angekommen ist. Der Erwartete ist schon Gegenwart. Die Geburt Jesu ist zwar ein Ereignis in der Geschichte. Zugleich aber durchwaltet der Gefeierte die Geschichte. Die im Weihnachtsfest ausgedrückte Wahrheit ist die  bedingungslose und bleibende Zuwendung Gottes zu uns Menschen in der Person Jesus Christus. Diese Wahrheit von Weihnachten ist schon während der Wartezeit des  Advents und das ganze Jahr hindurch gegenwärtig. Es geht darum, sich vertrauensvoll und gläubig im alltäglichen Leben mit seiner bewussten Existenz darauf einzulassen.

               Christlicher Glaube weiß darum, dass jeder Mensch und jedes Geschöpf immer schon von Gott dem Schöpfer angenommen, bejaht und sogar geliebt ist, unabhängig von den Umständen, in denen jemand lebt und leben muss. Jedem ist der Sinn für sein Leben jeden Moment geschenkt und mitgegeben.

               Das äußere Fest von Weihnachten  will uns einladen, dies zu bedenken und bewusst zu leben. Was in Jesus Christus in Erscheinung tritt, möge sich in uns selbst immer mehr und neu heilend ereignen. Das Leben mit seinen vielen Wartesituationen bekommt dadurch eine andere wertvolle Qualität.

Besonders von älteren Menschen hört man immer wieder sagen: „Wie die Zeit so schnell vergeht.“ Je älter wir werden, desto schneller scheint uns die Zeit zu vergehen. Auch das Fest Allerheiligen ist schon wieder vorbei. In wenigen Wochen geht das liturgische Kirchenjahr zu Ende und es beginnt wieder die Adventszeit. Schnell wird wieder Weihnachten sein und dann geht auch die Zeit des bürgerlichen Jahres 2023 wieder zu Ende.

 

Zeit können wir nicht anhalten

Alles was in der Zeit begonnen hat, geht in der Zeit auch wieder zu Ende. Jede Stunde, jedes Jahr, jedes Ereignis und jede Erfahrung. Oft sind wir froh, dass etwas zu Ende geht und oft tut es uns leid. Nicht selten sind wir auch traurig darüber. Auf jeden Fall aber müssen wir immer mit der zeitlichen Vergänglichkeit  rechnen. Es geht nicht anders. Dies zu bedenken und anzunehmen bedeutet Weisheit. 

 

Jeder Zeitabschnitt ist einmalig

Was vorbei geht kommt nicht mehr in gleicher Weise wieder. Jede Stunde des Lebens ist einmalig und etwas Besonderes. Es gibt auch den Spruch: So jung wie heute kommen wir nicht mehr zusammen. Alles in der Zeit ist in Veränderung. Es gibt Veränderungen die schnell und plötzlich gehen (z.B. Unfälle oder Naturkatastrophen) und es gibt Veränderungen in der Zeit, die so langsam gehen, sodass wir sie gar nicht wahrnehmen oder den Eindruck haben, es bleibt alles, wie es ist.

 

Zeit ist wertvoll.

Was jeder von uns in der Zeit tut hat Auswirkungen auf die Welt und die Beziehungen zwischen den Menschen. Alles was wir in der Zeit gestalten und erleben prägt auch unser Inneres. Es prägt unser Denken, unser Handeln, unsere Weltsicht, unsere Weltanschauung. Es prägt unsere Persönlichkeit. Ohne die Erfahrungen und Erlebnisse in der Zeit und in der Welt blieben wir unentwickelt, leer und nur offene Möglichkeit, sogenannte „tabula rasa“, leeres unbeschriebenes Blatt. Durch alle unsere Aktivitäten und Erfahrungen in der Zeit reift unsere Persönlichkeit.

 

Zeiten sind Durchgänge

Alle Erfahrungen in der Zeit sind Durchgänge, durch die wir gehen. Wir sind Wanderer durch das zeitliche Leben. Unsere persönliche Identität aber bleibt erhalten über und durch alle zeitlichen Lebensabschnitte und Erfahrungen hindurch.

            Die besondere Individualität jedes Menschen bleibt erhalten vom Kind zum Erwachsener bis hin zum älteren Menschen. Es ist immer derselbe Mensch, der im Leben durch  alles hindurchgeht. Sogar auch die letzte Erfahrung in der Zeit, das Sterben, dürfen wir als einen Durchgang und Übergang verstehen. Es ist der radikalste von allen Übergängen, den wir durchwandern werden.

            Im zeitlichen Leben gibt es nie absolute Vernichtung. Alle Veränderungen in der Zeit sind immer Übergänge in etwas Anderes und Neues. So ist es wohl auch mit dem Übergang des Sterbens. Das tiefere geistige Sein des Menschen, das wir „Seele“ nennen, geht über in einen anderen, zeitlosen Zustand, den wir nicht mit Worten angemessen erklären können.

 

In der Zeit liegt etwas Geheimnisvolles

            Unsere Religion versteht diesen neuen Zustand als ein bewusstes, offenes Sein mit Gott. Es gilt als die Erfüllung und Vollendung dessen, was uns ein Leben lang innerlich nie endgültig hat zur Ruhe kommen lassen: Die Sehnsucht nach dem Wahren, Schönen, Gerechten, Sinnvollen, nach dem Vollkommenen. Es geht um endgültige zeitlose Geborgenheit und Glückseligkeit. Wir nennen es den Himmel, das neue Sein bei Gott.

            Im 3. Kapitel des alttestamentlichen Buches Kohelet werden viele gegensätzliche Erfahrungen aufgezählt, die ein Mensch im Leben machen kann und muss. Dann folgt zusammenfassend der tiefsinnige Satz: „…Gott hat die Ewigkeit in alles hineingelegt, doch ohne dass der Mensch das Tun (das Gott tut) von seinem Anfang bis zu seinem Ende verstehen könnte…“

            Alles was in einem Menschen in der Zeit geschieht ist von einem nicht voll nachvollziehbaren Sinn umfangen und hat bleibende Bedeutung über die endliche und flüchtige Zeit hinaus.

Zurzeit geht in Südtirol die Nachricht um, Alkohol- und Drogenkonsum würden in allen Gesellschaftsschichten zunehmen. Als Grund dafür wird u. a. oft die zunehmende Belastung in unserer Leistungsgesellschaft genannt. Viele geraten gewaltig unter Druck. Bewusst oder unbewusst sagt es im Inneren: Du bist nur so viel wert wie tüchtig und leistungsstark du bist. Dazu kommt, dass zunehmend sehr viel an Maschinen  gearbeitet werden muss. Zu den Maschinen gehören natürlich auch die Computer.

               Schon als die Industriegesellschaft mit den Fließbändern aufgekommen ist, haben Philosophen gesagt: Wer ständig an einer Maschine arbeitet, wird selbst zu einer Maschine.  Damit meinte man: Arbeiten an Automaten und Maschinen lässt den Menschen in seiner Vitalität abstumpfen. Stundenlang sich mit leblosen Maschinen zu beschäftigen lässt Gefühle verkümmern. Austausch zwischen Menschen über Gespräche und persönliche Kontakte werden immer weniger. Gefühle und Einfühlung verarmen. Die geistige Konzentration bezieht sich zunehmend nur mehr auf Fakten, Zahlen, Planungen, Techniken und abstrakte Gedanken. Der unmittelbare gefühlsmäßige Bezug zu Natur und Menschen wird weniger. Das tut dem Menschen nicht gut.

               Schon lange vor Corona wurden Schüler einer Oberschule gefragt, ob sie bevorzugen würde, wenn der Unterricht ausschließlich nur noch über Computer erfolgen würde. Schüler und Lehrer könnten zu Hause bleiben und den ganzen Lernprozess über Computer abwickeln. Es hätte wirtschaftlich viele Vorteile: Keine Schulgebäude mit täglicher Reinigung, im Winter keine Heizkosten, keine Schülertransporte, weniger Verkehrsaufkommen, letztlich auch umweltschonender. Die Antwort der Schüler war sofort: „Nein, da hätten wir ja keine Mitschüler mehr.“

               Diese spontane Antwort zeigt ein echtes Gespür von Jugendlichen, dass menschliche Kontakte und Beziehungen elementar wichtig sind. Die moderne Schule muss natürlich die Jugendlichen mit der Computerpraxis vertraut zu machen und den Computer in den Dienst des Lernens stellen. Zugleich darf dabei aber die Gefahr der inneren Verkümmerung nicht zu übersehen werden.

               Gefühlte innere Leere ergibt eine allgemeine Frustration dem Leben gegenüber.

Durch Rauschmittel wird dann manchmal Entspannung und Vergessen gesucht, oft aber wird dieser Konsum, dann selbst zum Problem, wenn er in Sucht übergeht.

               Schüler mögen immer wieder auf konkrete Kontakte und Beziehungen verwiesen werden. Schule darf nicht ausschließlich auf Leistung achten. Gelegentliche Gruppenarbeiten im Unterricht können hilfreich sein für das Pflegen von Beziehungen.

               Besonders im Religionsunterricht mögen Schüler spüren, dass jede und jeder -  der christlichen Lebensauffassung entsprechend - als Person immer schon wertvoll und geschätzt ist, unabhängig von Leistung und intellektuellem Wissen. Mitmenschliche Kontakte fördern Lebensfreude und Sinnerleben auch für das ganze spätere Leben.

Eine Philosophin fragte: „Was bleibt, wenn jeder Dollar bzw. Euro ausgegeben ist?“ Ihre Antwort: Die Philosophie, die Beschäftigung mit den geistigen Themen des Lebens und eine entsprechende Lebenseinstellung. Sie meint, über das Materielle hinaus, stellen sich elementar wichtige Lebensfragen. Man darf auch antworten, es bleibt die Theologie, die Religion und gläubiges Vertrauen.

            Im Evangelium geht es um „fünf kluge und fünf törichte Jungfrauen“, die auf den Bräutigam warten. Die einen haben klugerweise ausreichend Öl für die Lampen dabei, die törichten nur die brennenden Lampen ohne Reserveöl.  Weil der Bräutigams länger auf sich warten lässt, wie angenommen, wird das Öl knapp und die Törichten möchten von den Klugen etwas Öl bekommen. Dazu aber kommt es nicht. Die Klugen erleben zufrieden die Ankunft des Bräutigams, während die Törichten die Begegnung mit ihm endgültig versäumen.

            Das Warten auf die Begegnung mit dem ersehnten Bräutigam meint wohl das Suchen und Finden von Zuversicht, Freude und persönliche innere  Erfüllung in der Zeit und über die Zeit hinaus. Mit den zehn Jungfrauen im Gleichnis ist nicht nur eine bestimmte Personengruppe gemeint, sondern das Leben jedes Menschen, ob Frau oder Mann, ob verheiratet oder unverheiratet.

            Dabei werden wir ehrlicherweise sagen müssen, in jedem von uns gibt es sowohl „die kluge wie die törichte“ Seite. Wir wissen um die Vergänglichkeit des Lebens, um die vielen schicksalhaften Ereignisse, um die immer neuen Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten. Wir leiden darunter und sind in Gefahr, mutlos, depressiv und hoffnungslos zu werden. Der Bräutigam lässt auf sich warten und das Öl des Vertrauens wird knapp.

            Früher oder später bedrängen uns Zweifel. Dann ist wichtig, genauer und tiefer über alles nachzudenken. Wir werden bescheiden zugeben müssen, dass wir nicht alles verstehen können. Es hat mit Klugheit und Weisheit zu tun, wenn wir über alle Schwierigkeiten hinausschauen und uns umfangen wissen von einem nicht durchschaubaren umfassenden Sinn. Wir haben einen zu kleinen Überblick über das Ganze.

            Es gehört zur Weisheit des Lebens, dass das Gute letztlich im Leben des Einzelnen und in der Entwicklung der Schöpfung Gottes wirksamer und mächtiger ist als alles Zerstörerische und Böse. Nicht der wilde Drache bleibt letztgültig Sieger, sondern das Lamm, wie es bildhaft in der Apokalypse der Bibel heißt. Darin liegt auch der Sinn der Erlösung der Menschen durch Jesus Christus. 

            Im individuellen Leben wie in der Entwicklung der Schöpfung Gottes allgemein geht es über Höhen und Tiefen, aber es gibt niemals absolute Zerstörung. Diese Wahrheit als Weisheit zu sehen und zu leben bedeutet ausreichend Öl ins Leben mit zu nehmen.  Diese Weisheit des Glaubens hält die Tür zum Saal des Bräutigams offen.

            Auch wenn wir äußerlich technisch riesige Fortschritte machen, so bleiben die problematischen menschlichen Grundprobleme immer dieselben. Den Aussagen der Bibel folgend hat die Theologie sieben Haltungen genannt, die hinter allen  individuellen und zwischenmenschlichen Problemen stehen. Sie werden die sieben Haupt- oder Wurzelsünden genannt: Stolz, Habsucht, Rücksichtslosigkeit, Neid, Unmäßigkeit, Zorn und Trägheit.

            Die Bibel bringt uns von Jesus immer wieder Gleichnisse, die problematische Haltungen aufzeigen und davor warnen. Da geht es diesmal im Evangelium z. B. um Pächter eines ertragreichen Weinberges. Die Pächter wollen selbst in den Besitz des Weinberges kommen und werden bei ihren aggressiven und brutalen Vorgangsweisen  sogar zu mehrfachen Mördern.

            Wenn man das Gleichnis aktualisieren will, dann kann man sagen, Südtirol ist ein sehr ertragreicher Weinberg. In wenigen Jahrzehnten ist dieses kleine Land von einem armen Land zu einer der reichsten Zonen Europas geworden. Umsichtige Arbeit und Fleiß der Einwohner, die gute politische Führung, Zusammenhalt auch in politisch schweren Zeiten und glückliche Umstände haben dazu geführt.

            Es ist aber wie beim Turmbau zu Babel. Wenn die Leute zu hoch hinaus wollen, dann werden sie unzufrieden, undankbar, streitsüchtig und destruktiv. Bisweilen beobachten wir das Zunehmen solcher unguten Verhaltensweisen auch in unserem Land. Es zeigt sich und spiegelt sich wider innerhalb von politischen Parteien und in der zunehmenden Vielzahl von Parteien. Es besteht der Eindruck, dass besonders bei neu sich profilierenden Parteien nicht das Gemeinwohl, sondern bewusst und unbewusst einseitige und persönliche Interessen im Vordergrund stehen, auch wenn verbal anderes vorgegeben wird. Der Zersplitterung wird dabei Vorschuss geleistet.  

            Ein lateinisches Sprichwort, das aus der Kriegsführung stammt lautet: „Divide et impera“. Zerteile und spalte eine Gruppe und sie ist in der Folge leicht zu besiegen und zu beherrschen. Wenn die bisher erfolgreiche Gemeinschaft in Südtirol sich spaltet und zerfilzt, dann weiß jeder, wer letztlich die Sieger sein werden. Andere Pächter werden dann im Land zunehmend das Sagen haben.  

            Wie immer die Zukunft des Landes Südtirol sein möge, sie hängt auch mit den weltweiten Entwicklungen zusammen, die zurzeit nicht so rosig aussehen. Im Kleinen wir im Großen zeigen sich im Grunde immer wieder ähnliche Probleme.  Sie hängen mit der begrenzten menschlichen Vernunft und Freiheit zusammen. 

            Wenn nicht ganz andere, von uns letztlich nicht durchschaubare Gesetzmäßigkeiten am Werke wären, die in der Religion „göttliche Vorsehnung“ genannt werden, dann wäre die Menschheit an ihren eigenen Werken wohl schon ausgestorben.

Manchmal wird gesagt, ohne die Menschen wäre die Welt in Ordnung. Tatsächlich kommt das Böse durch Menschen zustande, wenn sie ihre Möglichkeiten egoistisch missbrauchen. Tiere sind von ihrem Instinkt her gesichert. Sie tun nichts, was über die Notwendigkeit für ihr Überleben hinausgeht. Aggressionen stehen bei ihnen immer nur im Dienste des Lebens des Individuums und der Gattung.

            Menschen hingegen sind nur zum Teil vom Instinkt geleitet. Sie haben Verstand und Freiheit. Das macht den Menschen großartig, aber auch sehr gefährlich und gefährdet. Menschen können unersättlich und machtgierig werden. Sie schrecken manchmal in ihrer Wut und in ihrem selbstüberheblichen Machtstreben vor nichts zurück. Nicht vor Morden und nicht vor Kriegen. Sie können unglaublich zerstörerisch und destruktiv werden. Ihren Verstand und ihre Möglichkeiten können sie brutal zum Bösen missbrauchen.

            Für uns Menschen sind vernünftige Überlegungen, Rücksichtnahme, Selbstbeherrschung, Erziehung, aber auch umsichtige  Politik notwendig. Wir brauchen Moral und gerechte Gesetze, sogar auch Androhung und Ausübung von Strafen sind notwendig, um das Böse im Menschen einigermaßen zu zähmen. Wir wissen nicht, wo ungezähmte Bosheit von Menschen noch hinführen kann.

            Von großer Wichtigkeit ist der Sinn von Religion. Gerade das Weihnachtsfest ist nachdrückliche Einladung zur Besinnung auf Mitmenschlichkeit und friedvolles Zusammenleben.

           Zunächst schildert das Evangelium des Sonntags als Empfehlung die Vorgangsweise, wie man mit Menschen umgehen soll, die Unrecht getan haben. Was dabei überrascht, ist die Bemerkung, dass der nach intensiver Bemühung unverbesserlich Gebliebene wie ein „Heide oder Zöllner“ zu betrachten sei, d. h. für die damalige Zeit, wie ein gottloser Betrüger. Die Chance für eine Änderung scheint ihm damit abgesprochen zu werden.

            Als sehr tiefsinnig darf man die Aussage im Evangelium bezeichnen, wenn Jesus sagt: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ Es wäre zu kurz gedacht, wenn man diese Aussage nur auf weltliche und kirchliche Autoritäten beziehen würde. Man muss sie viel umfassender denken.

            In dieser Aussage ist enthalten, dass jede Situation, jede Handlung und jedes Ereigniss im Leben eines einzelnen und in der Geschichte insgesamt einmalig und einzigartig sind und immer Auswirkungen auf das Ganze haben. Keine Handlung und kein Ereignis darf isoliert gesehen werden.

            Jedes  Ereignis und jede Tat hat eine einmalige Vorgeschichte und eine entsprechende Nachwirkung. Alles was wir tun ist einmalig und hat zugleich bleibende Bedeutung, ob wir wollen oder nicht, ob es uns bewusst ist oder nicht. Jede Handlung, ob kleine oder große, hat ihre Wirkkraft auf anderes, weil alles mit allem zusammenhängt. Ein aktuelles Beispiel: Viele unserer Handlungen wirken ein auf die beklagte Klimaerwärmung mit ihren fatalen Auswirkungen.

            Normalerweise sind wir gewohnt, die Dinge und Ereignisse für sich isoliert zu sehen. Damit bleiben wir an der Oberfläche. In Wirklichkeit sind alle unsere Taten eingeordnet in eine große Kette mit einem Vorher und Nachher. Alle Handlungen haben Voraussetzungen und Konsequenzen. Das aber bedeutet, dass alles Tun und Lassen in der Zeit bleibende und überzeitliche Bedeutung hat.

            Überraschend kommt Jesus im Evangelium dann auf das Gebet zu sprechen. Das Verbindende in allem betrifft nicht nur den materiellen, sondern besonders auch den kulturellen und geistigen Bereich des Lebens. Gebet bedeutet, sich gedanklich mit jenem tragenden Grund zu verbinden, durch den alles in dynamischer Weise aufeinander bezogen ist. 

            Im Gebet sind Menschen sich bewusst, dass sie nicht aus sich selbst existieren, sondern durch anderes beschenkt und ermöglicht sind. Betende und besinnlich Nachdenkende vertrauen auf die Verbundenheit mit dem, den wir Gott nennen.  Durch ihn sind die gegenseitigen Einwirkungen der einzelnen Teile und die umgreifende Einheit von allem gegeben. Es bleibt zu bedenken: Vielheit setzt Einheit voraus.

         Ein Sohn trifft den Vater bei der Autowäsche und sagt: „Da bist Du aber intensiv  bei der Arbeit.“  Vater: „Weißt Du, die anderen machen mir das nicht gut genug. Im Auto steckt eine Menge Kapital drin. Dafür muss man sich schon Zeit nehmen.“ Der Sohn: „Bin ich eigentlich kein Kapital?“ Der Vater: „Wieso?“ Der Sohn: „Weil du für mich nie Zeit hast.!“

            Der Philosoph E. Fromm hat in seinen Schriften immer wieder darauf hingewiesen, dass wir zunehmend eine Gesellschaft werden, in der tote Dinge, technische Objekte, Besitztümer und Erfolg mehr geachtet werden wie das Lebendige. Mehr wie Pflanzen und Tiere, oft sogar mehr wie Menschen. Er meint, die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen würde abnehmen zugunsten von technischer Weltbeherrschung, kaltem Wissen und planendem Organisieren.

            Technische Weltbeherrschung und materielle Dinge bringen viele Vorteile und Annehmlichkeiten. Es ist aufzupassen, dass wir dabei aber nicht den einfühlenden Umgang mit dem Lebendigen verlieren. Pflanzen, Tiere und sogar Menschen sind in Gefahr, immer weniger in ihrer großartigen Lebendigkeit und Einmaligkeit gesehen zu werden. Alles wir oft  zunehmend nur unter einem bestimmten Zweck und materiellem Wert gesehen. „Was nichts bringt ist nichts wert.“

            Darüber nachzudenken ist wichtig, damit wir nicht früher oder später selbst nur noch ein Objekt werden. Sich einfühlen, sich Zeit nehmen für andere, besonders auch für Kinder und alte Menschen ist wichtig für uns alle.

          Es ist eine alte Einsicht der Theologie, dass zwischen Zeichen und Bezeichnetem unterschieden werden muss. Das Zeichen ist eines und das Bezeichnete ist etwas anderes. Zeichen dürfen nicht wichtiger genommen werden als das, was bezeichnet wird. Auch ein Symbol oder eine symbolische Aussage ist zu unterscheiden von dem, was mit dem Symbol ausgesagt werden soll.

            Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Wenn man das wahrnehmbare Zeichen wichtiger nimmt als das Bezeichnete, dann verstellt das Zeichen den tieferen Sinn, worauf das Zeichen oder das Symbol hinweisen will.

            Das ist schon in der menschlichen Sprache so. Auch Worte sind Zeichen. Man darf das Wort eines anderen nicht zu viel auf die Waagschale legen. Worte sind immer mehrdeutig.  Man muss jeweils versuchen, die Absicht und den Sinn zu verstehen, die durch Worten ausgedrückt werden. Sogar die exakten Wissenschaften schaffen es nicht, Worte vollkommen eindeutig zu gebrauchen. 

            Zeichen, Worte und Symbole für sich sind zunächst offenkundig und leicht zugänglich. Das jeweils Bezeichnete aber ist viel tiefgründiger und schwerer zu erfassen. Das gilt besonders auch für die Religion.

            Religion braucht Zeichen, Bilder, Symbole, Worte und Riten, um das Gemeinte auszudrücken. Dabei ist die institutionell und soziologisch verfasste Kirche selbst  ein bedeutsames Zeichen. Zeichen, Sprache, Bilder und Symbole ändern sich in der Zeit. Das in der Religion eigentlich Gemeinte aber bleibt bestehen, weil es auf den absolute Grund von allem verweist.

            Im katholischen Verständnis der Eucharistie fallen Zeichen und Bezeichnetes in eins. Das Bezeichnete wird im Zeichen als gegenwärtig gesehen. Hier spricht man von „Realsymbol“.

            So wichtig die Zeichen und Formen in der Religion auch sind, so verfehlen nur „Wortgläubige“ und „Zeichengläubige“, die an den äußeren Formen einseitig festhalten, den eigentlichen Sinn von Religion. Formen dürfen nicht wichtiger genommen werden als das, worauf sie hinweisen. Das „Signum“ ist nicht schon das „Significatum“.

            Es bleibt die nicht einfache Aufgabe des Religionsunterrichtes, einerseits die konkreten aktuellen Formen, Bilder, Texte, Riten sowie die Bibel und die Struktur der Kirche in ihrer wichtigen, aber variablen Bedeutung  zu besprechen und anderseits ihren tieferen bleibenden Aussagegehalt den Schülern bewusst zu machen. Das bleibende „Significatum“ der Religion  hilft im Alltag zur Lebensorientierung wie auch zu Sinn- und Identitätsfindung.

            Es gibt Stellen in unserer hl. Schrift, die wir nicht so ohne weiteres wörtlich nehmen dürfen und daran glauben müssen. Es sind oft bedeutungsvolle Aussagen über das Leben im übertragenen Sinn. Glauben bedeutet nicht einfach etwas physikalisch Unmögliches für wahr zu halten. Glaube bedeutet vielmehr unbedingtes Urvertrauen in das Leben zu haben.

            Ohne ein Minimum an Vertrauen kann niemand leben. In sehr unterschiedlichen Ausdrucksformen, Bildern und Erzählungen weist die Bibel auf dieses elementare, lebensnotwendige Urvertrauen hin, das die Religion auch „Glauben“ nennt. 

            Im aktuellen Evangelium geschieht dies in sehr anschaulicher Weise: Die Jünger sehen im Dunkeln vom Boot aus auf unruhigem See Jesus wie ein Gespenst auf dem Wasser gehend auf sich zu kommen und erschrecken. Nachdem sie ihn erkennen, steigt Petrus auf das Wasser, um Jesus entgegen zu gehen. Das schwankende Wasser macht ihm Angst  und er beginnt zu sinken. Verzweifelt ruft er um Hilfe. Jesus hilft ihm, aber verweist ihn auf seinen schwachen Glauben.

            Die Wasseroberfläche eines Sees mit seiner Tiefe kann ein allgemeines  Sinnbild für das Leben sein. Oft leben wir dahin, ohne an einen tieferen Sinn und an die Bedeutung von allem zu denken. Das darf so sein. Aber von Zeit zu Zeit können Umstände eintreten, die uns zu denken geben und sogar Angst machen. Inmitten der sorglosen Ruhe können unversehens ernste Lebensfragen auftauchen. Fragen und Situationen, auf die wir keine rechte Antwort wissen und denen gegenüber wir trotz aller Aktivitäten ohnmächtig sind.        

            Unsere gegenwärtige Zeit beunruhigt und verunsichert viele. Es gibt wieder neu grausame  Kriege, die in der globalisierten Welt indirekt auch uns alle konkret betreffen. Die zunächst vorteilhafte technische Weltbeherrschung beschleunigt die Veränderung des Klimas mit katastrophalen Konsequenzen. Noch vieles andere beunruhigt uns zurzeit und fördert heimliche und offene Ängste bei Jung und Alt.

            Es geht auch in unserer Zeit darum, dass wir „über Wasser“ bleiben. Wir mögen unser Denken sehr weit werden lassen. In der endlichen Welt hat es nie eine Zeit gegeben, in der alles ohne Schwierigkeiten und Probleme gewesen ist. Soweit als  möglich, mögen wir selbst aktiv zu besseren Verhältnissen beitragen.

            Bei allem aber braucht es großes Vertrauen darauf, dass alles einem sinnvollen Prozess von Vergehen und Neuwerden anheimgestellt ist. Im momentan Gegebenen ist nicht der ganze Sinn erkenntlich. Gläubiges Urvertrauen, zu dem Jesus einlädt, kann uns helfen, auch auf der schwankenden Oberfläche des Lebens  zuversichtlich zu gehen. In allem bleibt der  schöpferische und Sinn stiftende Geist Gottes erhaltend wirksam.

           Am 26. Juli wird im liturgischen Kalender der Kirche immer der Gedenktag der Großeltern Jesu Joachim und Anna gefeiert.Kalendermäßig dort in der Nähe hat Papst Franziskus vor 3 Jahren den 4. Sonntag im Juli allgemein zum Welttag der Großeltern erklärt.

            Papst Franziskus will dadurch die Wichtigkeit der Großeltern auch in der heutigen Zeit hervorheben. Es soll besondere Wertschätzung und Dank an die Großeltern zum Ausdruck kommen. Zugleich möchte der Papst darauf hinweisen, wie wichtig  Großeltern für das Leben und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind.

            Es sind zunächst schon die gemeinsamen biologischen Erbanlagen durch die Großeltern und Enkel eng miteinander verbunden sind. Die Verbundenheit ergibt sich aber besonders durch die gemeinsamen Begegnungen. Großeltern erleben zumeist große Freude über ihre Enkelkinder und sind ihnen mit viel Wohlwollen zugewandt. Das spüren die Kinder und Jugendlichen und fühlen sich ihrerseits mit den Großeltern innerlich verbunden, von ihnen geschätzt und bei ihnen über das Elternhaus hinaus beheimatet.

            Man darf sagen, Großeltern spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Kindern.  Großeltern haben den Eltern gegenüber den Vorteil, dass sie den Kindern gegenüber nicht so eng in Verantwortung stehen wie die Eltern. Deshalb können Großeltern  viel unbelasteter und großzügiger mit den Kindern umgehen. Es ist ein großer Vorteil, wenn Kinder Großeltern erleben dürfen.  Eltern müssen bei aller Liebe und umsichtigen Sorge in der Erziehung den Kindern immer wieder auch Grenzen setzen. Dem gegenüber tut es den Kindern gut, auch die oft lockere Art des Umgangs der Großeltern zu erfahren. Beide Erfahrungen sind für die Entwicklung der Kinder wichtig.    

            Aufgrund ihrer nicht immer nur leichten und unbelasteten Lebenserfahrungen haben Großeltern oft eine echte und ausgewogene Beziehung zu den Inhalten der Religion. Gerade Großeltern verstehen es oft gut, den Enkelkindern durch ihr beispielhaftes Leben und  durch gute Gespräche die in jedem Kind angelegte Offenheit für Religiosität zu fördernd. Echte religiös motivierte Lebenshaltungen sowie das Gebet und die Pflege der allgemeinen Riten und Bräuche der Religion können wichtige Lebenshilfe für das spätere Leben der Kinder werden. Hierbei spielen oft besonders die Großeltern eine wichtige Rolle.

            Großeltern ihrerseits gewinnen für ihr Leben im Alter viel aus der Begegnung mit den Enkelkindern. Zunächst sind Enkelkinder für Großeltern einfach Inhalt von Lebensfreude und Genugtuung. Einen wichtigen Teil ihres Lebenssinnes erleben sie in den Enkelkindern. Großeltern fühlen sich über die Enkel geschätzt und gebraucht. In der Begegnung mit den Enkelkindern  können in den Großeltern Gefühle verspürt werden, die das Leben sehr bereichern. Die Lebendigkeit, Originalität und Liebenswürdigkeit der Enkel stärkt in den Großeltern die Freude am Leben. Das oft bedrückende Altwerden wird durch den Umgang mit den anhänglichen Enkelkindern um vieles reicher und auch leichter. Ja, die Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkinder sind für beide Seiten von großer Wichtigkeit.

            Der Einladung des Papstes folgend finden in unserer Diözese in diesem Jahr  zum Welttag der Großeltern an drei verteilten Orten der Diözese Gottesdienste mit Großeltern und eventuell den Enkelkindern sowie  alleinstehende Omas oder Opas statt.   Anschließend gibt  es jeweils ein gemütliches Zusammensein.

Die Termine der Gottesdienste:

In der Pfarrkirche von Laas im Vinschgau am 15. Juli, in Maria Trens im Eisacktal am 16. Juli und in Maria Aufkirchen im Pustertal am 22. Juli, jeweils um 10.00 Uhr. Großeltern und eventuell ihre Enkelkinder sowie alleinstehende Senioren sind herzlich eingeladen.

           Wie in allen früheren Zeiten, so gibt es besonders auch heute nicht wenige, für die es wichtig ist, Mut zugesprochen zu bekommen. Im Evangelium spricht Jesus von „schweren Lasten“, die Menschen oft zu tragen haben. Das kann den persönlichen und familiären sowie den beruflichen Bereich betreffen. Es betrifft aber auch die weltweiten politischen und wirtschaftlichen Zustände sowie auch die Situation in der gegenwärtigen Kirche.  

            Jesus meint, man möge in allen oft aussichtslos scheinenden Situationen das Vertrauen nicht verlieren, sondern weit über die eigene Sichtweise und den eigenen Horizont hinausschauen. Jeder möge sich dem anvertrauen, der verborgen schon immer in einem nicht durchschaubaren Prozess letztlich alle Geschicke der Welt in einem sinnvollen Zusammenhang erhält.

            In allem möge man versuchen, „demütig“ zu bleiben. Das heißt, mutig und ehrlich sein bei allem täglichen Tun und Lassen, ohne sich selbst und seine Sichtweisen zu wichtig zu nehmen. Niemand hat den Überblick über alles. Die Geschichte der Menschheit  wäre wohl schon lange zu Ende, wenn alles nur nach menschlichen Planungen gelaufen wäre.

            Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch die jeweiligen Planungen  und Handlungen der Menschen in ihrer Vorläufigkeit sehr wichtig sind. Der Gegensatz zwischen den jeweiligen auch leidvollen Erfahrungen und der Entwicklung des übergeordneten Ganzen sind in bescheidener Achtsamkeit auszuhalten. Dieser wichtige Grundsatz aber ist nicht als Aufforderung zu Tatenlosigkeit zu verstehen.

            Bei allen unseren Aktivitäten darf der moralische Grundsatz der Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit und  Achtung vor der Person des anderen nicht unbeachtet bleiben. Auf Dauer haben nur jene Einstellungen Bestand, die diesem ethischen Grundsatz entsprechen.

            Wenige Zeilen vor diesem Evangelienabschnitt lesen wir bei Matthäus, wie Jesus einigen Städten damals heftige Vorwürfe macht, weil dort selbstgerechte Bewohner nicht einsichtig geworden sind. Er nennt konkret die Städte Chorazin, Betsaida wie auch Kafarnaum. Er sagt ihnen keine gute Zukunft voraus.

            Man kann sich fragen, was Jesus wohl heute z. B. über die Führung im Staat Israel sagen würde. Man vermisst dort nicht nur die Bereitschaft zu einem ausgleichenden Gespräch mit den Palästinensern, sondern es gibt zurzeit sogar wieder offene und aggressive Unterdrückung und Verdrängung jenes Volkes, das 2000 Jahre lang in Palästina seine Heimat hatte.  Radikale orthodoxe Juden unter den Israelis scheinen aus ihrer eigenen tragischen Geschichte nichts gelernt zu haben.

            „Israel“ heißt auf deutsch „Gotteskämpfer“. Ob Jesus, ob Gott mit diesen in seinem Namen Kämpfenden einverstanden ist, muss mehr als bezweifelt werden. Es braucht große Demut und weitsichtiges Gottvertrauen, um diese und viele andere Widersprüche in der Welt zu bestehen.

          Hindus haben irgendwann den Christen vorgeworfen, sie sollen Fleisch  von einem Menschen essen und menschliches Blut trinken. Das meinten sie in Hinblick auf das Evangelium am Fronleichnamsfest und in Hinblick auf Worte in der Messfeier. Im Evangelium heißt es tatsächlich: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihre das Leben nicht in euch.“  (Joh 6, 53).

            Es ist wichtig zu überlegen, dass menschliche Sprache in verschiedenem Sinn gebraucht werden kann. Normalerweise gebrauchen wir Worte, um etwas Konkretes zu benennen.  Mit  denselben Worten kann man aber im übertragenen und symbolischen Sinn etwas ganz anderes ausdrücken. Immer wieder verwenden wir Worte auch in übertragenem Sinn und verstehen das auch. Im Alltag sagen wir z. B. „todmüde“, „Himmel hoch jauchzend“, „kristallklar“, „stumm wie ein Fisch“ usw.

            Besonders die Liebessprache kennt symbolische Ausdrücke: „Mein Mäuschen, Käferle, Schmetterling,...“ Manchmal können in Beziehungen bildhafte Ausdrücke aber auch sehr heftig werden bis hin zu „blöde Kuh“ und „sturer Bock“. Jeder weiß, es ist nicht in direkten Sinn, sondern bildhaft gemeint.

            Genau genommen ist sogar jeder Ausdruck unserer Sprache nicht eindeutig, sondern vieldeutig, weil die Dinge und das Leben selbst vielschichtig und in mehrer Hinsicht bedeutungsvoll sind. Weder das Geheimnis des Lebens noch das Geheimnis eines einzelnen Menschen können wir begrifflich und sprachlich angemessen erfassen.

            Diese Überlegungen betreffen besonders auch die Sprache der Religion. Gott bleibt das überall wirksame und doch unergründliche Geheimnis, das wir mit Worten nicht erfassen können. Wir sind in der Religion ganz auf die bildhafte, symbolische Sprache angewiesen. „Herz Jesu“, „Lamm Gottes“, „guter Hirte“, bis hin zu „Gott Vater“ sind tiefsinnige bildhaft-symbolische Ausdrucksformen.

            Dabei ist zu bedenken, dass symbolische Ausdrucksweisen von der Wirklichkeit und vom  Leben viel mehr zu erfassen vermögen als sogenannte konkret-exakte Ausdrucksformen. Man soll nicht sagen „nur“ symbolische Sprache, sondern „nichts wenige als symbolische Sprache“. Ein Symbol schließt viel mehr in sich als es die exakte Sprache zu tun vermag.  Sogar das Gegensätzliche des Lebens kann in Symbolen treffend zum Ausdruck kommen.

            Ein Lateinlehrer sagte zu uns Schülern: „Die lateinische Grammatik muss euch in Fleisch du Blut übergehen.“ Wenn Jesus sagt: „Mein Fleisch essen und mein Blut trinken“, so bedeutet das, seine Denkweise, sein Verhalten und seine Lebenseinstellung möge sich in unserer Persönlichkeit breiten machen und unser alltägliches Handeln bestimmen. Darin wird umfassend stimmiges und geheiltes Leben möglich. Es eröffnet sich dabei in der Gegenwart etwas von der Qualität des „ewigen Lebens“.

Diese Frage kann man sich stellen, angesichts der vielen Veränderungen in unserer Zeit. Früher konnte jeder die 10 Gebote wie im Schlaf aufsagen. Wie ist es wohl heute damit bestellt? Natürlich kommt es nicht nur darauf an, sie auswendig hersagen zu können.

            Jesus legt im Evangelium dieses Sonntags den Menschen nahe, seine Gebote zu achten. Damit sind besonders auch die 10 Gebote gemeint, die er selbst aus den Schriften des  Alten Testamentes übernommen hat und zu denen er steht.

            Für Jesus bleibt zunächst das Doppelgebot der Liebe der wichtigste Auftrag: „Gott über alles lieben und den Nächsten wie sich selbst.“ Vgl. Mk 12,29. Die 10 Gebote sind Ausfaltungen des Liebesgebotes auf konkrete Lebenssituationen hin. Es kommen darin unbedingt wichtige Lebenshaltungen zum Ausdruck, die gutes Gelingen von Leben und Gemeinschaft ermöglichen. Die ersten drei der zehn Aussagen betreffen die Beziehung zu Gott, die weiteren sieben die Beziehung zu den Mitmenschen.

            Gläubige Beziehung zum Geheimnis Gottes zu pflegen, der in allem verborgen anwesend ist, ergibt ein tiefes Ur-Vertrauen ins Leben. Ein Vertrauen, das in allen unterschiedlichen Situationen erhalten bleibt. Starkes Ur-Vertrauen ist immer neu  wichtig und notwendig. Echter Glaube an Gott macht frei von einengenden Abhängigkeiten und götzenhaften Verabsolutierungen.

            Vertrauensvolle Lebensbejahung schließt ein, auch den Mitmenschen achtsam und wertschätzend zu begegnen. Das betrifft den Umgang mit den engsten Angehörigen in der Familie, mit Eltern, Geschwistern, Großeltern usw. (4. Gebot) Einem wohlwollenden Menschen widerstrebt es, andere zu verletzen, zu demütigen oder gar im Extremfall zu töten (5. Gebot). Echte eheliche Liebesbeziehungen sind gekennzeichnet von achtsamen Umgang miteinander und gegenseitiger treuer Verlässlichkeit in allen Bereichen (6. Gebot). 

            Jemanden ungerecht zu behandeln, ihm von seinem Privateigentum etwas wegzunehmen oder seine Privatsphäre zu verletzen, verträgt sich nicht mit ehrlicher, mitmenschlicher Achtung (7. Gebot). Ebenso sind Lügen oder gar Verleumdungen ein Widerspruch zu aufmerksamer und geschuldeter Wertschätzung anderer (8. Gebot). Wer sich selbst als wertvoll und dankbar erlebt, hat es nicht notwendig,  andere um etwas zu beneiden und eifersüchtig zu sein oder gar aus Eifersucht gewalttätig zu werden. Neid und Eifersucht sind Ausdruck von zu wenig eigener Wertschätzung und schwacher innerer Selbstbejahung (9. und 10. Gebot).

            Die Haltungen, auf welche die 10 Gebote hinlenken, sind Ausdruck menschlicher Reife und zugleich Voraussetzung für das Gelingen von Zusammenleben und Gemeinschaft. Auch den staatlichen Zivilgesetzen liegen letztlich die zehn Gebote zugrunde. Ein Staat kann nur funktionieren, wenn möglichst viele Bürger sich an die elementaren ethisch-moralischen Haltungen orientieren, wie sie in den zehn Geboten zum Ausdruck kommen.

Diese besorgte Frage stellen sich heute nachdenkliche Menschen. Wie Kinder manchmal Fragen stellen, die weder Eltern und Lehrer noch beste  Universitätsprofessoren angemessen beantworten können, so ist es wohl auch mit dieser schwierigen Frage.

            Wir unterscheiden zwischen dem Übel und dem Bösen. Zu den Übeln gehören jene Ereignisse, die von der Natur aus gegeben sind: Krankheiten, Unfälle, Naturkatastrophen bis hin zu Sterben und Tod. Die Tatsache dieser Übel ist nicht selbst verschuldet. Sie gehören zu den überall gegebenen Veränderungen in der Natur. Wir leiden mehr oder weniger immer wieder darunter und bezeichnen sie deshalb als Übel.

            Dann gibt es das Böse, das auf das freie und verantwortliche Handeln von Menschen zurückzuführen ist. Es ist mit der Möglichkeit der Freiheit gegeben. Wir benützen unsere Freiheit oft auch zu Handlungen, die uns selbst und anderen schaden. Das ist dann Missbrauch der Freiheit.

            Aber auch da müssen wir sagen, dass beim Vollzug unserer Freiheit vieles schicksalhaft gegeben ist. Einerseits sind wir uns der Folgen unseres unangemessenen Handelns nicht immer genug bewusst, anderseits sind wir auch nicht immer wirklich Herr über unsere Freiheit. Es gibt innere und äußere Zwänge, die unsere Freiheit sehr beeinträchtigen. Auch das Böse hat eine schicksalhafte Seite, die stärker ist als unser bewusstes Handeln.

            Nimmt das Böse in der Welt zu? Man kann sagen, mit jedem Menschen kommt viel Gutes, aber auch manches Böse in die Welt. (Vgl. 1 Kön 8,46) Die Zunahme der Zahl der Menschen auf der Erde vermehrt nicht nur Gutes, sondern auch Böses. Je mehr Menschen, desto größer wird auch das nicht immer positiv zu lösende Konfliktpotenzial.

            Was sehr zu bedenken ist, ist die Tatsache, dass wir heute als Waffen nicht nur Knüppel und Steine zur Verfügung haben wie die Neandertaler. Die bereit stehenden modernen Waffensysteme  sind unvorstellbar gefährlicher.  Missbrauch  der Freiheit im Sinne des Bösen könnte in unserer Zeit tatsächlich für große Teile der Menschheit bedrohlich werden. So gesehen hat sich die Gefahr der möglichen Folgen böser Handlungen sehr gesteigert. Die einseitige technische Intelligenz ohne den Fortschritt der ethischen Intelligenz im Menschen wird zur Zunahme der Macht des Bösen führen.

            Zuversicht darf uns das christliche Weltverständnis geben, das z.B. in der Apokalypse anschaulich ausgedrückt wird. Es heißt dort bildlich (Offb 12) der böse dunkle Drache kann so mächtig werden, dass er mit seinem Schwanz sogar Sterne vom Himmel zu reisen vermag. Aber Sieger bleibt letztgültig das Lamm. Damit ist jene Einstellung gemeint, die in Jesus Christus sich unüberbietbar gezeigt hat. Sieger bleiben Harmonie und das Positive der Schöpfung.Das Böse hat nicht ein Sein in sich, sondern besteht in der nachträglichen Störung der vorausgehenden und bleibenden Ordnung.

            Jeder einzelne möge seine Freiheit und sein Handeln  bewusst nach dem Guten ausrichten. Trotz aller notwendigen Selbstbehauptung bleiben fürsorgliche Mitmenschlichkeit und gegenseitige Rücksicht lebenswichtig. In solchem Denken und Verhalten Kinder und Jugendliche zu bestärken, haben besonders  Religionslehrer:innen in ihrem Fach wichtige Gelegenheit. Es ist nicht nur ein wichtiger Dienst an den Schülern:innen, sondern ganz allgemein an der Menschheit.

Manche fragen sich, ob nur die getauften Christen an der Erlösung teilnehmen und zur Auferstehung kommen können. So zu denken würde sicher nicht der Großartigkeit und allumfassenden Weite Gottes, des Schöpfers entsprechen.

            In der Schöpfung sind durch Gott dem ganzen Universum und allen seinen Teilen eine großartige Ordnung und zugleich ein unbedingter innerer Sinn mitgegeben. Dabei ist alles in ständiger Bewegung und in Entfaltung dieses eingestifteten Sinnzieles. Es ist ein nicht überschaubarer mächtiger Prozess in ständigem Auf und Ab, über Krisen, Misserfolgen und Erfolgen. So im Leben jedes einzelnen wie in der Geschichte des Ganzen.

            Der geistbegabte Mensch hat in diesem Universum eine ganz besondere Stellung. Er ist sich seiner selbst bewusst und kann über alles nachdenken, was es gibt. In freier Entscheidung kann er sich mehr diesem oder jenem zuwenden, vieles gestalten und aufbauen. Allerdings ist er immer in Gefahr, diese Freiheit zum eigenen Schaden und zum Schaden anderer zu missbrauchen. Menschen bleiben in der Welt stets begrenzte und oft auch unglückliche Wesen.

            Dem tieferen geistigen Sein (Seele) nach ist jeder und jede über die zeitliche Begrenzung hinweg zu glücklicher Vollendung berufen. Darauf verweist indirekt auch unsere lebenslange Ruhelosigkeit und nicht stillbare Sehnsucht nach dem Besseren und Vollkommenen.

            Die Osterzeit ist die Zeit des gläubigen Bedenkens und der Feier der Auferstehung Jesu Christi. Es wird sein Eingehen in jene Vollendung gefeiert, die jedem Menschen von Anfang an durch Gott zugedacht ist. In Jesus wird dies endgültig aufgezeigt und bewusst gemacht. Es geht um eine geistige Wirklichkeit, die aller materiellen Welt voraus und zugrunde liegt.

Was über Jesus und seine Göttlichkeit ausgesagt wird, meint etwas Überzeitliches und hat Bedeutung für alle und alles. Im Kolosserbrief (1,16) heißt es: „In ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare...alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.“ Die österliche Lebenswahrheit betrifft demnach auch alle Menschen, wo immer sie früher, heute und in Zukunft leben. Gerade zu Ostern dürfen und sollen wir unser Denken ausweiten über alle Personen und zeitlichen Grenzen hinweg.

            Dem österlich-christlichen Denken entsprechend sind wir nicht in einem unüberschaubaren leblosen Weltall bedeutungslos verloren. Vielmehr gibt es über alle zeitlichen Veränderungen hinweg die großartige Vollendung in der endgültigen Begegnung mit dem, der als Schöpfer allem innewohnt. Jemand sagte: „Leben bedeutet, unterwegs sein zu unserem eigenen Ursprung.“

Die Schilderung des Gespräches Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen gehört zu den anschaulichsten und tiefsinnigsten Abschnitten im Neuen Testament. Jesus sitzt am Brunnen und die Frau aus Samaria  holt Wasser aus dem Ziehbrunnen. Jesus ist müde und hat Durst. Er bittet die Frau um Wasser.

            Schon gleich gibt es die erste Überraschung. Die Frau wundert sich, dass Jesus, ein Jude, sie als Samariterin von einer anderen Glaubensrichtung um Wasser bittet. Jesus nimmt dies zum Anlass, um auf etwas Tieferes hinzuweisen. Er sagt, er hätte lebendiges Wasser zu geben, das bleibend den Durst stillt. Die Frau ist verständlicherweise überrascht und denkt an Durst und Wasser in physischem Sinn.

            Jesus hingegen meint Wasser in einem übertragenen, symbolischen Sinn, der auf den Durst nach Sinn, Liebe, Harmonie und Frieden hinzielt. Die Frau bleibt bei ihrem Verständnis von Wasser und fragt verwundert, ob Jesus sich da nicht überschätze, da er kein Schöpfgefäß bei sich habe. Jesus entgegnet klärend, das Wasser, das er meint hat mit bleibenden, letzten Wahrheiten zu tun, die über den Tod hinaus reichen. Das berührt die Frau. Sie merkt, dass es da um etwas ganz anderes geht und bittet nun ihrerseits Jesus um dieses andere Wasser.

            Nun weitet die Frau das Thema aus und fragt, wo und wie man denn Gott in rechter Weise anbetet. Es gäbe ganz verschiedene Orte und Formen, wo und wie Menschen glauben, Gott in rechter Weise zu verehren. Sie weiß sehr wohl um die Streitigkeiten darüber.

            Jesus verweist jetzt darauf, dass es nicht um genau festgelegte Formen und bestimmte Orte gehe. Es gehe darum, Gott grundsätzlich anzuerkennen und die Beziehung zu ihm zu pflegen. Gott selbst aber ist nicht an bestimmte Orte gebunden. Er ist geistige Wirklichkeit und damit überall als Herr und Schöpfer anwesend. Es gibt keinen Ort, an dem Gott nicht ist und wo man nicht mit ihm in Beziehung treten kann. Jesus verweist darauf, dass die Menschen im Allgemeinen in ihrem Denken nicht so weit sind. Es brauche noch viel Zeit, bis sie weise genug werden, das zu verstehen und anzunehmen. 

            Die Frau bringt darauf hin den erwarteten Messias ins Gespräch, der über alles stimmig und frei denken und lehren wird. Das Gespräch findet jetzt seinen Höhepunkt, indem Jesus sagt: „Ich bin es, ich, der mit dir spricht.“ Er ist und lebt das, was im Messias erwartet wird.

            Der Inhalt des Gespräches zwischen Jesus und der Frau am Brunnen ist bis heute höchst aktuell. Es gibt nach wie vor rechthaberische Abgrenzungen zwischen Menschen, Völkern und Religionen mit tragischen Folgen. Das gläubige Wissen und die entsprechenden Verhaltensweisen im Sinne Jesu sind zwar anfangweise gegeben, zugleich aber immer erst noch im Reifen und Kommen. Jeder einzelne muss sich darum bemühen, damit die ganze Menschheit sich weiter entwickelt.

Wir können überall zwischen Außenwelt und Innenwelt unterscheiden. Zur Außenwelt gehört alles, was wir mit unseren äußeren Sinnen wahrnehmen. Alles was wir anfassen, gestalten, sehen und hören, was wir berechnen, messen und formen können. Die Außenwelt gehört zu uns und wir müssen uns jederzeit mit ihr beschäftigen und auseinandersetzen.

            Zugleich aber gibt es überall auch die Innenwelt. Mit Innenwelt ist das gemeint, was wir eben nicht so ohne weiteres mit unseren „fünf Sinnen“ wahrnehmen. Zur Innenwelt  gehören zunächst die Naturgesetze, die immer und überall in der materiellen Welt wirksam sind. Wir können sie nicht sehen, sondern sie müssen mühsam durch die Vernunft erforscht werden. Ihre Auswirkungen aber sehen und erleben wir überall in der Außenwelt.      

            Zur Innenwelt im Menschen gehören unsere Gefühle, Gedanken, Einstellungen, Motive und Absichten. Nicht umsonst sagen wir, wir können nicht wissen, was im Inneren eines Menschen vor sich geht. Wahrnehmen können wir immer nur, was jemand äußert im Sprechen und Handeln. Dabei stimmen Inneres und Äußeres nicht immer überein. Im Schlaf ziehen wir uns immer wieder in die Innenwelt zurück.

            Beide Bereiche, Innenwelt und Außenwelt, gehören immer zusammen, besonders auch im Menschen. Beide Bereiche müssen wir pflegen. Wer sich ohne Teilnahme an der Außenwelt nur in seine gedankliche und gefühlsmäßige Innenwelt zurückziehen würde, kann mit der Zeit verarmen und vereinsamen.

            Wer aber einseitig nur die Außenwelt pflegt mit sehr viel Leistung, Arbeit, Konkurrenzstreben, einseitiger Kopfarbeit und Streben nach Spitzenleistungen, ohne innere Empathie und gefühlsmäßige Beziehung zu sich selbst, zu Natur und Mitmenschen ist in Gefahr, innerlich leer und ausgelaugt zu werden. Die Gefahr des tragischen Burnout, der inneren Leere und Sinnlosigkeit stellt sich ein.

            Jesus warnt im Evangelium davor, nur äußerlich alles zu tun, wie es von anderen und der Öffentlichkeit erwartet wird. Dazu gehört: Religiöse und profane Gesetze und Rituale genauestens einhalten, vor den Menschen gut dastehen wollen, äußerlich unangreifbar und perfekt sein wollen, seine Rechte genauestens einfordern, Beziehungen nur dem Äußeren nach ohne Einfühlung pflegen usw.

            Immer wieder verweist Jesus darauf, dass es wesentlich auch um die innere Einstellung, um die inneren Absichten geht. Es geht um das ehrliche und verlässliche „Ja“ und „Nein“. Es geht jeweils um den inneren Sinn von Regeln und Gesetzen. Echte Religiosität, Glaube und Liebe haben mit der Innenwelt zu tun und wirken sich aus in der Qualität des Handelns nach außen.

Es gibt vieles, das in uns unbewusst ist und trotzdem unserer Leben wesentlich mitbestimmt. So z. B. atmen wir ständig die Luft ein und aus, ohne daran zu denken. Luft ist für uns selbstverständlich bis wir in Atemnot kommen oder ein bestimmter Geruch uns auf die Luft aufmerksam macht.

            Unbewusst ist in uns auch die Tatsache, dass wir bei unseren geistigen und körperlichen Aktivitäten ständig Energie verbrauchen, die dann durch die Nahrung neu aufgebaut wird. Es geschieht, ohne dass wir diesen elementaren Prozess bedenken. Es ist eine Realität, die wir uns durch Nachdenken zum Teil bewusst machen können.

            Auch alle Erfahrungen, die wir von Geburt an gemacht haben sind in uns gespeichert und beeinflussen unbewusst unser Lebensgefühl und unsere Aktivitäten.

            Die rituelle Handlung der Taufe macht durch Worte und Zeichen eine Realität bewusst, die wir stillschweigend immer voraussetzen. Wir setzen voraus, dass es überhaupt Dasein und Leben gibt. Dabei setzen wir logisch auch einen verursachenden Grund für alles voraus.

            Es sind die  Eltern des Kindes, ohne die das Kind nicht da wäre. In den Eltern selbst waltet und wirkt die Natur und in aller Natur wirkt überall die für uns nicht fassbare Urkraft aller Dynamik und Lebendigkeit, nämlich die schöpferische Kraft Gottes. Das wirkende Sein Gottes bleibt bei vielen Menschen unserer modernen Welt zunehmend im Unbewussten.

            Von Sigmund Freud stammt der Satz: „Wo Es war, soll Ich werden.“ Damit ist gemeint: Wir sollten möglichst viel von dem, was uns unbewusst bestimmt, versuchen in das Bewusstsein zu bringen. Möglichst sich selbst kennen lernen und alles zu bedenken, was elementar zu uns gehört. Bewusstes Leben schafft mehr Stimmigkeit und Identität und lässt mehr Ganzheit und Heilsein erleben.

            In der Taufe wird ein Kind gesehen als großartiges Geschöpf, das in seinem Dasein nicht nur durch die Eltern und die Natur, sondern im letzten durch den ermöglicht wird, der (ähnlich wie die Energie) alles durchwaltet und ermöglicht. Es ist  der ursprüngliche Schöpfer und Erhalter von allem, der allem nicht nur Dasein, sondern auch Tiefe und Sinn verleiht.

            Dieses Bewusstsein möge dem Getauften ein Leben lang Geborgenheit, Sinn und Zuversicht und immer neuen Lebensmut und Lebensfreude schenken. Dies trotz aller Begrenzungen, Unstimmigkeiten und Schulderfahrungen im alltäglichen konkreten Leben.

                        Das Geschehen der Taufe nennt die Kirche Grundsakrament. Es macht die Einbettung des Kindes in die menschliche Gemeinschaft, in die Ordnung der Natur und letztlich in das Wohlwollen und die liebende Zuwendung Gottes bewusst. Ein Leben lang soll dieses Bewusstsein nicht verdrängt, sondern je neu bedacht werden. Nicht bewusste Wahrheit über das Leben wird durch die Taufe bewusst gemacht.   

            Das Wasser bei der Taufe ist reales Symbol für das Leben und die Worte, die dabei gesprochen werden, nennen den realen Bezug zu dem immer anwesenden alles durchwaltenden Gott. Dem Täufling Jesus dürften bei seiner Taufe im Jordan diese Überlegungen und noch vieles mehr bewusst gewesen sein.

Im weihnachtlichen Gebet „Engel des Herrn“ heißt es: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

Das Wort Gottes begegnet aufmerksamen Menschen in vieler Hinsicht.

Zunächst ist die Natur und die ganze Schöpfung ungeschriebenes „Wort Gottes“. Am Beginn des Johannesevangeliums heißt es: „Durch das Wort (Gottes)  ist alles geworden, was geworden ist.“ Wer achtsam genug beobachtet und überlegt, kann aus der Natur, aber auch aus den verschiedenen Lebenssituationen und in der eigenen inneren Stimme „Wort Gottes“ erkennen.

Dann sprechen wir von der Bibel als dem „Wort Gottes“. In der Bibel muss man oft „zwischen den Zeilen“ lesen, weil die Bibel ja in der vieldeutigen und nicht eindeutigen menschlichen Sprache geschrieben ist. Es geht darum, in der Bibel immer die „gute Nachricht“ und die „Heilsbotschaft“ Gottes an uns Menschen herauszuhören.

Und schließlich nennen wir Jesus selbst: „Mensch gewordenes Wort Gottes.“  In seiner Person, in dem, was er sagt und vor allem in dem wie er lebt und was er tut, zeigt sich das heilende und wohlwollende „Wort Gottes“ für uns Menschen.

Das Wort Gottes ist natürlich immer ein wohlwollendes, helfendes, ermutigendes und befreiendes Wort. Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn Gottes Wort nicht die Erfüllung dessen im Auge hätte, was er selbst von Anfang an wohlwollend und als gut erschaffen hat. Im Buch der Weisheit heißt es: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du geschaffen hast. Denn hättest du es nicht geliebt, so hättest du es nicht geschaffen.“ (Weish. 11,24).

Wir mögen gerade jetzt zu Weihnachten das gute Wort Gottes bei uns heilsam ankommen lassen.

Es fällt auf, dass in der Bibel bei der Schilderung der Geburt Jesu die Hirten die ersten waren, die von der Geburt des Jesuskindes hörten. Sie waren  die  ersten, die  zur Krippe kamen und Jesus fanden. Wie immer das alles mit der Geburt Jesu gewesen sein mag. Die Tatsache, dass in der Schilderung Hirten als erste das Jesuskind gefunden haben, darf man als ein besonderes Zeichen betrachten. 

            Hirten sind einfache, oft auch arme Menschen. Sie leben naturverbunden. Der ruhige Lebensrhythmus der Tiere bewahrt sie vor Ruhelosigkeit und Hektik. Sie haben keinen Grund stolz und eingebildet zu werden. Sie sind umsichtig darauf bedacht, dass es ihrer eigenen kleinen Familiengemeinschaft wie besonders auch ihren Tieren gut geht und alle vor Gefahren geschützt werden.

            Genau diese einfachen Haltungen der Hirten sind es, die sie Jesus, den Heiland, das Heilende für ihr Leben  finden lassen. Gerade den einfachen Hirtenmenschen ist es geschenkt, Jesus zu erleben. Gerade sie sind imstande, Jesus innerlich nachhaltig aufzunehmen. Diese Begegnung lässt sie neue tiefe Freude und Zuversicht erleben. Sie erleben, dass gerade auch ihr einfaches Leben  vor Gott wichtig und sinnvoll ist.

            Diese echte und heilende Begegnung mit dem Jesuskind ist für sie möglich, weil sie in ihrer Einfachheit und Bescheidenheit weit weg  sind von Stolz und Überheblichkeit, von Undankbarkeit und Selbstherrlichkeit.

            Als zweite sind es die drei Könige, die von Ferne kommen und Jesus als den Heiland für ihr Leben finden.  Auch sie, obschon wohlhabende Könige, finden ihr inneres Heil nur deshalb, weil sie sich achtsam, bescheiden und wohlwollend  diesem einfachen Kind gegenüber verhalten. Der reiche, stolze und mächtige Herodes bleibt von der Begegnung mit Jesus, mit der Erfahrung des Heils ausgeschlossen.

            Manchmal kann man gerade ältere Menschen mit den einfachen Hirten vergleichen. Sie kennen all die Mühen und Schwierigkeiten des Lebens. Sie wissen um den Unfrieden und die Heillosigkeit vieler Menschen. Das Leben selbst hat sie erfahren, anspruchslos und dankbar  gemacht.

            Gerade sie, die älteren Menschen, sind oft wie die Hirten und die drei Könige viel offener als viele erfolgreiche und oft ruhelose jüngere Zeitgenossen. Gerade ältere Menschen erleben oft neu den tieferen Sinn für Religion, für Gottesdiensten,  für das Gebet und gütige, heilsame Mitmenschlichkeit. Gerade sie sind oft bewundernswerte weihnachtliche Menschen.    

Die Identität eines Menschen ist von großer Wichtigkeit. Abgesehen vom Gemeinsamen aller Menschen, hat jeder von den heute 8 Milliarden Menschen seine je eigene Identität. Jeder ist seine eigene Persönlichkeit. Jeder hat sein besonderes individuelles und einmaliges Aussehen. Jeder hat seine je eigenen Fähigkeiten, Veranlagungen und Ansichten. Jeder lebt in seiner eigenen Welt, hat eine andere Berufung und Aufgabe. Jeder ist in seiner Identität einmalig. Es bleibt ein Wunder, wie dies möglich ist. Jeder verdient unsere Bewunderung und Achtung.

            Uns allen ist gemeinsam, dass wir Bewusstsein haben, der Welt gegenüber stehen und grundsätzlich Freiheit haben, so oder anders zu handeln, Ja oder Nein zu sagen.

In unserer besonderen Individualität bleibt jeder und jede letztlich für sich selbst und für andere ein Geheimnis, das wir nicht letztgültig zu ergründen vermögen.

            Im Evangelium lässt Johannes der Täufer Jesus durch Boten nach seiner Identität fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen waren?“ Gemeint ist, ob Jesus der erwartete Messias sei oder nicht. Jesus antwortet nicht mit Ja oder Nein. Vielmehr verweist er in seiner Antwort auf seine Taten. Gemeint sind seine vielen wohlwollenden Handlungen, durch die er Menschen nicht nur dem Körper nach, sondern vielmehr ganzheitlich in ihrer Persönlichkeit geheilt hat.

             In der späteren Geschichte der Kirche gab es im 4. und 5. Jahrhundert Uneinigkeit darüber, wie man von Jesus Christus denken soll, was man von seiner Identität halten soll.  Wie soll man Göttliches und Menschliches in der Person Jesus Christus zusammen denken. Zwar hat man ihn als den Messias betrachtet, aber das Zueinander seiner menschlichen und göttlichen Natur nicht wirklich zu erklären vermocht. Darüber gab es dann heftigen Streit unter Theologen und Bischöfen.

            Konzilien führten damals zu Verurteilungen und sogar zu Exkommunikationen und Verbannungen. Da waren allerdings auch Ehrgeiz und Machtinteressen im Spiel. Später gab es in der Kirche leider sogar auch Verurteilungen, die zu Ketzerverbrennungen geführt haben. Dies stand natürlich in vollem Widerspruch zu dem, wie Jesus selbst gelebt und gehandelt hat.

            Prinzipiell darf man mit Jesus sagen: Es geht in erster Linie nicht um theoretische Erörterungen und um gedankliche Vorstellungen, sondern um konkrete Lebenspraxis. Taten sind nach Jesus wichtiger als Worte. Konkrete Handlungen der Mitmenschlichkeit, des Friedens und der gegenseitigen Achtung sind wichtiger als viele missverständliche menschliche Worte. Die Qualität der Handlungen und Taten bleibt das Entscheidende in der Persönlichkeit und Identität eines Menschen. Dazu gehören allerdings auch anerkennende Worte und gute Gespräche.

Das Jahr neigt sich wieder dem Ende zu. Das veranlasst mich, über die Zeit etwas nachzudenken. Wir teilen die Zeit ein in Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden, Minuten, Sekunden usw. Immer rechnen wir mit Abschnitten bzw. Teilen der Zeit.

         Wenn man eine Tortenschnitte vor sich auf dem Teller hat, dann weiß man, es ist die Schnitte einer ganzen Torte. Auch die Teile der Zeit setzen notwendigerweise ein Ganzes voraus. Dieses Ganze der Zeit aber können wir uns nicht vorstellen. Wir können es nur erahnen und logisch darauf schließen. Es ist nicht etwas Materielles, genauso wie die Zeit selbst.

         Die Religion hat für dieses Ganze der Zeit ein Wort, nämlich das Wort „Ewigkeit“. Wenn es Zeitabschnitte gibt, dann muss es auch ein Ganzes der Zeit geben, die Ewigkeit. Zeit setzt Ewigkeit voraus. Alle Zeitabschnitte sind umfangen von der zeitlosen Ewigkeit.

         Die flüchtigen und gewohnten Zeitabschnitte lassen wir zurück, wenn wir einmal sterben und unser tieferes geistiges Sein (die Seele) nicht mehr mit Zeitabschnitten rechnet. Wir gehen über in das zeitlose „Sein Gottes“, eben die Ewigkeit.

         Wir werden dann einen ganz anderen Blick auf die vielen unverständlichen Ereignisse unserer Zeit, unseres Lebens und unserer Geschichte haben. Was als Möglichkeit und Ahnung schon jetzt verborgen in uns angelegt ist, wird sich eröffnen: Die Weite und Tiefe der zeitlosen göttlichen Wirklichkeit.

         Im alttestamentlichen Buch Kohelet heißt es: „In alles hat Gott die Ewigkeit hineingelegt“ (Koh 3,11) und im Palm 16,3 lesen wir den schönen Satz: „Meine Zeit liegt in Deinen Händen.“

Senioren haben in all ihren Lebensjahren schon oft Adventzeit erlebt. Manch einer sagt vielleicht: „Schon wieder Advent. Es ist immer das gleiche.“ Andere freuen sich über den Advent. Sie haben viele schöne Erinnerungen, wie es früher gewesen ist. Adventliche Stimmung steigt in ihnen auf. Sie freuen sich an den vielen verschiedenen Bräuchen, die gerade in der Adventzeit gepflegt wurden und werden.

            Auch wenn es heutzutage in der sogenannten „stillen Zeit des Advent“ nicht immer so still zugeht, so lassen viele doch besonders in dieser Zeit bei sich gerne Ruhe und friedvolle Gelassenheit einkehren. Viele Erinnerungen an früher können neu auftauchen und erneut können schöne Stimmungen aufkommen.

            Da ist die Erinnerung an die schönen adventlichen Gottesdienste, das Hören und Singen adventlicher Lieder, der Adventkranz in der Stube, die Lichter, die man entzündet hat und auch jetzt neu entzündet.  Man erinnert sich an stimmungsvolle Musik und schöne Erzählungen im Advent. Auch wohlduftende Gerüche in der Küche tauchen in der Erinnerung auf.

            Einerseits sind es Erinnerungen an früher, anderseits aber stellt sich doch auch im Heute und Jetzt wieder die entsprechende innere Stimmung ein.  Advent darf und soll ja eine Zeit des Gefühls, der inneren Freude und Achtsamkeit sein. Eine Zeit der Innerlichkeit, wie man sagt.

            Dabei hilft auch die Natur kräftig mit. Draußen ist es  lange dunkel und oft auch kalt. Die Natur drängt, nach Innen zu gehen. Nach Innen ins Haus, aber auch nach Innen in das persönliche Innere, in unser Gemüt und in unser Herz. Advent ist nicht nur Zeit  der Vorbereitung auf das große Fest der Menschenfreundlichkeit Gottes, sondern im Advent  darf und soll schon vorauswirken, was das Weihnachtsfest uns sagt. 

            Schon im  Hier und Jetzt des Advent, soll sich die Wahrheit von Weihnachten ereignen:  Mitten im Dunkel der Welt, mitten in allen Schwierigkeiten und Krisen, mitten in alle Unruhe und Friedlosigkeit, mitten in manchen Ängsten und Sorgen mögen in uns trotzdem Gelassenheit, Beheimatung, Ruhe, stille Freude und Frieden einkehren.  Der Grund liegt darin, weil kein Geringerer als Gott selbst sich in Jesus Christus immer schon und immer neu uns zuwendet und bei uns ist.

Unsere Welt und unser Leben ist in jedem Moment von einem unausweichlichen polaren Gegensatz bestimmt. Alles was besteht hat eine Form und eine Gestalt, gleichzeitig ist aber alles in jedem Moment in Veränderung. Menschen, Tiere, Pflanzen, wie auch sonst alles in der Natur hat Form und Gestalt.  Auch was Menschen aufbauen und technisch erstellen hat Bestand. Was gut und hilfreich ist, wollen wir erhalten und verbessern.

       Gleichzeitig aber müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass nichts in seiner Form bleibend ist. Alles ist in Veränderung und in Bewegung. In allem wirkt und arbeitet der Zahn der Zeit. Das können wir nicht aufhalten.

        Veränderungen können ganz langsam gehen, sodass wir es gar nicht merken, sie können aber auch schnell oder sogar ganz plötzlich geschehen. Immer aber ist alles in Veränderung. Dabei sprechen wir meist von Vergänglichkeit.

       Veränderung bedeutet nicht absolute Vernichtung, sondern immer Übergang in eine neue Form, in etwas anderes, in etwas Neues. Aber auch das neu Gewordene bleibt nicht für immer, sondern wird sich irgendwann wieder verändern.

      Ob wir wollen oder nicht, wir befinden uns immer im polaren Prozess von Vergehen und Neuwerden. Alles was ist hat Bestand und ist zugleich in Veränderung. Die evolutive Schöpfung Gottes ist noch nicht zu Ende.

   Auf diese unsere Welt- und Lebenssituation reagieren Menschen sehr unterschiedlich. Die einen wollen alles erhalten wie es ist. Andere wollen immer schnelle Veränderungen. Beides ist wichtig und darf nicht einseitig ohne Rücksicht auf das andere gesehen werden. Es ist dabei nicht leicht, gelassen den Ausgleich zu finden.

      Oft fallen uns in diesem Prozess Vergehen und Veränderung sehr schwer. Wir möchten oft alles in seiner Form erhalten. Das ist aber nicht möglich. Es gibt aber auch das andere: Manche leiden unter dem, was gerade ist. Sie möchten sofort alles verändern und umgestalten, was genauso nicht  geht. Veränderungen lassen sich nicht erzwingen und das Gegenwärtige kann man nicht festhalten.

      Wir sprechen heute viel über Klimaveränderung. Auch das jeweilige Klima hat sich in der Geschichte immer verändert. Allerdings können wir durch unser Verhalten diese Veränderung beschleunigen oder verzögern, nicht aber absolut aufhalten.

    Im Evangelium des Sonntags geht es um einschneidende Veränderungen  von etwas Bestehendem. Die einen denken an den großartigen Tempel in Jerusalem, Jesus aber denkt an sein körperliches Dasein als Mensch. Er verweist auf das geistige „Neue Sein“ jenseits der gegensätzlichen Welt in Raum und Zeit. Er meint jene radikale Veränderung, die  Übergang in die endgültige Vollendung und bleibende Gemeinschaft mit Gott bedeutet,  in dem alle Gegensätze aufgehoben sind.

Mit den Sätzen „Steh auf und geh! Dein Glaube hat Dir geholfen“ entläßt Jesus im Evangelium den für seine Heilung dankbaren Mann. Es stellt sich dabei die Frage nach der Bedeutung des Glaubens. Die Theologie unterscheidet zwei Aspekte des Glaubens. 

                Zum einen geht es um die Formulierungen, Ausdrucksweisen, Worte und Bilder wie sie im Glaubensbekenntnis festgeschrieben sind. Sie drücken in menschlichen Worten Inhalte des Glaubens aus. Diese werden immer neu hinterfragt und gedeutet. 

                Zum anderen  meint  Glauben den ganz persönlichen inneren Vollzug des Glaubens als Vertrauen. Dabei geht es nicht um die konkreten Formulierungen, sondern um das sich persönliche Einlassen und Sich-fallen-lassen  in das große Geheimnis des Lebens, das im Grunde alle unsere menschlichen Überlegungen übersteigt. 

                Jeder Mensch wie auch die geschaffene Natur und erst recht Gott selbst bleiben ein großes  positives Geheimnis. Sich in allem bewusst geborgen und aufgehoben zu wissen darf man Glauben nennen. 

                Das Glaubensbekenntnis mit seinen konkreten Formulierungen stammt bekanntlich nicht von Jesus, sondern entstand aus übereinstimmenden Überlegungen vieler gläubiger Gelehrten und Theologen. Sie beziehen sich auf die Lehre und das Beispiel Jesu, auf die biblischen Schriften des neuen und alten Testamentes und ihre eigenen persönlichen Erfahrungen und gottgewirkten Überlegungen.  

                Glauben bedeutet nicht einfach nur ein Für-wahr-Halten von Lehrsätzen, sondern ein Sich-Einlassen in eine umfassende Lebensbejahung. Jesus selbst ist unüberbietbares Beispiel dieser Bejahung des Lebens und der Menschen, über alle negativen Erfahrungen hinaus. 

                Lehrsätze und Ausdrucksformen des Glaubens haben ihre wichtige Bedeutung, um das unergründliche Geheimnis und den Sinn des Lebens zu deuten und wach zu halten. 

                Entscheidend aber bleibt das Urvertrauen, das dem Menschen von Gott her immer schon als Möglichkeit mitgegeben ist. Durch das Bedenken der biblischen Texte und die religiösen Feiern der Religion wird der Glaube als Vertrauen wach gehalten und immer neu vertieft und konkretisiert.                                   

                Der vom Aussatz geheilte Mann dankt Jesus für die Heilung. Jesus hingegen verweist ihn auf seinen eigenen vertrauenden Glauben, ohne den die heilende Zuwendung nicht zu ihrer Wirkung gekommen wäre. Vertrauender Glaube wirkt heilend bis in die Tiefe der Persönlichkeit inmitten aller negativen Erfahrungen, denen wir Menschen immer neu ausgesetzt sind. Es hat Auswirkung auf die alltägliche Lebensgestaltung und Lebensbewältigung.                                                                                       

Jeder Gegenstand, der in der Sonne steht, wirft einen Schatten. Auch der menschliche Körper. Dieser Schatten folgt uns, wohin wir auch gehen mögen. Man spricht auch im übertragenen Sinn von einem Schatten, der jeden ständig begleitet.  

                Was ist mit dem Schatten im übertragenen Sinn gemeint? Wir sprechen mit Recht davon, dass jede und jeder von uns viele gute Fähigkeiten und Veranlagungen hat, die uns zu wertvollen Menschen machen. Es sind die Lichtseiten in uns, durch die wir viel Gutes zu tun vermögen und Lebensfreude erleben und fördern. 

                Dann gibt es in uns aber auch die Schattenseiten. Das bedeutet, dass niemand vollkommen ist. Jede und jeder hat auch seine weniger guten und störenden Seiten. Sie sind unausweichlich in uns mitgegeben wie die vorteilhaften Seiten.  

                Es ist gut, wenn wir uns nicht nur auf die günstigen Seiten in uns besinnen, sondern versuchen, auch die schwachen Punkte in unserem Charakter und in unserer Persönlichkeit zu sehen. Je mehr wir bereit sind, das zu tun, desto stimmiger und „ganzer“ wird unser Leben. 

                Hier aber liegt das Problem der Selbstgerechtigkeit. Im Allgemeinen schauen wir lieber auf unsere lichten Seiten als auf unsere Schattenseiten. Dabei kann es sein, dass jemand von sich sehr eingenommen ist und absolut den eigenen Schatten nicht sehen kann und auch nicht sehen will. Wir sprechen dann von Selbstgerechtigkeit. Selbstgerechte verheimlichen und verdrängen ihren Schatten, d.h. ihre Schwächen und Einseitigkeiten. Diese können sogar ganz ins Unbewusste verdängt werden.  

                Jesus versucht immer wieder die Pharisäer auf ihren Schatten aufmerksam zu machen, was ihm aber nicht gelingt. Zu groß ist in ihnen die Abwehr. 

                Selbstgerechte Menschen haben es mit sich selbst nicht leicht, weil sie viel innere Energie aufwenden müssen, um immer wieder den eigenen Schatten zu verheimlichen oder zu überspielen. Es haben auch die anderen mit ihnen nicht leicht. Selbstgerechte sind sehr empfindlich und reagieren schnell beleidigt oder gar zornig, wenn man ihnen etwas Kritisches sagt und in die Nähe ihres Schattens kommt. 

                Häufig verdrängen wir besonders, dass wir alle nur kleine vergängliche Menschen sind, egal welche Position wir gesellschaftlich vielleicht einnehmen. Es begleitet uns oft eine unbewusste und uneingestandene Überheblichkeit. Damit schaden wir uns selbst und unseren Beziehungen.  

                Wenn Jesus im Evangelium von „Umkehr“ spricht, dann kann man das auch „Einkehr“ nennen. Sich besinnen nicht nur auf die lichten Seiten, sondern auch auf die verdrängten Schwächen und verheimlichten moralischen Fehlleistungen. 

                Das Eingestehen des Schattens macht heiler und ganzer. Beziehungen werden friedvoller und glücklicher. Es kann sich mehr von jener Stimmigkeit des Lebens einstellen, die von Gott her vorgesehen und möglich ist.            

                                                                                                                                                    

Man würde aus dem Munde Jesu nicht erwarten, was wir im Evangelium von ihm lesen: „Ich bin nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern Spaltung.“ Dazu fügt er eine Reihe von Beispielen an. Sonst lädt Jesus meist zu Fürsorge und Liebe ein, hier aber spricht er von aggressiven Haltungen. Wie kommt das? 

                Es ist uns oft nicht bewusst, wiesehr in unseren Beziehungen natürliche psychologische Gesetzmäßigkeiten wirksam sind. Von ihrem stimmigen Zueinander hängt ab, ob Beziehungen gelingen oder nicht. Man kann besonders von drei bestimmenden Elementen sprechen, die einigermaßen zueinander ausgewogen sein müssen. 

                Zunächst geht es in allen Beziehungen um das Element der Fürsorge und des Wohlwollens. Es ist wichtig grundsätzlich zu wollen, dass es dem anderen gut geht. Der oder die andere soll da sein und sich entfalten dürfen. Wo es möglich ist, trägt jeder in Wertschätzung zum Wohl des anderen bei. Dies entspricht dem, was liebende Fürsorge bedeutet. Ohne dieses Element kann keine Beziehung auf Dauer gut gehen.

                Zum anderen bedarf es aber auch des Elementes der Abgrenzung und Distanzierung. Jeder und jede ist eine eigene Persönlichkeit und muss sich als solche behaupten. Darin zeigt sich ein konkurrierender Aspekt. Zuviel Fürsorge allein kann  erdrücken und für den Umsorgten ein Gefängnis machen. Jeder und jedem muss Eigenständigkeit und Selbständigkeit zugestanden werden. 

                Kinder im Trotzalter zeigen massiv die von der Natur verlangte Abgrenzung. In ausgewogener Weise braucht es diese Abgrenzung lebenslang in allen Beziehungen. Dies kann manchmal auch Streit mit sich bringen. Mutlose und ängstliche Jasager verhindern eine lebendige und kreative Beziehung. Diesen wichtigen Aspekt der  Abgrenzung, die manchmal auch heftig sein kann, spricht Jesus im Evangelium an.

                Schließlich gehört zum Gelingen von Beziehungen auch das Element des Sich-Brauchens. Jeder braucht andere in vieler Hinsicht. Ohne die anderen könnte niemand leben und sich entfalten. Der Mann braucht die Frau und die Frau braucht den Mann. Eltern brauchen Kinder, um Eltern sein zu können und Kinder brauchen Eltern. Lehrer brauchen Schüler, Schüler brauchen Lehrer. Ärzte brauchen Patienten und Patienten brauchen Ärzte. Arbeitgeber brauchen Arbeiter und Arbeiter brauchen Arbeitgeber usw. In gewisser Weise sind wir alle Diener füreinander und brauchen uns gegenseitig. Jesus: „Der Größte unter Euch soll euer Diener sein.“ Sich dem Dienst für andere zu verweigern oder auch Dienste anderer für sich nicht anzunehmen, ist oft Zeichen von mangelhaftem  Selbstwert oder von Egoismus und Verschlossenheit. 

                Alle drei Elemente müssen zueinander ausgewogen sein, damit Beziehungen gelingen. Übertrieben Fürsorge allein kann erdrücken, übertriebene Abgrenzung führt zu ständigem Streit und andere nur für sich zu ge-brauchen entmenschlicht. Auf die Ausgewogenheit aller drei genannten Elemente kommt es an, damit Beziehungen gelingen. Jesus weiß darum.

Das ist die uralte Frage, die schon den frommen Ijob im Alten Testament und unzählige andere Menschen bis heute sehr beschäftigt.  Es gibt Fragen, die wir von unserem Blickwinkel aus mit unserem endlichen Verstand nicht letztgültig beantworten können.

            Beim Propheten Jesaja heißt es: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jes 55,9). Wir schaffen es nicht, alle Zusammenhänge in ihrem Sinn zu verstehen, weder das Zusammenspiel aller Naturgesetze, noch die Ereignisse in der Weltgeschichte, noch die unseres eigenen privaten Lebens.

            Es gibt und gab immer schon Naturkatastrophen. Es gab und gibt immer wieder rücksichtslose Überheblichkeiten von Menschen. Daraus können unglaubliche Bosheiten entstehen. Uns  Menschen zeichnen Verstand und Freiheit aus. Diese aber werden immer wieder auf schlimme Weise missbraucht.

            Unserem christlichen Denken entsprechend ist durch Gott der ganzen Schöpfung und dem Leben jedes Einzelnen ein unzerstörbarer positiver Sinn eingestiftet. Trotz aller nicht erklärbaren Widersprüchlichkeiten müssen wir uns auf ihn immer neu gläubig und vertrauensvoll einlassen.

            Leben in der Zeit ist uns zur Mitgestaltung aufgetragen. Zugleich ist es  Zeit der  Reifung und Bewährung. Das Vollkommene erwartet uns jenseits von Raum und Zeit. Wir fühlen uns oft sehr mächtig, sind aber dem Schicksal gegenüber letztlich ohnmächtig. Der wichtigste und zugleich schwierigste Satz im „Vater Unser“ ist wohl: „Dein Wille geschehe.“

Unser Papst Franziskus vergisst niemanden, besonders auch nicht die Seniorinnen und Senioren. Vor einem Jahr hat er den weltweiten besonderen Tag der  „Großeltern und Senioren“ eingeführt. Dieser Tag soll jedes Jahr am 4. Sonntag im Juli begangen werden. In diesem Jahr trifft er auf den kommenden Sonntag, 24. Juli. Zu diesem Anlass schreibt der Beauftragte für die Seniorenpastoral in unserer Diözese im Sonntagsblatt.

 

            Mögen am kommenden Sonntag Großeltern, Urgroßeltern und alleinstehende Seniorinnen und Senioren  unserer Diözese sich mit der großen Zahl von Senioren in unserem Land und der ganzen Welt verbunden wissen. Ganz besonders mögen sie auch an unseren guten Papst Franziskus denken, der – selbst Senior - gerade an diesem Tag für alle Senioren der Welt beten wird. Schon im ganzen Juli gilt sein besonders Gebetsanliegen den Seniorinnen und Senioren der Welt. Auch in den einzelnen Pfarrgemeinden möge in den Gottesdiensten der Großeltern und älteren Menschen in besonderer Weise gedacht werden.

 

Die Große Wichtigkeit von Großeltern und Senioren.

            Es steht außer Zweifel, dass die heutigen Erwachsenen, die Jugendlichen und Kinder sowie unsere ganze Gesellschaft, den Großeltern und Senioren unendlich viel zu verdanken haben. Was Senioren in ihrem Leben fürsorglich aufgebaut, gearbeitet und geleistet haben, kommt der heutigen erwachsenen und jungen Generation zugute. Das wird oft viel zu wenig bedacht.  Entsprechende Dankbarkeit bleibt oft auf der Strecke.

            Was die ältere Generation an Jüngere jeweils weitergibt,  betrifft nicht nur äußere wirtschaftliche und materiellen Dinge. Es betrifft besonders auch menschliches  Wohlwollen und liebender Zuwendung. Weitergegeben werden wesentlich auch geistige Werte, Lebenseinstellungen und die Erziehung. Es geht um das gute Beispiel und die Anleitung zu Fleiß und Ordnung, zu Religion und Kultur. Unendlich viel wurde und wird durch die Seniorinnen und Senioren in ihrem Leben den Jungen weiter vermittelt.

 

Nichts geht verloren.

            Nichts von dem, was von Menschen mühsam und ehrlich getan und geleistet wird geht verloren. Es bleibt eingestiftet und wirksam in der Welt und in den nächsten Generationen, ohne dass man das alles genau benennen und nachprüfen kann.

            Senioren dürfen in großer Dankbarkeit zurückschauen, was sie da und dort tagaus tagein für Ihre Familien, für ihre Kinder und Enkelkinder, für ihre Bekannten und Freunde, für Nachbarn, für die Kirche und die Dorfgemeinschaft alles getan haben und immer noch tun. Es lässt sich unmöglich alles aufzählen und doch ist es verborgene Realität, die weiterwirkt. Von jedem der Seniorinnen und Senioren könnte man viele Bücher schreiben, was sie Gutes eingebracht haben und weitergeht.

            Es gab und gibt Gesellschaften, in denen vor Entscheidungen immer auch der Rat der „Alten“ eingeholt wurde. Es gehört zu den Schattenseiten unserer Zeit und unserer Gesellschaft, dass heutzutage zu wenig auch die Erfahrung und Weisheit  der älteren Generation gehört und einbezogen wird. Das schadet leider insgesamt unserer Gesellschaft.   

 

 

Leben ist immer in Veränderung und Entwicklung.

            Das Leben ist ein großer Prozess und immer in Entwicklung. Dabei hängt immer alles mit allem zusammen. Lange nicht alles können wir in seinen Zusammenhängen begreifen und verstehen. In allem ist ein großes Ziel und ein tiefer positiver Sinn verborgen, die unser menschliches Verstehen übersteigen. Der tiefe Sinn in allem wird von dem garantiert, von dem alles in der Welt und wir selbst herstammen. In Gott führen alle Fäden zusammen.

            Auch Erfahrungen, die schmerzlich sind und uns manchmal sogar in die Gefahr der Hoffungslosigkeit bringen, haben ihre Bedeutung. Sogar Angelegenheiten, in denen wir uns schuldig gemacht haben, sind eingebettet in den großen positiven Zusammenhang der Schöpfung Gottes. Er schreibt auch auf krummen Linien gerade.

Beim Propheten Jesaia heißt es: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ (Jes 55,9).

Gerade die Tatsache, dass wir nicht alle Zusammenhänge in ihrer Positivität verstehen können, verlangt von uns vertrauensvollen Glauben.

            Vertrauensvoller Glaube an Gott hilft uns, alles etwas leichter anzunehmen. Solcher Glaube ist oft alles andere als leicht, aber notwendig und heilsam.

 

 

Es gibt Entwicklungsphasen in unserem Leben.

            Der christliche Philosoph Sören Kierkegaard (1813-1855) hat viel über das Leben und die menschliche Existenz nachgedacht. Von ihm stammt die interessante Überlegung, dass wir Menschen im Leben in drei Stadien durchwandern.

            Das erste Stadium nennt er das „ästhetische Stadium“ und meint damit die Zeit, in der  vor allem Jugendliche leben. Für sie ist die Welt und das Leben eine schöne offene Möglichkeit. Sie haben das Leben noch vor sich. Es ist offen was für einen Beruf sie wählen werden, wo sie endgültig wohnen werden, mit wem sie sich in eine Partnerschaft und Ehe einlassen werden usw. Alles schöne offene Möglichkeiten, verbunden mit viel Optimismus. Früher oder später aber muss der junge Mensch sich entscheiden. Er kann nicht ein Leben lang immer unentschieden bleiben und alles offen lassen.

            Das führt in das zweite Stadium. Kierkegaard nennt es das „ethische Stadium“ und meint damit: Wenn man sich für einen bestimmten Beruf, für eine bestimmte Partnerschaft, für einen bestimmten Weg entschieden hat, dann denkt der junge Erwachsene, er wird sich voll einsetze und alles gut und perfekt machen. Das kann oft lange gut gehen, aber früher oder später merkt dann jeder, dass alles nicht so vollkommen läuft, wie er es zuerst gemeint hat. In jedem Beruf, in jeder Ehe, in jeder Gemeinschaft gibt es nicht wenige Probleme. Dann stellen sind häufig Enttäuschungen und sogar Lebenskrisen ein.

            Dann ist es wichtig, in das dritte Stadium über zu gehen, das sich besonders im Leben des älteren Menschen einstellen kann und soll. Kirkegaard nennt dieses dritte Stadium „Religiöses Stadium“. In diesem Lebensabschnitt zeigt sich meist jene Reife, in der jemand sagt: Ich habe versucht mein Leben gut zu leben, aber es ist nicht alles gelungen. Es war Gelungenes und Nicht-Gelungenes, Gutes und weniger Gutes, auch Trauriges und Schuldiges. Ich will alles so lassen wie es gewesen ist. Ich vertraue darauf, Gott, der Herr des Lebens und der Schöpfung, wird alles in seinem Sinn zum Guten führen. 

            Daraus erwächst dem älteren Menschen viel Ruhe und Gelassenheit. Er freut sich dankbar über sein Leben und nimmt auch die auftauchenden Schwächen des Alters zuversichtlich an. Soweit es  möglich ist, bleibt er in irgendeiner Weise aktiv, ohne noch zu viel zu wollten. In allem Auf und Ab weiß er sich geborgen bei dem, von dem das Leben stammt und zu dem wir alle ein Leben lang unterwegs sind.

            Möge der Tag der „Großeltern und Senioren“ in uns die Weisheit und Haltung des Vertrauens und der hoffnungsvollen Zuversicht stark werden lassen und unsere Gelassenheit und Lebensfreude stärken. 

Josef Torggler

Mit dem Beispiel vom „barmherzigen Samariter“ betont Jesus, wie wichtig Fürsorge, Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft zwischen Menschen sind. Was wäre die Welt ohne gegenseitige Hilfsbereitschaft und Solidarität?

            Wie überall geht es aber um das rechte Maß, das Zuviel oder Zuwenig. Zuviel an Fürsorge und Hilfsbereitschaft kann gesundes Leben behindern. Empathie und Einfühlung sind sehr wichtig, es kann aber auch zu viel werden und zwischenmenschliche Beziehungen problematisch machen.

            Wenn z. B. Eltern ihre heranwachsenden Kinder in vermeintlich guter Absicht  übertrieben umsorgen und ihnen nichts zumuten, dann können Kinder nicht selbständig und autonom werden. Entsprechendes gilt, wenn Eltern auf Ungehorsam der Kinder mit Liebesentzug reagieren. Kinder bleiben dann oft ein Leben lang unselbständig und vermögen nicht ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie leiden dann häufig unter unangemessenen Schuldgefühlen, wenn sie sich da oder dort durchsetzen sollten. Darunter leiden dann sie selbst und ihre späteren Beziehungen.

            Beziehungen zwischen Ehepartnern, zwischen Eltern und Kinder, zwischen Lehrern und Schülern, zwischen Ärzten und Kranken, zwischen Therapeuten und Klienten usw. bedürfen des Wohlwollens, aber auch der abgrenzenden Distanz.  

            Übertriebene Empathie, Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft kann Ausdruck menschlicher Schwäche werden. Es entsteht der Mangel an Kraft und Mut, die eigenen Interessen zu vertreten. Das geht zumeist auf die Dauer nicht gut.

            Man spricht auch von „hilflosen Helfern“. Damit sind Menschen gemeint, die den ganzen Sinn ihres Lebens nur im Helfen sehen. Nur im Helfen fühlen sie sich wertvoll. Sie können schlecht ertragen, dass es im Leben naturgemäß auch Probleme und Leiden gibt, die wir uns selbst und anderen zumuten müssen. Ein Arzt darf sich die Krankheiten seiner Patienten nicht zu viel zu Herzen nehmen, sonst wird er selbst krank.

            Es geht darum, bei aller lobenswerten Hilfsbereitschaft auch die eigenen Wünsche und Interessen zu sehen und zu leben. Helfen allein ist nicht alles, was zum Ganzsein des Menschen gehört.

            Jesus selbst hat viel geholfen, er hat aber auch seine eigenen Interessen gelebt und vertreten, wenn er sich z.B. allein in die Wüste, an den See oder auf den Berg zurückgezogen hat. Seinen Mut zu sich selbst hat er in der heftigen Distanzierung zu den mächtigen Pharisäern gezeigt. Diese andere Seite des Lebens benennt er in der Aussage: „Ich bin nicht gekommen den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“

            Neben aller Fürsorge braucht es immer auch eine gesunde Portion innere Distanzierung und Selbstbehauptung. Sogar Streit kann dabei manchmal notwendig sein. Wie in der Natur, so gibt es auch in der Psyche Gesetzmäßigkeiten, die in ihrer Ausgewogenheit gesehen und gelebt werden müssen.

Josef Torggler

Unter den zahlreichen künstlerischen Darstellungen der göttlichen Dreifaltigkeit gibt es in einer kleinen Kirche in Oberbayern (Urschalling) ein Bild aus dem 13. Jahrhundert, auf dem der Hl. Geist zwischen Gottvater und Christus eng beisammen in der Mitte als freundliche junge Frau dargestellt ist. Ein Kommentar dazu sagt: „Gott  heilige Geistin“ ist Leben spendende und Leben bewegende Kraft der Welt.

            Dreiheit spielt in unseren Erfahrungen eine große Rolle: Die Zeit zeigt sich als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In der menschlichen Person sprechen wir von Körper, Geist und Seele. Die lebendige Natur besteht aus Pflanzen, Tieren und Menschen. Ein Baum hat Wurzeln, Stamm und Äste. Eine Familie besteht aus Vater Mutter, Kind(er), u.a.m. Immer stehen drei eigenständige Größen in Beziehung zueinander und bilden eine Einheit.

            Das eine, unergründliche Geheimnis Gottes stellt sich uns in der christlichen Religion in menschlichen Vorstellungen dar als Vater, Sohn und hl. Geist. Gott als Vater wird als der Schöpfer und Erhalter von allem verstanden. Im Sohn Jesus Christus offenbart sich Gott den Menschen und versöhnt alles Widersprüchliche der Welt durch göttliche Liebe. Gott als hl. Geist ist die alles verbindende Kraft, die sowohl in den Menschen wie im Ganzen der Schöpfung wirksam ist und letztgültig alles zum Gelingen und zur Vollendung führt.

             Die Dreiheit einer Familie (Vater Mutter, Kind) lässt an die Vorstellung der göttlichen Dreifaltigkeit denken. Es ist verständlich, dass man am liturgischen Dreifaltigkeitssonntag auch an die Familie erinnert und dieser Sonntag auch den Familien gewidmet ist. In der göttlichen Dreifaltigkeit herrscht natürlich höchste Einheit und Harmonie.

            Wenn man an eine Familie denkt, so ist auch dort harmonisches gegenseitiges Einvernehmen wichtig, damit es jedem in der Familie gut geht. Unter unseren menschlichen Bedingungen ist dies aber nicht immer einfach. Unter eigenständigen Menschen sind Konflikte nicht so ohne weites vermeidbar.

            Es gibt in einer Familie immer wieder neue Herausforderungen. Konflikte, die auch wieder Lösungen finden, sind durchaus normal und gehören zu einer lebendigen Familie. Allerdings können ungelöste oder nicht lösbare Konflikte leider manchmal auch zum Bruch einer Familiengemeinschaft führen.

            Menschliche Beziehungen bedürfen der bewussten Achtsamkeit im Umgang miteinander. Nicht als ob gewisse Konflikte und manchmal auch Streit schon eine schlechte Ehe oder Familie bedeuten. Wohl aber bedarf es immer wieder der Bereitschaft  zu Ausgleich und Versöhnung.

            Unser Papst Franziskus hat einmal ganz einfach gemeint: Gute Beziehungen, besonders auch in der Familie, brauchen drei Dinge: Bitte, Danke und Entschuldigung  sagen.  Für das Gelingen von Beziehung und Kommunikation sind diese drei sicher  immer wieder hilfreich.                                                                   

Josef Torggler

Der letzte Satz im Evangelium vom 4. Sonntag in der Osterzeit ist einfach und zugleich bedeutungsvoll. Jesus sagt: „Ich und der Vater sind eins.“ Diese Aussage ist in vieler Hinsicht zu bedenken. Sie betrifft das Verhältnis Jesu zu Gott, den er „Vater“ nennt und hat Bedeutung für uns und alles Geschaffene.

            Zunächst will Jesus wohl sagen, dass sein eigener Wille und der Wille seines Vaters übereinstimmen. Im Ölgarten betet er in jener äußerst schwierigen Situation: „Nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine.“ Im Vater-Unser-Gebet heißt es: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ Der Mystiker Meister Eckhart formulierte sogar: „Mein Wille und Dein Wille werde ein einziger Wille.“

            Sich mit dem Willen Gottes, d.h. mit den nicht verstehbaren Fügungen des Lebens in Einklang zu setzen, ist oft alles andere als einfach.  Und doch liegt darin die innere Befreiung und Er-lösung. Dies aktiv und bewusst nachvollziehen zu lernen ist lebenslange Aufgabe.

            „Ich und der Vater sind eins“ darf man aber auch in anderer Hinsicht  verstehen. Das Sein und Dasein Jesu ist ganz mit dem tiefsten göttlichen Grund des Lebens verbunden. Dies gilt für Jesus als Mensch und gilt für alle Menschen. Alles was existiert hat im Tiefsten seine Existenz aus der einen schöpferischen Kraft Gottes. Dies  nicht nur am Anfang, sondern in jedem Moment. Jederzeit ermöglicht Gottes schöpferische Macht  alles in seinem Dasein und in seiner Entwicklung. Alles was ist, steht so gesehen, mit ihm in elementarer Verbindung, ob wir daran denken oder nicht.

            Eine weitere Überlegung: Vielheit setzt Einheit voraus. Die vielen Zahlen setzen logisch die Eins voraus und sind immer auf die Eins bezogen. Die Vielheit der Dinge sind auf den einen Ursprung bezogen und dadurch auch untereinander in Verbindung. Sie bilden zusammen eine riesige Einheit. Wir sprechen vom Uni-versum, das alle Planeten, Sterne und Milchstarassen umschließt. Im ganzen Universum aber funktioniert alles nach  einheitlichen gleichen Naturgesetzen, die ihrerseits auf ein tieferes Zusammenspiel hin zu hinterfragen sind.

            In uns  Menschen zeigt sich das Streben nach Einheit in der tiefen Sehnsucht nach Liebe, Frieden und guter Gemeinschaft. Ein mächtiger Drang treibt den Menschen immer neu zu ekstatischer, körperlicher Vereinigung, wovon sogar der Fortbestand der Menschheit abhängt. Wo immer Menschen sich von den Mitmenschen und der Natur achtlos und rücksichtslos absondern, ereignet sich das, was Sünde bedeutet. Bisweilen sogar in unglaublicher brutaler Heftigkeit.

            Im Alltag muss jeder und jede sich in der je eigenen begrenzten Weise den jeweiligen Aufgaben verantwortungsvoll zuwenden. Bei allen Aktivitäten und Erfahrungen ist das Vertrauen in jenen Existenz und Sinn stiftenden Seinsgrund Gottes wichtig. Jesus drückt es für sich aus mit dem Satz: „Ich und der Vater sind eins.“

 Josef Torggler

In den 1970ger Jahren erschien in der Schweiz vom Theologen und damaligen Dominikanerpater Gonsalv Meinberger ein Buch mit dem provozierenden Titel: „Jesus starb - umsonst.“ Der Autor meinte wohl, die Welt ist seit Jesu Tod nicht besser geworden. Es gibt weiterhin Krankheit, Naturkatastrophen, Unfälle, Hunger und das Sterben.

            Die Welt ist aber vor allem auch in moralischer Hinsicht nicht besser geworden. Es gibt weiterhin wirtschaftliche und politische Ungerechtigkeiten. Es gibt weiterhin Bosheiten und Unmenschlichkeiten und sogar schreckliche Kriege. Durch die technischen Möglichkeiten sind die Auswirkungen der Bosheiten und Ungerechtigkeiten noch viel größer geworden.

            In Zusammenhang mit den aktuellen Problemen unserer Zeit sagte letzthin jemand zu mir im Stiegenhaus: „Gesù morì per niente.“

            Der Autor jenes Buches ist wohl der Meinung, dass Gott unabhängig vom Tod Jesu am Kreuz vorher und nachher verzeihende Barmherzigkeit walten lässt. Nicht erst seit Jesu Tod. Davon sprechen viele Texte des alten Testamentes, z. B. der Psalm 30. 

            Es darf wohl auch die Frage gestellt werden: War es angemessen, dass Jesus sich damals sosehr gegen die religiösen und politischen Führer auflehnte? Das hat ihm das Leben gekostet. Hätte es nicht einen anderen Weg gegeben? Aber es war sein besonderer, ihm bestimmter Weg. Bis in unsere Zeit wiederholt sich immer das gleiche: Direkte und radikale Kritiker an politischen und religiösen Autoritäten büßen oft mit dem Entzug der Freiheit oder gar mit dem Tod.

            Einen anderen Weg ist José Mario Bergoglio gegangen. Als damals in Argentinien ein brutales Militärregime herrschte, hat er sich eher zurückgehalten. Zahlreiche Kritiker der äußerst ungerechten Staatsführung wurden eingesperrt, gefoltert und getötet. Auch Priester.

            Wenn J. Bergoglio SJ sich damals als Oberer im Jesuitenorden und als Bischof bei seinen Verhandlungen nicht vorsichtig verhalten hätte, hätten wir heute nicht diesen beispielhaften Papst Franziskus. Auch jetzt ist er oft gezwungen, klug und zurückhaltend zu bleiben gegenüber seinen Kritikern.

            Jesus starb nicht umsonst. Er bezeugt gegen alle Ungerechtigkeiten in der Welt die unbedingte, wohlwollende Gegenwart Gottes indem er sie real in seinem Verhalten erlebbar und sichtbar macht.

            Aus seiner innersten Verbundenheit mit  Gott, dem tiefsten Grund allen Lebens, vermag Jesus sogar in der äußersten negativen Situation denen zu verzeihen, die an ihm schuldig geworden sind. Er überwindet Böses durch verständnisvolle Liebe. Ein unüberbietbares Beispiel für innere Größe und überlegene, umfassende Liebe. Er bezeugt damit den befreienden Weg für uns alle.

            Als auferstandener Christus wünscht er den Jüngern mehrmals: „Friede sei mit Euch!“ Dieser Friede, „den die Welt nicht geben kann“, ergibt sich aus der inneren gläubigen Verbundenheit mit dem, der alle bedrückenden Gegensätze der endlichen Welt überwindet.

Katastrophen wiederholen sich: Ukraine.

 

            Es gibt Naturkatastrophen und es gibt Katastrophen, die von Menschen gemacht werden. Beide Formen von Katastrophen wiederholen sich immer wieder in der Geschichte. Katastrophen sind Ereignisse, die das Leben oder die Lebensräume von Menschen bedrohen oder gar zerstören.

            Für die Betroffenen entsteht daraus ein gewaltiges Leiden: Zerstörungen, Verletzte, Verluste, Angst, Trauer, Heimatlosigkeit und sogar vielfacher Tod.

            Naturkatastrophen sind wir eher bereit hinzunehmen. Viel schlimmer sind  Katastrophen, die von Menschen herbeigeführt werden. Im Gedicht “Lied von der Glocke“ sagt der Dichter F. Schiller: „Der schrecklichste der Schrecken,das ist der Mensch in seinem Wahn.“

            Wenn ein mit Macht ausgestatteter Mensch unter selbstherrlichen und machthungrigen Wahnvorstellungen leidet, kann er durch seine planende Vernunft weit Schlimmeres anstellen als es Naturereignisse oder Tiere tun könnten. Die Geschichte kennt immer wieder rücksichtslose und wahnhaft ehrgeizige Machthaber.

            Die Technik hat heutigen Menschen unheimliche Waffen und Möglichkeiten in die Hand gegeben. Wenn Respekt und Rücksicht auf Menschen verloren gehen, kann damit unglaubliches, zerstörerisches Unrecht getan werden. Technische Fähigkeiten ohne mitmenschliche Moral können zu fürchterlichen Katastrophen führen.

            Der Ruf nach Frieden für die Ukraine und die dortigen Menschen ist weltweit groß. Möge es möglichst bald nach allem Leid und aller Zerstörung dort zu neuem Frieden kommen.

         Im Religionsunterricht der zweiten Klasse Oberschule behandelten wir das Thema: „Die Frage nach Gott.“ Ein Schüler meldet sich und sagt: „Mein Papi sagt immer, er glaubt nur was er sieht.“ Ich antworte dem Schüler: „Frag heute beim Mittagessen deinen Papi, ob er schon einmal seinen Verstand gesehen hat.“ Die ganze Klasse lacht. Ich sage zum Schüler: „Ich will auf keinen Fall deinen Papi blamieren, aber so einfach ist das alles nicht.“ Mit der Klasse war ich dann mitten im Thema.

            Wir nehmen die Welt über unsere Sinne wahr: Hören, Sehen, Tasten, Riechen usw. Dabei müssen wir feststellen, dass unsere Sinneswahrnehmungen immer nur innerhalb einer begrenzten Bandbreite bleiben. Gewisse Tiere sind uns mit ihren Sinnen weit voraus. Aber auch sie haben nur begrenzte Wahrnehmung. Diese Beobachtung sagt: Was wir mit den Sinnen wahrnehmen können, ist noch lange nicht die ganze Wirklichkeit.

            Auch unser Verstand ist in gewisser Weise ein Organ, das mit Vorstellungen, Begriffen, Logik, Zahlen und Reflexion arbeitet. Auch mit dem Verstandesorgan können wir logisch-begrifflich lange nicht alles erfassen und verstehen, was es gibt. Auch wer viel weiß oder zu wissen meint, bleibt in seinem Erfassen weit hinter dem zurück, was in der materiellen und geistigen Welt alles gegeben ist.

            Uns bleibt zunächst nichts anderes als der Welt zu begegnen, wie sie eben sinnlich wahrzunehmen ist und daraus gedanklich Schlussfolgerungen zu ziehen. Das hilft uns die Welt zu gestalten, zu leben und zu überleben.

            Wir dürfen es uns dabei aber nicht zu einfach machen. Unsere Sinne und unser Denken reichen im Grunde bei allen Leistungen nicht sehr weit. Das wollen wir uns meist nicht gerne eingestehen.

            Jeder von uns setzt im Alltag immer eine Menge von nicht erkannten und nicht erforschten Gesetzmäßigkeiten voraus. Wer kennt schon alle Naturgesetze, die in seinem Körper und in seiner Umgebung überall am Werke sind? Etwa z. B. beim Atmen oder beim Autofahren usw.

            Auch Forscher und Wissenschaftler setzen „gläubig“ voraus, dass in dem, was sie erforschen, eine große Ordnung herrscht. Andernfalls hätten sie keine Chance. Aller materiellen Welt liegen die Naturgesetze, d. h. geistige Prinzipien zugrunde. Von da aus ist es nicht unangebracht oder gar unsinnig auf einen großartigen geistigen Ordner zu schließen. Wir sagen zu recht: Aus Nichts wird Nichts.

Wie aus heiterem Himmel kam Ende Februar die Nachricht vom militärischen Angriff Russlands bzw. Putins auf den Staat Ukraine. Täglich hören wir in den Nachrichten von massiven Zerstörungen durch russische Truppen und von mutiger Verteidigung der Bürger der Ukraine.

            Über die Menschen in der Ukraine ist größtes Leid herein gebrochen. Viele haben bereits ihr Heim verloren und sind gezwungen zu fliehen. Viele fliehen in entlegene Gegenden des Landes und sehr viele ins Ausland. Familien werden leidvoll auseinander gerissen. Gott sei Dank finden in den europäischen Staaten Flüchtlinge bereitwillige Aufnahmen. Aber auch das ist mit vielen Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden.

            Zusammen mit der Enttäuschung über diese kriegerischen Ereignisse verbindet sich auch in unserem Land bei jung und alt Unsicherheit, Trauer, Sorge und Angst, manchmal auch Wut und Zorn. Es gibt auch die Sorge, dieser kriegerische Konflikt könnte sich weiter ausbreiten. Teuerungen in verschiedenen lebenswichtigen Bereichen melden sich an, die vor allem weniger bemittelte Menschen betreffen.

            Möge in der Ukraine möglichst bald wieder einigermaßen Friede und Normalität einziehen. Die Geschichte zeigt, dass auch nach noch so großen Konflikten und Verlusten sich doch wieder ausgleichende Lösungen einstellen. Die Apokalypse sagt: Auch wenn der Drache des Bösen noch so schlimm sein mag, Sieger bliebt das Lamm, d. h. Menschlichkeit und Gerechtigkeit.

Von Zeit zu Zeit gibt es im Leben ganz besondere beeindruckende  Erfahrungen. Man kann sie Grenzerfahrungen nennen. Das sind Erlebnisse oder Ereignisse, die unter die Haut gehen. Es können überwältigende Glückserlebnisse sein oder auch außergewöhnliche schwere und bedrückende Erlebnisse.

            Zu bedrückenden Grenzerfahrungen kann man eine schwere Krankheit zählen, einen plötzlichen Unfall, den Verlust eines lieben Menschen, plötzliche Naturkatastrophen, berufliche oder private Misserfolge, persönliche Verletzungen  oder Verleumdungen, unvorhergesehene Streitsituationen oder gar der Ausbruch eines Krieges, wie wir es zurzeit erleben.

            Positive Grenzerfahrungen können sein die Freude über die Geburt eines Kindes, der Erfolg einer schwierigen Arbeit, eine bestandene wichtige Prüfung, die Genesung nach schwerer Krankheit, die Begegnung mit einem besonderen Menschen, die  Erfahrung von Liebe und Verliebtheit. Grenzerfahrung kann ein Berggipfelerlebnis sein, besonders in Zusammenhang mit einem Sonnenaufgang. Auch ein plötzliches Verstehen von Kenntnissen und Lebenswahrheiten kann eine solche Grenzerfahrung sein. Nicht zuletzt gibt es auch intensive religiöse Erfahrungen.

                        Wegen ihrer Intensität bleiben Grenzerfahrungen oft ein Leben lang in prägender Erinnerung. Genzerfahrungen sind wichtig. Sie führen zu intensiverem Wahrnehmen und differenzierterem Nachdenken. Ohne sie würde unser Leben oberflächlich und alltäglich bleiben. Junge Leute suchen oft absichtlich Grenzerlebnisse, die nicht immer ungefährlich sind.

            Das Evangelium des Sonntags spricht von einer Grenzerfahrung, welche die Jünger mit Jesus auf dem Berg machen. Es geht ihnen plötzlich die Großartigkeit der Person Jesus auf. Sie sehen ihn in strahlendem Licht. Diese Erfahrung berührt sie bis in ihr Innerstes, sodass Petrus sogar für immer dort bleiben und in dieser Erfahrung verharren möchte. 

            Die äußerste Grenzerfahrung, die wir alle machen werden, ist die unausweichliche Erfahrung des Sterbens. Dabei verlassenwir die oft auch bedrückende Enge dieses raumzeitlichen Lebens. Unser innerstes  Sein geht über – so sagt der christliche Glaube – in die für uns nicht vorstellbare unmittelbare Begegnung mit dem auferstanden Christus bzw. in die Helle des Lichtes Gottes. Auf ihn hin sind wir schon jetzt in allem zeitlichen Suchen nach Wahrheit, Schönheit, Gerechtigkeit und Gutheit bezogen.

Leben allgemein ist immer in Bewegung, Veränderung und Entwicklung. So auch wir Menschen.  Solange wir leben ändern und verändern wir uns, äußerlich und innerlich. Ein Kind wird ein Jugendlicher, dann einen Erwachsener und schließlich ein älterer und alter Mensch. Niemand kann sich diesem Lebensprozess der äußeren Veränderung entziehen.

            Wir verändern uns aber auch innerlich. Durch unsere vielen Aktivitäten, Arbeiten, Beziehungen, Erlebnisse und Erfahrungen ändern sich unsere Lebenssicht und unsere Lebenseinstellung, unser inneres Sein. Oft zum Besseren manchmal auch eher zum Schlechteren.        

            Kinder zeichnen sich aus durch Spontaneität, Vertrauen und Anhänglichkeit. Jugendliche zeigen im Allgemeinen Lebensfreude und optimistische Erwartungen dem Leben gegenüber. Erwachsene werden realistischer und sachlicher und normalerweise bereit, für vieles Verantwortung zu tragen.

            Der ältere Mensch kann auf unendlich viele Erfahrungen zurückschauen, auf viel Gelungenes und Schönes, aber auch auf weniger Gelungenes und oft auch Trauriges. Er überblickt vieles. Dadurch wird der ältere Mensch im Allgemeinen gelassener und dem Leben und den Mitmenschen gegenüber verständnisvoller.

            Das Äußere in uns verändert sich ohne viel eigenes Zutun. Das Innere hängt zu einem Teil von unseren charakterlichen Anlagen und den uns umgebenden Umständen ab. Zu einem großen Teil aber wird das Innere geprägt durch unsere freien und bewussten Entscheidungen. Auch wenn vieles Schicksal ist, so hängt doch Wesentliches,  von uns selbst ab. Wir sind zu einem großen Teil selbst für uns verantwortlich. Es heißt im Volksmund sogar: Jeder ist seines Glückes Schmied.

            Die sogenannten Seligpreisungen Jesu im Evangelium formulieren indirekt ein Lebensprogramm. Es werden gute und ungute Einstellungen einander gegenüber gestellt. Sie haben einen „menschlichen“ Menschen im Auge. Einen Menschen, der nicht sich selbst oder etwas Vorläufiges in der Welt zum Maas aller Dinge macht.

            Die Seligpreisungen verweisen auf ein Menschsein, das inmitten vieler erfahrener  Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten zuversichtlich, bewusst und achtsam bleibt.

Sie umschreiben ehrliches und bedachtes menschliches Leben, wie es im Grunde jedem zugedacht und als Lebensprogramm mitgegeben ist.

            Daran sich zu orientieren möge nicht vergessen werden. Solange wir leben ist dies Aufgabe und Herausforderung. Entfernung und Entfremdung von unserer inneren Bestimmung führen früher oder später zu Enttäuschung oder gar zu Verzweiflung. Vor solcher Heillosigkeit will Jesus uns durch die Bergpredigt bewahren.

Vieles im Leben ist für unsere Wahrnehmung zunächst nicht sichtbar. Dazu gehören Gefühle, Gedanken, Motive, Lebenseinstellungen, Pläne, Träume, Wertmaßstäbe und anderes mehr. Sie kommen erst durch Worte und Handlungen zum Ausdruck und werden bekannt.

            Auch der wirkliche Wert jedes Menschen ist uns nicht immer genug bewusst. Bei der Einschätzung von Menschen haben wir oft sehr vordergründige und oberflächliche Maßstäbe. Dabei wird anderen oft Unrecht angetan. Bei unseren Einschätzungen sind wir sehr davon abhängig, was andere sagen und was die Gesellschaft zurzeit gerade als wichtig und vorteilhaft betrachtet.

            Religion will Verborgenes sichtbar und erlebbar machen. Dabei sind Worte wichtig, aber oft nicht ausdruckstark genug. Es braucht auch Bilder, Zeichen, Symbole und Gleichnisse. Diese Ausdrucksformen gehen tiefer als das, was nur Worte und Begriffe ausdrücken können. Jesus selbst und die Bibel verwenden häufig bildhafte Ausdrucksformen.

            Religion und Glaube sind besonders auf Bilder, Symbole und symbolische Handlungen angewiesen. Es geht um Wahrheiten, die den Menschen in seiner elementaren Existenz betreffen. Es bedarf dabei der Fähigkeit und Bereitschaft, sowohl Worte wie auch das nicht in Worten Ausgedrückte wahrzunehmen. Andernfalls bleiben sowohl Worte  wie auch Zeichen und Symbole nur äußerlich, ohne tiefere Bedeutung.

            Vor allem übersteigt Gott selbst alle unsere Worte und Vorstellungen. Von ihm können wir nur in Symbolen und Bildern sprechen. Symbolische Ausdrucksweisen aber gehen tiefer und sind umfassender als eingrenzende Worte und Begriffe. Symbolische Aussagen gehen nicht ins Leere, sondern verweisen auf Wahrheiten und Realitäten.

            In der christlichen Religion gehören die Sakramente zu den symbolischen und zeichenhaften Handlungen. Das Evangelium spricht von der Taufe Jesu. Die Taufe als Grundsakrament will zum Ausdruck bringen, dass jedes Kind nicht nur ein Kind von Menschen, sondern ein Kind Gottes ist. Kind Gottes zu sein aber bedeutet, dass niemand je aus der liebenden und bergenden Hand Gottes herausfallen kann. Jeder ist einmalig und von Gott her unendlich wertvoll.

            Taufe sagt, jeder Mensch ist in ein sinnvolles Ganzes hineingeboren.  Jedem ist ein bedeutungsvoller Sinn in seinem Leben mitgegeben. Dieser bleibt erhalten in allen Lebenssituationen, sogar über das zeitliche Leben hinaus. Das Wohlwollen Gottes zum Menschen bleibt bestehen, was immer im Leben geschehen mag. Selbst Schuld kann diese Wahrheit nicht aufheben.

            Diese oft nicht genug bedachte Wahrheit im Zeichen und Wort der Taufe zu feiern und als Realität gläubig zu bedenken vermag dem Menschen Sicherheit zu geben und unbedingten Mut für das Leben in der Zeit und darüber hinaus.

Der Meraner Künstler und Autor Matthias Schönweger hat kürzlich in einem Radiointerview folgenden Satz gesagt: „Es gibt weiße und schwarze Schafe. Ein guter Hirte ist farbenblind.“

            In diesem Ausspruch steckt eine große Weisheit. Für den Hirten ist es nicht wichtig, wie ein Schaf aussieht. Er schätzt und liebt alle seine Schafe und sieht darüber hinweg, ob sie schwarz oder weiß sind.

            Wir Menschen beurteilen einander oft zu viel nach Äußerlichkeiten, nach äußerem Verhalten, nach Leistungen und gesellschaftlicher Stellung usw. In echten Beziehungen zu anderen geht es nicht um das Äußere, sondern um die Großartigkeit des jeweiligen Menschen. Jeder und jede ist als Mensch unendlich wertvoll und zu schätzen. Aussehen und Verhalten sind zweitrangig. Jeder und jede ist einmalig und etwas Besonderes. Jeder und jede verdient unsere ganze Achtung und Ehrfurcht, unsere Wertschätzung und unser Wohlwollen.

            Leider gibt es viel zu oft oberflächliche Beurteilungen und kritische Abwertungen. Dabei verletzen wir uns oft einander und fügen uns gegenseitig Unrecht zu.

            Wir stehen in der Adventszeit. Sehr bald ist schon wieder Weihnachten. Es ist das Fest, das zum Ausdruck bringt, dass Gott sich unterschiedslos allen in Liebe zuwendet. In diesem Sinn ist Gott „farbenblind“ wie jener Hirte. Jedem wendet er sich in Jesus mit viel Wohlwollen und Liebe zu. Es kommt auf uns an, dass wir es annehmen und uns auch selbst bemühen, großherzig und menschenfreundlich zu sein wie er. 

Der 3. Sonntag im Advent wird im liturgischen Kirchenjahr „Gaudete-Sonntag“ genannt. Das lateinische Wort „gaudete“ heißt „Freut Euch“.  Die Frage ist, warum und worüber mögen wir uns freuen? Zunächst geht es natürlich um das bereits nahe Weihnachtsfest, um das Erinnerungsfest der Geburt Jesu, auf das wir uns freuen mögen.

               In einem tieferen Sinn geht es darum, dass wir überhaupt in unserem Leben optimistisch und guter Dinge sein mögen. Mit dem „gaudete“ muss nicht laute äußere Freude gemeint sein, sondern ruhige zuversichtliche innere Freude. Freude über unser Dasein und alles, was uns umgibt. Über unser Leben, über die Menschen, mit denen wir es zu tun haben, über unsere privaten und beruflichen Aktivitäten und Möglichkeiten. Es muss nicht immer etwas ganz Besonderes sein. Im Alltäglichen und Einfachen können wir durch unsere Achtsamkeit ruhige Freude erleben.

               Leider gibt es vieles, das gerade auch in unserer Zeit Freude beeinträchtigt. Da wird jemand sagen: Schau Dir unsere heutige Welt an. Kann man sich da wirklich freuen? Vieles geht drunter und drüber. Angefangen bei dieser weltweiten Pandemie, die vielen Angst macht, Familien und Gemeinschaften spaltet, Ärzte, Pflegende und andere Berufe  sehr herausfordert.  Da sind die Menschen in der Quarantäne und vor allem die schwer Erkrankten, die oft viel leiden.

               Und dann die vielen groben Unstimmigkeiten im Kleinen wie im Großen. Das große Flüchtlingsproblem, der Hunger so vieler Kinder und Erwachsener.  Die großen politischen und gesellschaftlichen Probleme in vielen Ländern. Vieles in der  Welt ist tragisch und heilsbedürftig.  

               Wenn wir es recht bedenken, dann hat es in der Geschichte der Menschheit nie eine Zeit gegeben, in der äußerlich alles in Harmonie und in Ordnung war. Immer und zu jeder Zeit gab es so oder anderes  große Probleme. Es ist nicht richtig zu meinen, dass nur unsere Zeit eine schwierige ist.

               Gerade mitten in allen Schwierigkeiten ist es wichtig, sich auf das Positive  zu besinnen. Wie manches Negative so ist auch das Positive uns näher als wir oft meinen. Es gilt, immer auch auf das Gelungene und Gute zu achten. Bei allen Schwierigkeiten war in der Geschichte letztlich immer das Positive wirksamer und mächtiger als alles Negative und Traurige. Wo wir können, mögen wir selbst zum je Besseren beitragen.

               Die Adventszeit und das Weihnachtsfest, auf das wir zugehen, wollen unseren Blick auf das Positive lenken und in uns Zuversicht wecken. Es erinnert uns nachdrücklich daran, dass nicht das Negative und Schwere die Übermacht hat, sondern letztgültig das Bessere und Gute. Dies gilt für die Zeit und darüber hinaus. Gott selbst ist Garant dafür, indem er sich in Christus wohlwollend der Welt und jedem von uns zuwendet

Wenn wir an einer Tankstelle Treibstoff tanken, denkt kaum jemand daran, dass all der viele Treibstoff  von vermoderten Pflanzen und Tieren einer früheren Welt stammt. Niemand weiß, wie die Welt damals ausgesehen hat als es unvorstellbare Mengen von Pflanzen und Tieren gab, aus denen so viel ölige Flüssigkeit entstanden ist, die wir heute aus der Erde herausholen. Diese damalige Welt von Tieren und Pflanzen ist total versunken und vergangen. Wir wissen soviel wie nichts darüber. 

Im Evangelium heißt es: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Dass Zeiten, Menschen und auch Kulturen sowie alles Materielle vergehen, ist unsere tägliche Erfahrung. Physiker und Astronomen wissen sogar vom Vergehen und vom neuen Entstehen von Sternen. 

Wer denkt heute in unserem schönen Land daran, dass die Täler Südtirols vor ca. 15000 Jahren bis hoch hinauf mit Eis bedeckt waren. Gletscher haben die Täler ausgeschliffen. Dabei gab es gewaltige Veränderungen.

Auch wenn immer alles im Vergehen begriffen ist, so bleibt doch die Schöpfung selbst, oder wie wir oft verkürzt sagen, die universale Natur erhalten. Werden und Vergehen geschieht immer innerhalb der Schöpfung und der Natur. Die Schöpfung bzw. die Natur zeigt und manifestieren sich in immer neuen vergänglichen Formen und Gestalten. Es ist wichtig zu überlegen: Veränderung, bedeutet nie absolute Vernichtung, sondern immer nur Übergang in etwas Anderes. Alles ist im ständigen Prozess des Vergehens und Neuwerdens.

Wir sorgen uns heute mit Recht um die Umwelt, um die Zerstörung unserer  Lebensbedingungen auf der Erde. Seit in neuester Zeit die vielfältige Technologie auf den Plan getreten ist, geraten unsere Lebensbedingungen viel schneller als früher unter die Räder. Bei aller Wertschätzung des technischen Fortschritts kommen auch dessen Schattenseiten massiv zum Vorschein. Die Konsequenzen der problematischen Seite der Technologie sind nicht aufzuhalten.

Einsicht und  Vernunft, aber auch Politik und Umweltschützer schaffen es nicht zu bremsen. Das triebhafte Veranlagen nach Mehr, Schneller, Bequemer hat seine Konsequenzen. Die von Natur aus gegebene unstillbare Neugierde treibt die Forschung der Wissenschaften voran und unser Gestaltungstrieb treibt unaufhaltsam die Technik an. Der Mensch selbst ist Teil der Natur und wirkt in der Natur. Die ethische Vernunft und unser Wille sind zu schwach, um Triebhaftes zu steuern. Die Natur scheint den Menschen zu benützen, um ihre intendierten Veränderungen zu beschleunigen. Wo es letztgültig hinführen wird und was daraus Neues entsteht, entzieht sich unserem Wissen und Planen.

Mögen wir auch das nicht aufhaltbare Vergehen bedauern und darunter leiden, so bleibt doch alles eingebettet in einem nicht überschaubaren sinnvollen Ganzen. Es bleibt die universale Natur und es bleibt vor allem jener sinnstiftende Herr des Lebens, von dem alles durchwaltet und ermöglicht wird. Es bleibt und wirkt weiterhin das Wort der Bibel: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott....Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ Dieses Wort als schöpferische Tat bleibt über alle Veränderungen hinweg bedingend und sinnstiftend für immer bestehen.

Normalerweise ist Hören für uns eine Selbstverständlichkeit. Der physiologische Vorgang des Hörens aber ist ein unerforschtes Wunder. Das Trommelfell nimmt beim Vorgang des Hörens nur Schwingungen wahr. Es bleibt wohl für immer ein Geheimnis, wie wir nur aufgrund von Schwingungen vermittelt durch das Gehirn den Sinn eines Wortes und den Sinn eines ganzen gesprochenen Satzes verstehen können. 

Manche sagen, nicht hören zu können sei schlimmer als nicht sehen zu können. Gehörlose können leicht, misstrauisch werden, weil sie vieles, das sie sehen, nicht recht deuten können. Auch kann für sie besonders Vereinsamung ein Problem werden. Hören ist wichtig für unsere menschlichen Beziehungen und auch für unsere alltägliche Sicherheit.

Wenn es um Gespräche geht, ist bei allem guten Hören notwendig, sich auf die andere Person und den Inhalt des Gehörten einzulassen. Oft hören wir über das hinweg, was andere uns sagen wollen und gehen nicht darauf ein. Für gelingende Kommunikation ist achtsames Hinhören und entsprechende Reaktion notwendig.

Es gilt der Spruch: Wer selbst viel redet, erfährt wenig. Bei Jugendlichen ist angeblich in letzter Zeit in der Schule die Fähigkeit für aufmerksames Zuhören stark zurückgegangen. Nach Gründen und Folgen wäre zu suchen.

Die von Papst Franziskus eben initiierte weltweite Bischof-Synode steht unter dem Motto „Hören“. Der Papst meint, in der Kirche ist viel von oben her geredet und bestimmt worden. Jetzt geht es darum, von unter her zu hören, was Menschen denken und welches ihre Anliegen sind in Zusammenhang mit Kirche und Religion. Sie mögen auf das Wort Gottes, auf die Überlieferung und ihre eigene innere Stimme hören.

In allen Diözesen der Welt möge man jung und alt zu Wort kommen lassen. Auf das Gehörte soll in der Leitung der Kirche eingegangen werden. Ein ganz neuer Wind in der Leitung der Kirche. Die Absicht ist erfreulich, die Realisierung aber wird in der weltweiten Kirche nicht einfach sein.

Es kann aber auch beispielgebend sein für die kleineren Einheiten wie Diözesen und Pfarrgemeinden und sogar für Schulklassen. Hören und darauf eingehen bleibt Voraussetzung für das Gelingen von Gemeinschaften. 

Wir haben schnell unsere üblichen Vorstellungen von reich und arm bereit. Dabei denken wir zumeist an Besitz und Geld. Tatsächlich gibt es natürlich in diesem Sinne Reiche und Arme. Unter den „Armen“ ist zu unterscheiden zwischen denen, die nicht so viel wie andere besitzen, aber doch durchaus genug zum Leben haben und denen, die tatsächlich hungern oder sogar an Hunger sterben. Hunger ist eine äußerst große Herausforderung in unserer Zeit.

                        Über diese übliche Einstufung aufgrund des Besitzstandes hinaus gibt es eine ganz andere Sichtweise: Wenig bemittelte Leute können sehr reich sein und Wohlhabende können oft sehr arm sein. Dies gilt, wenn man nicht auf den äußeren Besitzstand schaut, sondern auf die innere Lebenseinstellung.

            Es hat immer Menschen gegeben und es gibt sie auch heute, die wenig haben und doch sehr zufriedene, dankbare, optimistische und lebensfrohe Menschen sind. Ebenso erlebt man auch, dass wohlhabende Menschen oft großzügige, hilfsbereite, dankbare, umsichtige und mitteilsame Menschen sind.

            Die innere wirkliche Qualität eines Menschen hängt nicht einfach von seinem äußeren Besitz oder vom Bankkonto ab. Diese innere Größe aber ist nicht so einfach zu beurteilen. Sowohl materiell Reiche wie Arme können es versäumen, die inneren menschlichen Wert zu pflegen und leben.

            Entscheidend wichtig ist, nichts zu verabsolutieren und nichts zu seinem Götzen zu machen. Das können materielle Güter sein, das können aber auch Ideen, Pläne und Gedanken sein. Festgefahrene Meinungen und Sturheit, bei denen sich jemand als etwas Besonderes und reich fühlt, können sehr schlimm sein. Davor sind weder Arme noch Reiche gewappnet. Manchmal sogar auch nicht Personen, die äußerlich Armut und Besitzlosigkeit versprochen oder gelobt haben.

            Der Jüngling im Evangelium fragt: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Die Antwort Jesu betrifft nicht einfach nur materielle Güter, sondern betrifft unausgesprochen besonders auch jene innere Haltung von Eigensinn, Selbstgerechtigkeit, Stolz und psychischen Abwehrformen. Selbstherrlicher Eigensinn im Denken und Handeln sind schwere Hindernisse für das Gelingen von Beziehungen und für das Gelingen des eigenen Lebens.

            Zum „Gewinnen“ des Lebens in Zeit und Ewigkeit gehört nicht einfach nur das Loslassen können von Besitztümern, sondern besonders auch das Loslassen verabsolutierter Meinungen und Ideen. Dies kann sogar viel schwerer sein als das Loslassen von materiellen Gütern. 

            Es geht um das Freisein von inneren Zwängen und Versklavungen. Es geht um das  Finden der inneren Freiheit, hin zu offener Haltung von Vertrauen und Liebe. Das ist entscheidend für das Eingehen in das „ewige“ bzw. geheilte Leben, das sich nicht erst nach dem Tod, sondern bereits im Hier und Jetzt beginnend ereignen soll.

Wir möchten alle gerne eine möglichst vollkommene und heile Welt haben. Wenn wir nicht von der Idee einer gelungenen und vollkommenen Welt geleitet wären, dann würden wir unseren verschiedenen Aktivitäten nicht nachgehen. Wir würden uns nicht für je Besseres, Gelungeneres, Gerechteres, Sinnvolleres und Schöneres einsetzen. Das betrifft alle Bereiche des Lebens.

            In der Realität erleben wir jeweils viel Gutes und Gelungenes, dann aber immer wieder  auch Schwieriges und Problematisches. Mehr als uns lieb ist, ist Leben oft auch ein „Kreuz“.  Jeder hat seinen eigenen Weg zu gehen über Höhen und Tiefen. Das anzunehmen ist die große Kunst des Lebens.

            Im Evangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern, er werde leiden müssen unter der Macht der religiösen und politischen Führer. Er werde sogar getötet werden, aber nach drei Tagen werde er auferstehen. Jesus ahnt deutlich was ihm bevorsteht, weiß aber auch um den Sinn seines Lebens- und Schicksalsweges. Im Wissen um seine Berufung geht er seinen äußerst schweren Weg. Einen Weg, der mit viel Unverständnis und sogar mit blinder Bosheit anderer zu tun hatte.

            Der Apostel Petrus hört die Worte Jesu und argumentiert menschlich sehr verständlich indem er sagt: „Das soll mit Dir nicht geschehen“. Er will Jesus von Leiden und Bosheit der anderen bewahren. Darauf hin weist Jesus ihn mit äußerst schroffen Worten ab, indem er sogar den Satan ins Spiel bringt. Jesus steht zu seiner Berufung und zu seinem Weg inmitten dieser unvollkommenen Welt.

            Man darf diese Haltung Jesu als Hinweis verstehen, dass jeder sein je eigenes Leben leben muss. Niemand kommt dem Leiden in dieser Welt ganz aus. So oder anders, früher oder später, mehr oder weniger trifft es jeden, wenn auch – Gott sei Dank – zumeist nicht in der Intensität, in der es Jesus getroffen hat.

            Soweit es immer möglich ist, mögen wir Leiden unbedingt vermeiden und lindern. Das Unvermeidbare aber möge uns nicht entmutigen oder gar in die Verzweiflung treiben. Wir mögen uns bemühen und versuchen, es aktiv anzunehmen und daran innerlich zu wachsen.

            Man kann beobachten: Menschen, die viel gelitten haben sind oft sehr großartige Personen mit viel Verständnis und Wohlwollen gegenüber anderen. Es zeigt sich in ihnen menschliche Größe und Reife. Ihr Bewusstsein hat sich sehr geweitet. Allerdings gibt es nicht selten auch Verhärtung und das tragisches Zerbrechen angesichts großen Leidens an der Unvollkommenheit des Daseins in der Welt.

            Sein unvermeidbares „Kreuz“ anzunehmen und bewusst zu durchleben, kann tatsächlich zu innerer verständnisvoller Reife und in einem tieferen Sinn zu gelungenem und friedvollem  Leben führen. Ohne Leiden zu verherrlichen, darf man sagen: Der Weg durch diese unvollkommene Welt bleibt immer schwierig und je neu eine Herausforderung. Er erweist sich aber als Weg der Reifung in der Zeit und darüber hinaus.

Es ist uns oft nicht genug bewusst, dass jeder von uns ein einmaliges, großartiges und wunderbares Wesen ist. Jeder hat dem Gesicht nach ein eigenes Aussehen. Von den sieben Milliarden Menschen auf der Erde gibt es nicht zwei, die ganz gleich aussehen. Jeder hat seinen eigenen Fingerabdruck. Jeder hat seine ganz eigene Stimme. Jeder hat seine ganz eigenen einmaligen Erbanlagen bis in jede Körperzelle hinein.

Jeder verfügt über besondere Stärken und Fähigkeiten, hat aber auch seine gesundheitlichen und charakterlichen Schwächen. Jeder hat seine ganz eigene  Lebensgeschichte mit seinen Eltern, Lehrern, Bekannten und Freunden.

Jeder sieht und erlebt die Welt und das Leben auf seine je eigene Weise. Wo ich gerade stehe oder sitze, dieser Ort ist einmalig in diesem Haus, einmalig in Südtirol, einmalig auf der Erde und einmalig sogar im ganzen kosmischen Universum. Entsprechend seinem Standpunkt und seiner Lebensgeschichte hat jeder seine besondere Lebenseinstellung.

Man könnte noch vieles aufzählen, das die Einmaligkeit und Großartigkeit eines Menschen ausmacht. Wir mögen uns selbst und niemand anderen gering schätzen, sondern das Wertvolle in uns selbst und in jeder und jedem anderen erkennen. Das ist besonders auch für unseren Umgang mit Kindern und Jugendlichen wichtig. 

Bei aller einmaligen Großartigkeit, die uns und jedem anderen geschenkt ist, müssen wir uns  zugleich bescheiden. Wir müssen uns aktiv und bewusst einordnen in die Gemeinschaft der Mitmenschen, in unsere besondere Lebensgeschichte und in die Verbundenheit mit der Natur. Wir sind alle Teil des großen Lebens und des Universums. Wir sind bewundernswerter Teil der Schöpfung, aber nicht der Schöpfer selbst.                                                                         

Josef Torggler

Jesus sagte einmal: „Mit dem Leben ist es so, wie wenn ein Bauer Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst, und der Bauer weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht.... Sobald die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.“ (Mk 4,26-34) Ja, so ist es. Unsere Tage und Jahre vergehen und es ist unendlich Vieles, was in der Zeit geschieht, was wir tun und erleben.

            Dazu ist zu bedenken: Was immer jemand in der vergänglichen Zeit durchlebt und erarbeitet, es geht nichts verloren. Was wir als Kinder, als Jugendliche und später als Erwachsende erlebt und getan haben, es hat alles seine bleibende Bedeutung. Alle Erfahrungen bleiben gespeichert in uns und bestimmen unsere Persönlichkeit bis in hohe Alter.

            Vieles können wir in unserer Erinnerung wieder herholen und erzählen, viel mehr aber bleibt in unserem Unbewussten verborgen. An manches von früher erinnert man sich plötzlich erst im Alter wieder. Alle Kleinigkeiten des Lebens, die schönen und die nicht schönen Dinge sind in uns aufgehoben und beeinflussen unser Denken und Handeln. Es hat nicht nur Bedeutung für uns persönlich, sondern es beeinflusst bleibend so oder so auch die Welt und die Umwelt.

            Was in der flüchtigen Zeit sich ereignet, hat Bedeutung über die jeweilige Zeit hinaus. Die Bibel sagt: „In alles hat Gott die Ewigkeit hineingelegt.“ (Koh 3,1-3). Alles hat seine Bedeutung in der Zeit und über die Zeit hinaus.

Wenn Jesus von „Brot“ spricht, „das vom Himmel kommt“ , dann ist das natürlich im übertragen Sinn gemeint. Wie wir Brot und Speise zum Leben brauchen, so brauchen wir mitten in dieser oft widersprüchlichen, zerstrittenen, ungerechten  und entfremdeten Welt dringend ein „Brot“, das tiefer ansetzt und über alles hinaus weist. „Brot“ betrifft unsere innere Einstellung zu allem.

            Unsere westliche Welt ist gekennzeichnet von technologischem Fortschritt auf allen Ebenen. Dieser Fortschritt, der viele Erleichterungen und Vorteile für das alltägliche Leben und die Gesundheit bringt, zeigt gleichzeitig z.T. erschreckende negative Auswirkungen. Technische Veränderungen, die wir „Fortschritt“ nennen, haben Veränderungen in der Natur und im Denken der Menschen zur Folge. Sie nehmen verbunden mit handfesten Wirtschaftsinteressen nicht genug Rücksicht auf elementare Ordnungen, die der Natur selbst und unserem Verhältnis zu ihr innewohnen.

            Der Wissensdurst und die Lust am technischen Machen kommen im Menschen nicht zur Ruhe. Technische Intelligenz ist im letzten Jahrhundert und vor allem in den letzten Jahrzehnten explodiert, die moralisch-ethische Intelligenz hingegen hält mit der technischen nicht Schritt. Das schafft uns große Schwierigkeiten z. B. was die Umwelt- und Klimaveränderung angeht. Ihre bedrohlichen Folgen bekommen wir an vielen Stellen als Naturkatastrophen zunehmend zu spüren.

            Diese beobachteten Veränderungen sind allerdings nicht nur auf menschliche Einflüsse zurückzuführen. Harmonische Veränderungen sind mit der Natur selbst gegeben. Die Zielsetzungen der Technisierung sind aber oft zu kurzsichtig und die Vorgangesweisen berücksichtigen zu wenig die Harmonie des Ganzen.

            Wir leben immer von der Hoffnung auf Besseres. Aber auch Fachleute bezweifeln, ob wir mit noch mehr neuer Technik die negativen Folgen der Technisierung in den Griff bekommen. Die hochgepriesenen Elektroautos z. B. sind durchaus nicht die Lösung, sondern bringen neue große Probleme. Es besteht kaum Hoffnung, dass Zerstörung der Lebensumwelt trotz aller Besprechungen und Warnungen aufzuhalten sein wird.

            Mitten in aller Begeisterung für den vermeintlichen „Fortschritt“ klingt es fast naiv, die Worte Jesu und auch vieler anderer heranzuholen. Es geht dabei um die Erinnerung an Menschlichkeit, an friedvolles Umgehen miteinander, um Dankbarkeit und Einfachheit. Es geht um die Freude an der Schönheit und Ordnung der Natur und die Rücksicht auf sie.     

            Zur Botschaft Jesu und zu dem, was für ihn „Brot für tieferes, ewiges Leben“ bedeutet, gehört die aktive und positive Bereitschaft, sich der Vergänglichkeit  zu stellen, auch wenn sie vom Menschen selbst verschuldet vorangetrieben wird. Bewusstes und gelassenes Bejahen und Annehmen der unvermeidlichen Vergänglichkeit, setzt im Glauben logisch den voraus, von dem die Natur und alles Vergängliche stammt und zu dem wir ein Leben lang unterwegs sind. Im eucharistischen Brot werden wir je neu daran erinnert.

Mit dem Seniorenwelttag soll laut Bestreben des Papstes das Miteinander der Gene-rationen nach der Coronapandemie wiederbelebt werden – für Seniorenseelsorger Josef Torggler ein guter Ansatz, denn „Einsamkeit ist für viele Senioren immer ein Thema.“

Wie bewerten Sie die Einführung dieses neuen kirchlichen Welttages für ältere Menschen?

Josef Torggler: Anfang 2020 gab es auf Initia-tive von Papst Franziskus in Rom den ersten weltweiten Kongress für Seniorenseelsorge. Im Februar dieses Jahres hat er den neuen kirchlichen „Welttag für Großeltern und ältere Menschen“  eingeführt. Dieser Tag soll immer am vierten Sonntag im Juli begangen werden. Die Einführung dieses wichtigen Gedenktages ist natürlich sehr erfreulich.
 
Der neue Welttag soll, so ein Gedanke des Papstes, dazu beitragen, das soziale Leben langsam wieder aufzunehmen. Wie erleben Ihrer Erfahrung nach die älteren Menschen diese Zeit des Aufatmens nach der Krise?

So richtig können die Senioren und Seniorinnen leider immer noch nicht aufatmen. Vielen fehlen die regelmäßigen Treffen in den Seniorenclubs. Wenigstens gibt es die Gottesdienste.
 
Die Coronakrise hat die Einsamkeit vieler verstärkt. Der Papst wünscht sich in seiner Botschaft, dass jeder ältere Mensch den Besuch eines „Engels“ erhält. Ist das Problem der Einsamkeit nach wie vor groß?

Einsamkeit ist für viele Senioren immer ein Thema. Man muss jüngere Leute immer wieder daran erinnern, dass sie auf irgendeine Weise  Kontakte mit bekannten und verwandten Senioren und Seniorinnen pflegen sollten.
 
Über die Berufung eines älteren Menschen sagt der Papst, dass sie die Wurzeln zu bewahren, den Glauben an die Jungen weiterzugeben und für die Kleinen zu sorgen hätten. Wie wichtig sind Großeltern vor allem für die Weitergabe des Glaubens?

Zwischen Großeltern und Enkelkindern besteht normalerweise ein inniges Verhältnis. Besonders Großmütter geben Kindern auch religiöses Wissen weiter und beten mit ihnen. Jüngere Großeltern aber haben manchmal zunehmend selbst nicht mehr genug Kontakt zur Religion.  

In unserer Diözese wird am 25. Juli der Christophorussonntag begangen. Könnte dies dazu beitragen, dass  der neue Aktionstag untergehen könnte?

Ich denke nicht. Im vergangenen Jahr hat gerade die Caritas am Caritassonntag dazu aufgerufen, ältere und einsame Menschen nicht allein zu lassen.  

Martina Rainer

Die biblische Formulierung „unreine Geister austreiben“ klingt für heutige Menschen provozierend. Wenn jemand zu einem Menschen, der körperlich oder psychisch-geistig schwer krank ist sagen würde, „du bist von bösen Geistern oder gar vom Teufel besessen“, dann wäre das eine große Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit. Mir ist bekannt, dass ein solches Urteil eine Frau sogar in den Tod getrieben hat, weil sie diese Aussage über sich nicht ertragen konnte.

            Vor 2000 Jahren hat man nichts gewusst von wuchernden Krebszellen, nichts von Vitaminmangel und Stoffwechsel, wenig von zu hohem Blutdruck oder von der Funktion der Schilddrüsen usw. Man hat nicht geahnt, wovon neurotische und oft auch schwere psychotische Störungen ausgelöst werden können. Man konnte sich nicht vorstellen, was dabei im Körper geschieht und was in den Gehirnzellen dabei vor sich geht. Obschon Medizin und Psychologie heute unglaublich viel über störende Zusammenhänge im Körper und in der Psyche wissen und vieles heilen können, bleibt natürlich auch heute nach wie vor vieles unbekannt.

            Krankheiten aller Art, auch unheilbare und tödliche, gehören zu unserem endlichen und vergänglichen Leben. Ohne jede Krankheit und gesundheitliche Störung kommt niemand durchs Leben. Wir wissen nicht, warum es die einen so trifft die anderen anders, die einen oft viel schwerer als andere. Das ist ein Geheimnis wie vieles andere im Leben.

            Auch Jesus hat dazu keine letzte Antwort gegeben. Wohl aber wendete er sich Kranken und Hilfe suchenden zu. Es wird von wunderbaren Heilungen durch Jesus gesprochen. Dabei hat er Menschen nicht für immer geheilt, denn irgendwann sind natürlich alle äußerlich wieder erkrankt und gestorben. Der inneren Persönlichkeit nach aber dürften sie „gesund“ geblieben sein.

            Auffallend ist, dass Jesus nicht Massenheilungen vorgenommen hat. Bei jeder Heilung wendet er sich immer einer bestimmten Person in großer Achtsamkeit zu. Gerade diese menschliche, wohlwollende, unbedingte Zuwendung dürfte in einem ganzheitlichen Sinn für die jeweilige Person heilende Wirkung gehabt haben.

            In der unmittelbaren Begegnung  mit der großartigen Persönlichkeit Jesu, erleben Menschen ihr Leben in einem anderen Licht und gewinnen neues Selbstverständnis. In der Begegnung mit ihm erleben sie von Gott her ein tieferes inneres „Heilsein“, das sich auf Körper, Geist und Psyche auswirken kann. Die biblische Bezeichnung „Geisteraustreibung“ ist ein hilfloser Ausdruck dafür, was wir an der Wirksamkeit der Persönlichkeit Jesu nicht verstehen können.

            Neben allen wichtigen medizinischen und lebenskundigen Hilfen bleibt wohlwollende Zuwendung von Person zu Person bei allen Heilungsprozessen nach wie vor von großer Bedeutung. Sie ist mehr oder weniger immer mitgegeben, wenn Angehörige, Ärzte, Krankenschwestern, Psychologen und Privatpersonen sich kranken Menschen heilend und heilsam zuwenden.

Josef Torggler

Die Leidengeschichte Jesu ist eine Geschichte von Gräueltaten. Von der Gefangennahme im Ölgarten, über die Geiselung und Folterung, die ungerechte Verurteilung, der Kreuzweg und die unvorstellbare Grausamkeit der Kreuzigung. Sogar am toten Körper anstelle der vorgesehenen Zerschlagung der Beine ein Stich in das Herz zum Beweis seines Todes.

            Es ist zunächst eine besondere Geschichte, geschehen an der Person Jesu. Leiden, Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten sind aber nach wie vor Aktualität. Es gibt durch die ganze Geschichte bis heute unglaubliche Schwierigkeiten, die nicht einfach aus der Natur stammen, sondern durch Menschen verursacht werden. Man muss mehr als dankbar sein, wenn man selbst einigermaßen in gerechten und menschlichen Verhältnissen leben dar.

            Es drängt uns immer danach, vernünftige Gründe und Sinnzusammenhänge für alles zu erkennen und zu verstehen. Viele Ereignisse und Zusammenhänge menschlicher Handlungen und Erfahrungen aber bleiben für uns im Dunkeln. Unser Wesen ist auf Einsicht, Logik und Verständnis ausgerichtet, die uns aber in vieler Hinsicht nicht möglich sind. Gerade die Tatsache, dass wir vieles von dem, was geschieht nicht verstehen können, macht alles noch schwerer.

            Zu den Grausamkeiten unserer Zeit kann man z. B. die gewaltsamen Konflikte und Kriege in manchen Ländern zählen, das Unrecht, das viele Kinder erleiden, die Demütigungen und Vergewaltigungen von Frauen, Folterungen und Elektroschocks in Gefängnissen, Vertreibungen aus der eigenen Heimat bis hin zu alltäglichen psychischen und physischen Gewalttätigkeiten zwischen Menschen in allen Gesellschaften, u.v.a.m.

            Wir sprechen in der christlichen Religion davon, dass die Welt durch Jesus Christus und sein Leiden erlöst wurde. Erlöst wurde sie keinesfalls in dem Sinn, dass Gräueltaten und Unmenschlichkeiten aufgehört hätten. Bei aller erfolgreichen  Bemühung vieler um eine menschlichere Welt zeigt sich neben sehr viel Gutem trotzdem auch unglaublich viel Böses und Unmenschliches.

            Das Heil scheint nicht einfach im Äußeren herzustellen zu sein, sondern betrifft wohl vielmehr die innere Einstellung zum Leben mit seinen widersprüchlichen und gegensätzlichen Fakten und Tatsachen. Diese innere Haltung gilt es an der Person Jesus Christus zu sehen und nachzuvollziehen.

            Er zeigt ein starkes und reifes inneres Bewusstsein, das ihm eine umfassende Sicht des Lebens und der Welt ermöglicht. Seine innere „Herzensgesinnung“ und seine gelebte Verbundenheit mit dem über allem stehenden Herrn des Lebens und der Schöpfung ist das Entscheidende. Dies hilft ihm auch höchste negative Erfahrungen ohne Rachegefühle oder Verzweiflung zu bestehen.

            In seinem Inneren überwindet er das Böse, das ihm widerfährt durch umfassende Einsicht und Liebe. Seine Sicht weist über alle endliche und konfliktvolle  Begrenztheit des Lebens hinaus.

Josef Torggler

Es ist unglaublich, was Menschen bis heute technisch alles erreicht und verändert haben. Die technische Intelligenz der heutigen Menschen explodiert geradezu, wenn wir etwa an die Computer-Technologie denken und was damit alles machbar geworden ist. Wir fragen uns, wie konnten die Menschen in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden überhaupt leben, ohne die technischen Möglichkeiten, die uns heute selbstverständlich zur Verfügung stehen.

Staunend über den äußeren technischen Fortschritt darf man fragen, wie es mit der inneren  Seite der Menschen steht. Haben wir uns auch innerlich in charakterlicher, ethischer, sozialer, psychologischer und mitmenschlicher Hinsicht weiter entwickelt? Sind die Menschen unserer technisch großartigen Zeit auch „bessere“ Menschen geworden? Sind die großen Fragen nach Sinn und Ziel heute besser geklärt? Hat das Innere mit dem Fortschritt des Äußeren Schritt gehalten?

Wir werden sagen müssen: Wie früher gibt es auch heute viel Neid, Eifersucht, Streit, Lügen, Betrügereien, Ungerechtigkeiten und sogar Gewalt und leider auch Kriege, in denen ganze Städte zerstört werden. Es gibt Undankbarkeit, Unzufriedenheit, Sucht nach Mehr, Unersättlichkeit, aber auch  Lebensangst und Zukunftsangst.

Bestimmte Techniken können sogar in den Dienst großer Bosheiten gestellt werden. Der Neandertaler hatte nur einen Knüppel als Waffe, wir haben Drohnen und Atombomben. Umweltzerstörung ist zu einem neuen großen Thema geworden. Auch der Corona-Virus hätte sich ohne die technischen Verkehrsmittel nicht über die ganze Welt ausgebreitet. Ein Philosoph meinte, ständige Arbeit mit Maschinen, macht den Menschen selbst zu einer gefühllosen Maschine.

Ein alter, gut informierter und kluger Priester sagte zu mir anfangs der 1970er Jahre als es noch keine Handys gab: „Du wirst sehen, schon bald hat jeder einen kleinen Apparat in der Tasche und jeder kann jederzeit mit jedem in Kontakt treten. Aber glaube ja nicht, dass sich die Menschen untereinander deshalb besser verstehen und glücklicher sein werden.“ 

Bei aller vorteilhaften, zugleich aber auch gefährlichen Technisierung der Welt, bleiben wir psychisch und charakterlich bedürftige Menschen. Wir müssen auch heute an uns selbst und unseren Beziehungen arbeiten, um einigermaßen zu recht zu kommen. Einsichten kluger Menschen von früher und heute, wie besonders auch die Weisheiten der Bibel  bleiben wichtig.

Im Johannes-Evangelium sagt Jesus: „Wie mich der Vater geliebt hat, so liebe ich euch. Bleibt in meiner Liebe....Wenn ihr Euch an meine Lebensanweisungen haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben....Liebt (und achtet) einander, wie ich euch geliebt habe.... damit meine Freude in euch ist und eure Freude vollkommen wird.“  Solche und andere Sätze bleiben besonders auch in der technisierten Welt von großer Wichtigkeit.

Josef Torggler

Im Religionsunterricht der zweiten Klasse Oberschule behandelten wir das Thema: „Die Frage nach Gott.“ Ein Schüler meldet sich und sagt: „Mein Papi sagt immer, er glaubt nur was er sieht.“ Ich antworte dem Schüler: „Frag heute beim Mittagessen Deinen Papi, ob er schon einmal seinen Verstand gesehen hat.“  Die ganze Klasse lacht. Ich sage zum Schüler: „Ich will auf keinen Fall Deinen Papi blamieren, aber so einfach ist das alles nicht.“ Mit der Klasse war ich dann mitten im Thema.

Wir nehmen die Welt über unsere Sinne wahr: Hören, Sehen, Tasten, Riechen usw.  Dabei müssen wir feststellen, dass unsere Sinneswahrnehmungen immer nur innerhalb einer begrenzte Bandbreite bleiben. Gewisse Tiere sind uns mit ihren Sinnen weit voraus. Aber auch sie haben nur begrenzte Wahrnehmung. Diese Beobachtung sagt: Was wir mit den Sinnen wahrnehmen können, ist noch lange nicht die ganze Wirklichkeit.

Auch unser Verstand ist in gewisser Weise ein Organ, das mit Vorstellungen, Begriffen, Logik, Zahlen und Reflexion arbeitet. Auch mit dem Verstandesorgan können wir logisch-begrifflich lange nicht alles erfassen und verstehen, was es gibt. Auch wer viel weiß oder zu wissen meint, bleibt in seinem Erfassen weit hinter dem zurück, was in der materiellen und geistigen Welt alles gegeben ist.

Uns bleibt zunächst nichts anderes als der Welt zu begegnen, wie sie eben sinnlich wahrzunehmen ist und daraus gedanklich Schlussfolgerungen zu ziehen. Das hilft uns die Welt zu gestalten, zu leben und zu überleben.

Wir dürfen es uns dabei aber nicht zu einfach machen. Unsere Sinne und unser Denken reichen im Grunde bei allen Leistungen nicht sehr weit. Das wollen wir uns meist nicht gerne eingestehen.

Jeder von uns setzt im Alltag immer eine Menge von nicht erkannten und nicht erforschten Gesetzmäßigkeiten voraus. Wer kennt schon alle Naturgesetze, die in seinem Körper und in seiner Umgebung überall am Werke sind? Etwa z. B. beim Atmen oder beim Autofahren usw.

Auch Forscher und Wissenschaftler setzen „gläubig“ voraus, dass in dem, was sie erforschen, eine große Ordnung herrscht. Andernfalls hätten sie keine Chance. Aller  materiellen Welt liegen die Naturgesetze, d. h. geistige Prinzipien zugrunde. Von da aus ist es nicht unangebracht oder gar unsinnig auf einen großartigen geistigen Ordner zu schließen. Wir  sagen zu rechte: Aus Nichts wird Nichts.                                                                                                                                    

Josef Torggler

Nicht nur Landwirte und Bauern freuen sich jetzt im Frühjahr wieder, alles keimen und blühen zu sehen. Bei aller Freude steht für die Bauern damit aber auch wieder viel mühevolle Arbeit an. Entscheidend wichtig bleibt das Wachstum in der Natur.

Ein noch so guter Arzt kann nichts machen, wenn es in einem kranken Menschen nicht die inneren heilenden Kräfte gäbe. Auch Landwirte sind ganz und gar auf die elementaren Kräfte der Natur angewiesen. Die Natur selbst aber ist ein großartiges, lebendiges System, das genauen Gesetzen folgt. Es bleibt absolut notwendig, sich stets an die vorgegebenen Naturgesetze zu halten, damit sich gewünschte Erfolge einstellen. 

Wie in einem menschlichen Körper, so gibt es auch allgemein in der Natur kleine  und große Störungen. Es sind nicht Strafen Gottes, sondern Folgen innerer logischer Zusammenhänge in der Natur. Nicht wenige sind allerdings auch auf  unbedachtes menschliches Handeln zurückzuführen.

Der Mensch selbst gehört zur Natur und ist ihr absolut untergeordnet. Woher aber bezieht die Natur ihre Großartigkeit? Logik und Lebenserfahrung sagen: „Aus Nichts wird Nichts.“ Die Großartigkeit der Natur setzt einen noch großartigeren Ordner und Schöpfer voraus.

Man kann so tun, als ob es ihn nicht gäbe. Er lässt uns trotzdem leben. Für bewusste Menschen aber ist es angemessen,sich nicht nur von der Natur, sondern auch von dem dankbar beschenkt zu wissen, der hinter allem Wachstum und allen Naturgesetzen steht.                                                                                  

Josef Torggler

Wir nehmen die Welt über unsere Sinne wahr: Hören, Sehen, Tasten, Riechen usw.  Dabei müssen wir feststellen, dass es viel mehr gibt, als wir nur mit unseren Sinnen feststellen und erfassen können. Unsere Sinneswahrnehmungen bleiben immer nur innerhalb einer begrenzte Bandbreite. Es gibt viel mehr als wir sehen können, es gibt viel höhere und tiefere Töne als wir hören können, mehr Gerüche als wir riechen können usw. Gewisse Tiere sind uns da voraus, aber  auch sie haben ihre Grenzen. Diese Überlegung sagt: Was wir mit den Sinnen wahrnehmen können, ist noch lange nicht die ganze Wirklichkeit.

            Auch unser Verstand ist in gewisser Weise ein Organ. Auch mit dem Verstandesorgan können wir lange nicht alles erfassen und verstehen, was es gibt. Auch wer viel weiß oder zu wissen meint, bleibt in seinem Erfassen weit hinter dem zurück, was es alles in der materiellen und geistigen Welt zu wissen gäbe. Auch z. B. im speziellen Fachgebiet der Virologie bleibt bekanntlich vieles im Dunkeln.

            Im Evangelium ist vom zweifelnden Apostel Thomas die Rede. Er will sehen und tasten, erst dann will er glauben. Thomas hatte das Glück oder die Gnade, dass ihm dabei gläubige Einsicht zuteil wurde. Sehend und tastend wir ihm schlagartig bewusst, dass es mehr gibt als was er mit den Sinnen erfassen kann. Es gibt auch die geistige Wirklichkeit.

            Uns bleibt zunächst nichts anderes, als die Welt zu sehen, wie sie eben sinnlich wahrzunehmen ist und daraus gedanklich Schlussfolgerungen zu ziehen. Das hilft uns zu leben und zu überleben.

            Man soll es sich dabei aber nicht zu leicht machen. Unsere Sinne und unser Denken reichen nicht sehr weit. Was sich im Verborgenen der Welt jenseits unserer sinnesbezogenen Wahrnehmung alles abspielt, bleibt für uns vielfach ein rätselhaftes Geheimnis. Wie Thomas gehen wir nicht gerne über unsere sinnlichen Beobachtungen und begrifflich-logischen Einsichten hinaus.

            Jeder von uns setzt im Alltag immer eine nicht voll erkannte und nicht erforschte Wirklichkeit voraus. Wer kennt schon alle Naturgesetze, die in seinem Körper und in seiner Umgebung überall am Werke sind? Etwa z. B. beim Atmen oder beim Autofahren usw.

            Auch Forscher und Wissenschaftler gehen gläubig davon aus, dass in dem, was sie erforschen, eine große Ordnung herrscht. Andernfalls hätten sie keine Chance, etwas herauszufinden und hilfreiches Neues technisch zu gestalten. Überall setzen wir gläubig vertrauend die geistigen Prinzipien der Naturgesetze voraus. Sonst könnten wir gar nicht leben.

            Es erscheint durchaus nicht unsinnig, an das zu glauben, was wir zu Ostern feiern: Dass es jenseits der materiellen Welt eine geistige Wirklichkeit gibt, in die Jesus eingegangen ist und in die auch unsere Verstorbenen eingehen. Diese Wirklichkeit aber bleibt unseren engen sinnfälligen und begrifflichen Vorstellungen zunächst verborgen.

Der Evangelist Johannes gebraucht gerne die Erfahrungen von Licht und Finsternis, um bildhaft auszudrücken, was das tiefere Gelingen oder Nicht-Gelingen des menschlichen Lebens betrifft. Licht und Finsternis sind elementare Erfahrungen und Beobachtungen. Es sind in der Natur gegebene notwendige Gegensätze.

Wir erleben Tag und Nacht durch die Rotation der Erde um ihre eigene Achse. Die ganze lebende Natur ist auf den Gegensatz von Tag und Nacht angewiesen. Wenn die Sonne nie unterginge und es immer taghell bliebe, würde vermutlich alles Leben auf der Erde zerstört. Die Erde muss im Tagesverlauf immer erwärmt werden und dann auch wieder abkühlen. Pflanzen, Tiere und Menschen sind auf diese gegensätzliche genau dosierte Bewegung wie auf viele andere Gegensätze in der Natur angewiesen.

Hell und Dunkel spielen bildhaft auch im menschlichen Leben eine wichtige Rolle. Ausnahmslos in jedem von uns gibt es die sogenannten hellen Seiten und die dunklen Seiten, starke Seiten und schwache Seiten, lichte Seiten und Schattenseiten. Es ist wichtig, an sich selbst nicht nur die lichten, sondern auch die schwachen und dunklen Seiten zu sehen, zu bedenken und anzunehmen.

Wer von sich meint, nur gut und perfekt zu sein, täuscht sich selbst. Diese bewusste und unbewusste Selbsttäuschung bringt inneren und äußeren Stress, leidvolle Ruhelosigkeit und sogar psychische Störungen mit sich.  

Mit selbstgerechten Personen zu leben ist anstrengend. Sie haben es auch mit sich selbst schwer. Sie versuchen vieles vor sich selbst und vor den anderen  zu verheimlichen, um in ihrem Sinn möglichst gut da zu stehen. Zum Ganz-Sein des Menschen aber gehört es, neben seinen Vorzügen auch seine Schattenseiten zu akzeptieren.

Johannes spricht von Menschen, die die Finsternis mehr lieben als das Licht. Damit ist nicht die unvermeidbare Dunkelheit gemeint, die immer gegeben ist, sondern gerade jene andere  Finsternis, die darin besteht, verblendet zu sein, sich selbst zu überschätzen und sich selbstgerecht und rücksichtslos aufzuspielen.

Zu den vielen Gegensätzen, die wir im Leben akzeptieren müssen, gehören auch jene elementaren Gegensätze von Gesundheit und Krankheit,  Kommen und Vergehen, Zupacken und Loslassen, Leben und Sterben.  

Die gegenwärtige Corona-Zeit zwingt uns, das Leben in seinen grundsätzlichen Gegensätzen achtsam zu bedenken. Wir mögen alles tun, um Krankheit zu vermeiden und das Leben zu erhalten. Zugleich aber mögen wir uns auf das immer gegebene Vergehen besinnen und es annehmen. Desto mehr uns das gelingt, umso ruhiger können wir allen Situationen ins Auge schauen, angstfreier leben und irgendwann auch sterben.

Licht und Finsternis und all die vielen Gegensätze gehören zusammen. Sie bilden im Alltag das „Kreuz unseres Lebens“. Je mehr wir uns aber wie Jesus im Jenseits aller Gegensätze, bei Gott, verankert und geborgen wissen, um so „heiler“ erweist sich unser Dasein im Leben wie im Sterben.

Heilung eines Aussätzigen

               In den Evangelien lesen wir immer wieder von Krankenheilungen, die Jesus zugeschrieben werden. Heilungen von ganz verschiedenen Krankheiten und Gebrechen.  Dabei ist interessant zu beobachten, dass nie von Massenheilungen die Rede ist. Immer wendet Jesus sich jeweils ganz persönlich einem einzelnen Hilfe suchenden Menschen zu und heilt ihn. Der Heilungsakt geschieht bei Jesus immer in einer ganz persönlichen Zuwendung.

               Der Evangelist Markus schreibt von der Heilung eines Aussätzigen. Aussatz war eine unheilbare und zugleich sehr ansteckende Krankheit, die wir Lepra nennen. Man wusste sich nicht anders vor dieser Krankheit zu schützen, als die von der Krankheit betroffenen  von der Gesellschaft auszuschließen. Von daher auch die Bezeichnung „Aussatz“. Aussätzige mussten abgesondert von der Gemeinschaft leben und durften sich den Gesunden nicht nähern.

               Jesus scheint aus seiner inneren Stärke heraus vor Aussätzigen keine Angst gehabt zu haben und lässt den Kranken zu sich herankommen, hört auf seine Bitte und spricht mit ihm. Er holt den Kranken durch sein Verhalten aus der Außenseiterrolle heraus und heilt ihn dabei. Dies erinnert daran, was bei allen Heilungen Jesu auffällt.

               Immer wendet Jesus sich den zu Heilenden ganz persönlich zu: Er schaut sie an, hört auf sie, spricht sie an, berührt sie oft sogar und schenkt ihnen seine ganze Aufmerksamkeit. Genau diese persönliche Zuwendung scheint jeweils das wesentliche Element des Heilungsprozesses durch Jesus gewesen zu sein.

               Wie immer es mit den Heilungen Jesu gewesen sein mag, den medizinischen Aspekt können und müssen wir nicht erklären. Wohl aber wissen wir, dass Anerkennung und Wertschätzung für jeden Menschen wichtig sind. Anerkennung, Wertschätzung und einfühlendes Verständnis schenken innere Sicherheit, Mut zu Aktivität, Lebensenergie und Lebensfreude. Es hilft auch unvermeidlich Schweres zu ertragen. Wertschätzung zu erfahren und auch zu schenken, trägt zur ganzheitlichen Gesundheit einer Person bei.

               Auch Psychotherapeuten wissen, dass neben den sachlichen Kenntnissen über die innerpsychischen Zusammenhänge besonders die persönliche, vorurteilslose, wohlwollende und achtsame Zuwendung einem Menschen gegenüber für einen heilenden Entwicklungsprozess von größter Wichtigkeit ist. Als Person ernst genommen zu werden, ist immer und überall entscheidend.

               Die momentane Pandemie zwingt uns leider, Kontakte zu anderen möglichst zu meiden. In gewisser Weise sind wir füreinander wie „Aussätzige“ geworden. Die Vermeidung vieler der üblichen Kontakte tut uns natürlich nicht gut. Umso mehr ist es notwendig, die noch möglichen Kontakte achtsam zu pflegen, gegebenenfalls auch mit Maske. Besonders wichtig bleiben die Beziehungen in der Familie. Auch die neuen technischen Kommunikationsmittel mögen wir für mögliche hilfreiche Kontakte nicht unterschätzen.

Unserem Papst Franziskus liegen nicht nur arme und hungernde Menschen sehr am Herzen, nicht nur Kinder und Jugendliche, nicht nur Familien und alleinstehende Erwachsene. Seine Sorge und Zuwendung gilt besonders auch den Großeltern und überhaupt den älteren Menschen.

               Vor fast genau einem Jahr (29. – 31. Jänner 2020) hat er in Rom einen Weltkongress organisieren lassen zum Thema „Der Reichtum des Alters.“ Aus 70 Ländern der Welt   versammelten sich kirchlich Verantwortliche für ältere Menschen. Den Höhepunkt dieses Kongresses bildete die Ansprache von Papst Franziskus selbst, die er bei seiner Audienz für die Teilnehmer vorgetragen hat.

               Vor kurzem hat der 84-jährige Papst Franziskus beim Angelusgebet für die katholische Kirche einen neuen Welttag erklärt. Den „Welttag für Großeltern und ältere Menschen“. Dieser besondere Tag soll jedes Jahr am 4. Sonntag im Juli begangen werden. Er steht in Verbindung mit dem liturgischen Gedenktag von Joachim und Anna am 26. Juli, den Großeltern Jesu.

               Dieser Tag soll nach dem Wunsch des Papstes, die Wertschätzung der Seniorinnen und Senioren und besonders der Großeltern zum Ausdruck bringen. Es soll ein Tag großen Dankes sein. Großeltern und Senioren mögen in ihrer Wichtigkeit für Kirche und Gesellschaft gesehen werden. Speziell das Dasein und die  Wichtigkeit der Großeltern für die Enkelkinder, für die Familien und die nachfolgende Generation möge bedacht und herausgestellt werden. In den Diözesen der Welt wird dieser neu eingeführte Welttag in Zukunft besonders begangen werden.

               Bis heute sind oft gerade Großeltern beteiligt, wenn es darum geht, den Enkelkindern Gebet und Religiosität weiter zu gegeben. Manchmal geben Kinder auf die Frage: „Von wem hast du das Beten gelernt?“ zur Antwort: „Von der Oma.“              

               Gedenktage waren im Leben der Kirche immer schon von zentraler Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die Gedenktage der Heiligen das Jahr hindurch, sondern ganz besonders auch um die  jährlich wiederkehrenden großen kirchlichen Festtage. Weihnachten, Ostern, Pfingsten und alle anderen Feste des Kirchenjahres bringen immer neu zentrale Glaubensinhalte lebendig in Erinnerung und machen sie gegenwärtig.  Auch im profanen Leben gibt es neuerdings zahlreiche Tage, die einem besonderen Anliegen gewidmet sind.

               Es ist hilfreich, uns vergessliche Menschen wichtige Themen und Anliegen in gewisser Regelmäßigkeit in Erinnerung zu rufen. Der neue „Welttag für Großeltern und ältere Menschen“  entspricht diesem wichtigen Anliegen.

Man darf sich fragen, warum Jesus eigentlich getauft worden ist. Seine innere bewusste Verbundenheit mit seinem Vater im Himmel und die Integrität seiner persönlichen Lebensführung machten bei ihm eine Taufe wohl nicht nötig.

            In der Schilderung der Taufe Jesu nach Markus heißt es, der Täufer Johannes sah anlässlich der Taufe, „dass der Himmel sich öffnete und der Geist auf Ihn (Jesus) herabkam“. Und es kam jene Wahrheit zum Ausdruck: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden habe.“ 

            Hier zeigt sich der Sinn der Taufe Jesu: Durch das Zeichen der Taufe wurde aufgezeigt, wer Jesus eigentlich ist. Die aufgedeckte Realität bestand schon vorher. Durch die Taufe wurde sie offenbar und sichtbar gemacht. Ein wichtiger Akt.

            Von hier ausgehend dürfen wir auf den Sinn der Taufe überhaupt zu sprechen kommen. Die Taufe ist das erste und entscheidende  Sakrament  in unserer Religion. Ein Sakrament besagt: „Sichtbares Zeichen für geschenktes und unbedingtes  Wohlwollen Gottes zu dem, der ein Sakrament empfängt.“ Die bezeichnete Realität im Sakrament der  Taufe ist die unbedingte Bejahung und Liebe Gottes zu dem, der getauft wird.

            Mitten in den Zweifeln über den Sinn des Lebens, mitten in den persönlichen Schwächen und schuldhaften Handlungen, mitten in den Erfahrungen von Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen, mitten in dieser ungesicherten und vergänglichen Welt, mitten in Krisen und heillosen Unstimmigkeiten wird dem Getauften eine wichtige Realität bewusst gemacht. Eine Realität die immer schon bestanden hat und ohne die niemand leben könnte.

            Das Sakrament der Taufe eröffnet die oft nicht genug bedachte und beachtete Realität: Der getaufte Mensch möge sich darauf besinnen, dass er von dem, „der Himmel und Erde geschaffen hat“ und der ständig alles durchwaltet und in seinem Dasein erhält, angenommen, bejaht und geliebt ist. Durch ihn ist er in ein sinnvolles Leben hineingestellt, auch wenn er es selbst nicht immer genug zu sehen und zu verstehen vermag.

            Die Taufe verweist durch ihr Zeichen auf jene Realität, ohne die ein Mensch gar nicht leben könnte. Nicht das Zeichen schafft die Realität, sondern das Zeichen verweist auf die vorher immer schon gegebene, verborgene Wirklichkeit.

            Wichtig bleibt allerdings, dass der Getaufte sich je und je auf diese aufgedeckte Wirklichkeit besinnt und dies in allen seinen Lebensvollzügen mitnimmt. Das Vertrauen in die in der Taufe aufgezeigte Realität darf man Glauben nennen. Dieser vertrauende Glaube vermag ruhige und heilsame Sicherheit zu geben, was immer jemandem im Leben begegnen mag.

Advent ist die Zeit des Wartens auf das hohe Weihnachtsfest, auf das Geburtsfest Jesu.

       Warten ist aber auch sonst im Leben ein großes Thema. Immer wieder müssen wir warten: Warten auf den Bus, auf einen Telefonanruf oder auf einen Besuch , warten auf das Essen, warten bis Kinder oder Eltern nach Hause kommen, warten bis eine Krankheit langsam wieder vorbei geht, warten im Wartezimmer des Arztes usw. Warten gehört zu unserem leben.

            Es gibt ein Theaterstück mit dem Titel „Warten auf Godo“ von Samuel Beckett. In diesem Stück wird vom Anfang bis zum Ende immer nur das Warten gezeigt. Alle Spieler auf der Bühne warten auf jemanden, der da bald kommen soll. Eine bedeutende Persönlichkeit, die sie noch nicht kennen. Sie aber warten umsonst. Die Schauspieler sind gelangweilt und frustriert. Hören aber nicht auf zu warten, bis zum Schluss des Stückes.

            Natürlich warten wir im Leben manchmal auch umsonst auf etwas. Das Erwartete trifft manchmal nicht ein. Meistens aber ist es doch anders. Es erfüllt sich unser Warten und wir sind froh darüber, wenn das Erwatete eintrifft.

            Wenn es um das äußere Warten auf das Weihnachtsfest geht, dann wird es gut sein, sich nicht zu viel zu erwarten. Wenn man zu viel erwartet, dann kann es manchmal auch Enttäuschungen geben.

            Im Zusammenhang mit dem tieferen inneren Sinn von Weihnachten aber ist wichtig, daran zu denken, dass der, um den es zu Weihnachten eigentlich geht, nicht erst erwatet werden muss, sondern Er ist immer schon da. 

            Immer schon ist Gottes Zuwendung und  Gottes Wohlwollen jedem jederzeit gegeben. Es kommt nur darauf an, dass wir es in uns zulasse und wahrnehmen. Darauf kommt es an. (Auch mitten im Advent ist der Erwartete schon da.) Das äußere Fest der Geburt Jesu ist nur Erinnerung und Hinweis darauf, dass Gott immer schon da ist und niemand aus seiner bergenden Hand und seiner Sinnstiftung herausfallen kann.

(Auch jetzt, mitten in der Wartezeit des Advent ist Christus schon angekommen.)

 

PS.: Auch schon jetzt mitten in der Adventszeit mögen wir daran denken und uns hineinfühlen, dass Gott mit seinem Wohlwollen immer schon bei uns ist und bei uns angekommen ist. Weihnachten ist nur das äußere Zeichen dafür.

Das Gleichnis von den Talenten ist aus dem Wirtschaftsleben genommen. Dort geht es um Initiative, Aktivität, Investitionen, Klugheit und Effizienz.  Wirtschaft wird im Gleichnis nicht abgewertet, aber es geht um etwas ganz anderes. Jesus spricht vom sogenannten „Reich Gottes“. Und das meint: Gelingendes Leben für das Individuum und für die Gemeinschaft sowie ein überzeitliches, alles umgreifendes Sinnziel. Es geht, wie überhaupt in der Religion, um Lebenswissen und Lebensweisheit.

               Worin sollen wir also unsere Talente investieren? Natürlich müssen wir auf die äußeren materiellen Dinge achten und sie dankbar schätzen. Wichtiger aber sind innere Haltungen und Lebenseinstellungen. Auf sie kommt alles an. Es geht um Investitionen in das Innere.

               Zu den Investitionen in das eigene Innere gehören viele Aspekte. Es ist eine bleibende Lebensaufgabe von Jugend an bis ins hohe Alter, bzw. bis zum Lebensende. Arbeit nach Innen betrifft die eigene Einstellung zu anderen Menschen, zur eigenen Umgebung, zur eigenen Lebensgeschichte, zu den Ereignissen und Entwicklungen in der Welt, wie besonders auch zur Unvollkommenheit und Vergänglichkeit der Welt.

               Die Arbeit an sich selbst und an der eigenen Lebernseinstellung ist keine einfache, sondern eine oft sehr schwere Arbeit. Sie verlangt oft auch viel Opfer und Verzicht. Das Leben selbst drängt uns dazu, über uns selbst und unser Leben nachzudenken, immer wieder vieles loszulassen, neu zu sehen und neu zu nehmen. Jemand hat gesagt: Das Leben beutelt uns so lange, bis wir einsichtig und demütig werden.

               Ein wichtiger Punkt ist wohl immer wieder, dass wir uns selbst und unsere Vorstellungen nicht zu viel in den Mittelpunkt stellen. Auch das Dasein der anderen wie auch ihre Sichtweisen und Verhaltensweisen haben Bedeutung und Wert, auch wenn sie uns oft nicht einleuchten. Dies zu beachten lässt Mauern überwinden und Gespräche und Beziehungen gelingen. Wertschätzung der anderen macht frei für neue Ideen und fürsorgliche Aktivitäten.

               Zu aller aktiven äußeren Mitgestaltung an der Welt gehört die Einsicht in die Wahrheit der ständigen Veränderung der Welt und des Lebens. Veränderung aber bedeutet nie totale Vernichtung, sondern immer Übergang in etwas Neues. Dies zuzulassen kann sehr schwer fallen. Die radikalste Veränderung vollzieht sich im Sterben, wenn alles Raum-zeitliche verlassen werden muss. Auch dabei geschieht nicht totale Vernichtung, sondern Übergang in eine ganz andere Wirklichkeit.

               Die Bibel spricht vom Sterben des Samenkorns, aus dem eine neue Pflanze entsteht. Der große Denker Goethe sagt: „Und wenn du das nicht hast, dieses: Stirb und Werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.“

               Dem Gleichnis im Evangelium entsprechend gerät derjenige in große innere Nöte, der die Möglichkeiten versäumt, immer neu an seinem Denken und Fühlen zu arbeiten und dabei in sich selbst gut zu investieren.

           Nach der Erfahrung der ersten lange dauernden Corona-Welle im Frühjahr war der Sommer eher ruhig und angenehm. Nun aber ist leider die von Fachleuten vorausgesagte zweite Corona-Welle in voller Stärke eingetroffen. Es ist für alle eine sehr große Herausforderung. Alle leiden darunter, jung und alt. Politiker haben es schwer, angemessene Entscheidungen zu treffen. Viele Ärzte und Pflegerinnen kommen arbeitsmäßig an ihre Grenzen. Betten in den Krankenhäusern werden wieder knapp. Ganz besonders betroffen sind natürlich diejenigen, die infiziert sind und gar unter starken Symptomen leiden. Besonders beklagen wir die an Corona Verstorbenen.

            Unter allen anderen macht diese Zeit es leider oft auch Seniorinnen und Senioren wieder besonders schwer. Es gibt zwar die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown, aber die vielen Verzichte und entsprechenden Schwierigkeiten stellen sich halt wieder neu ein: Möglichst Verzichte auf Treffen mit anderen Leuten, auch auf Besuche von Angehörigen. Die oft lästigen Hygienevorschriften sind wieder besonders zu beachten. Seniorentreffen auf Gemeindeebene, die bei vielen Senioren sehr beliebt sind, fallen weiterhin aus. Damit gibt es keine Kartenspiele oder andere Spiele in dieser Runde. Keine gemeinsame Marenden oder Kaffeerunden mit gemütlichen Gesprächen, keine gelegentlichen Vorträge für Senioren. Alles dies und manches andere muss wegfallen.

            Es wird gut sein, nicht zu viel in die Vergangenheit zu schauen und zu bedauern, was wir zurzeit alles nicht haben und nicht dürfen. Es wird auch gut sein, nicht zu viel sorgenvoll in die Zukunft zu schauen. Wenn wir es genau überlegen, so bleibt uns in der Gegenwart doch sehr vieles, was wir genießen dürfen und wofür wir dankbar sein können.

            Wir haben normalerweise unser gesundes Essen und unsere warme Stube. Wir haben ein warmes Bett, was viele in der Welt nicht haben. Wir können in der Umgebung unsere Spaziergänge machen. Es gibt Radio und Fernsehen mit vielen schönen Sendungen, die auch Senioren ansprechen. Es gibt dort viel Musik und Informationen. Viele widmen sich einer beliebten handwerklichen Tätigkeit oder pflegen eine Lieblingsbeschäftigung, der sie nachgehen können. Für viele ist lesen sehr wichtig. Es wäre auch recht zu überlegen, wem man vielleicht wieder einmal einen Brief schreiben könnte. Jeder freut sich über einen lieben Brief eines alten Bekannten. Genauso ist es mit Telefonanrufen. Alltägliche größere und kleinere notwendige Arbeiten im Haus tun gut, um unsere Zeit sinnvoll zu gestalten.

            Es kann auch gut sein, sich mit den eigenen nächtlichen Träumen zu beschäftigen. Auch wenn man sie nicht deuten kann, so tut es gut, seine Träume jemandem zu erzählen oder sie aufzuschreiben. Wir pflegen dabei unser Inneres. Träumend bearbeiten wir unsere inneren, psychischen Angelegenheiten. Wir sind im Schlaf unser eigener Psychotherapeut.

            Es gibt vieles, wo auch Senioren bewusst und achtsam aktiv sein können. Im Hier und Jetzt bewusst zu leben, ist eine große Kunst. Es ist aber genau das, was uns gut tut und uns von zu viel sorgenvollem oder auch gelangweiltem Leben bewahrt. In diesem Sinne meinte auch Jesus: „Sorgt euch nicht auf den morgigen Tag; der morgige Tag wird für sich selbst sorgen.“ Zu den hilfreichen Aktivitäten, die jeder leicht machen kann, gehören auch das Gebet, Gottesdienstbesuche und das sich Einlassen auf das Getragenwerden  durch Gott.

            Wenn Seniorinnen oder Senioren vielleicht in besonderen Anliegen Gespräche suchen, dann steht rund um die Uhr die Telefonseelsorge der Caritas zur Verfügung (Tel.: 0471 052052; schriftlich: ts@caritas.bz.it) oder zu den Tageszeiten auch der besonders beauftragte Seniorenseelsorger (Tel.: 0471 271614 oder schriftlich: torggler.j@gmail.com). Auch auf der Seniorenhomepage der Diözese gibt es für Seniorinnen und Senioren allerhand zu lesen. Suchbegriff auf Google: Senioren Diözese Bozen Brixen.

Wenn jemand aufzählen würde, was im Leben alles zu seinen Aufgaben und Verpflichtungen  gehört, dann würde er oder sie auf eine lange Liste kommen. Dabei gibt es kleine und große Dinge, für die jemand verantwortlich ist. Zusammen bilden sie ein großes Ganzes. In der Erfüllung alles dessen, was wir zu leisten und zu tun haben, entfaltet sich unsere Persönlichkeit und ergibt sich unser Lebenswerk.

            Die klugen und schlauen Pharisäer meinten im Evangelium Jesus eine Falle stellen zu können. Dies gelingt ihnen aber nicht. Ihre verführerische Frage lautet: „Soll man dem Kaiser Steuer zahlen oder nicht?“ Diese Frage war deshalb brisant, weil es sich um den römischen Kaiser handelte, von dem sich die Juden ausgebeutet und unterdrückt fühlten. Wenn Jesus Ja sagt, dann stellt er sich gegen sein eigenes jüdisches Volk, wenn er Nein sagt, dann stellt er sich gegen die allgegenwärtige Übermacht der Römer. Jesus antwortet überlegen: „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist.“

            Diese Antwort Jesu kann man ausweiten und ganz allgemein auf unser Leben beziehen. Wir alle haben viele alltägliche und bürgerliche Pflichten und Aufgaben zu erfüllen. Jeder leistet so oder anders  seinen Beitrag in der Gesellschaft durch ganz unterschiedliche Aktivitäten bis hin zum Steuerzahlen.

            Über alle unsere konkreten Aktivitäten hinaus gibt es aber auch Fragen nach dem umfassenden Ganzen. Unser menschlicher Geist, unsere menschliche Vernunft hat zwei Ausrichtungen bzw. zwei Funktionen. Einerseits haben wir immer das konkret Fassbare und Machbare im Auge und zum anderen sind wir ausgerichtet auf das Große und Ganzen, zu dem wir mit allem gehören. Diese zweite Seite kann bei den vielen täglichen  Anforderungen leicht vergessen werden. Früher oder später aber drängt sie sich auf.

            Es ist die philosophisch-religiöse Frage nach dem Ursprung aller Energie, von der alles bewegt wird. Die Frage nach dem Unbedingten in allem Relativen, nach dem Bleibenden in aller Veränderung, nach dem Sinn des Einzelnen und des Ganzen.  Es ist die Frage danach, was es denn eigentlich ist, das uns nie in Ruhe lässt, sondern immer neu zu denken, zu suchen und zu handeln bewegt. Es ist die Ahnung und Suche nach dem Vollkommenen inmitten aller Unvollkommenheiten. Es ist im letzten Gott, der in und durch allem wirksam ist.

            Wenn beide Seiten zum Menschen gehören, dann ist es angemessen auch beiden Seiten nachzugehen und sie zu pflegen. Sowohl seine alltäglichen Aufgaben zu erfüllen, wie auch die bergende Beziehung zum Unbedingten, zu Gott nicht außer acht zu lassen. Auch diese bedarf der Pflege in der je eigenen persönlichen Weise. Die Religion bietet dafür viele wichtige Möglichkeiten.

            Beide Seiten achtsam zu pflegen macht innerlich stark, um das oft unruhige und bedrückende Wechselspiel des Lebens zuversichtlich und gelassen zu bestehen.

In diesen Tagen im September begeht die Kirche auf Initiative von Papst Franziskus die „Tage der Schöpfung“. Dabei sind wir eingeladen, Freude und Ehrfurcht vor der Großartigkeit der Natur und der Schöpfung zu erleben und zugleich an den Schutz der Natur als unsere Lebensbedingung zu denken. Fachleute sagen, die vielfältigen technischen Einwirkungen des Menschen auf die Natur sind mitverantwortlich an der zunehmenden Beeinträchtigung  oder gar Zerstörung der Lebensbedingungen auf der Erde.

            Wenn das Wort „Schöpfung“ gebraucht wird, dann meint das viel mehr als nur die Natur auf unserer Erde. „Schöpfung“ ist ein theologischer und allumfassender Begriff. Der erste Satz in der Bibel lautet: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Dieser einfache und vielsagende Satz schließt auch Schöpfung als Evolution nicht aus.

            Da ist für uns heute die Erde mit unserer Sonne und den Planeten gemeint, dazu unser Sonnensystem mit den vielen Millionen von anderen Sonnensystemen, die unsere Milchstraße bilden. Da sind die vielen Millionen von Milchstraßen (Galagxien) gemeint mit jeweils wieder vielen Millionen von Sonnensystemen. Niemand weiß, wie viele es sind. Die Entfernungen im Universum gehen in die Millionen von Lichtjahren. Unser Planet Erde ist winzig im Universum und der Mensch ist noch viel winziger.

            Alles im Universum befindet sich in rotierender Bewegung, entsprechend den genauen Gravitationsgesetzen. Wie im Universum so ist auch auf unserer Erde nach Naturgesetzen alles in Bewegung und Veränderung. Vor mehr als etwa 15.000 Jahren waren die Tälern Südtirols mit höher als 1000 Meter hohem Eis aufgefüllt. Von Städten und Dörfern, Wäldern und Wiesen war keine Spur.

            Auch wenn sich über einen langen Zeitraum ein angenehmes, fruchtbares, schönes und gut bewohnbares Land entwickelt hat, so müssen wir damit rechnen, dass die Veränderung nicht stehen bleibt. Damit aber haben wir unsere großen Probleme. Wir wollen keine gravierenden Veränderungen. Allerdings werden wir nicht gefragt. Die Natur tut wie sie will. (Siehe Corona.)

            Der Forscherdrang und die Neugierde des Menschen wie auch sein Wille,  technisch Neues zu gestalten, sind nicht zu bremsen. Der Mensch selbst ist ein Teil der Natur. Die Natur im Menschen treibt ihn voran. Es kann sein, dass die Natur die Intelligenz der Menschen benützt, um ihre eigenen „Interessen“, ohne Rücksicht auf den Menschen zu erreichen. Dabei hat die Natur möglicherweise „Ziele“ im Auge, die über den gegenwärtigen Menschen hinausgehen.

            Manche Wissenschaftler, Politiker, Journalisten wie auch der Papst und andere mahnen zu Besonnenheit. Man darf aber ernsthaft zweifeln, ob in den heutigen Menschen die innere Kraft der Vernunft so stark ist, dass sie nur jene technischen Möglichkeiten realisieren und gebrauchen, die der Umwelt und dem Menschen selbst nicht schaden. Trotz dramatischer Veränderungen aus unserem Blickwinkel bleibt die Schöpfung in ihrer überwältigenden dynamischen Ordnung und Harmonie auch in Zukunft bestehen.

            Jesaja lässt Gott sagen: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“

Es kann hilfreich sein, mit dem deutsch-amerikanischen Theologen und Philosophen Paul Tillich (1886-1965) einen doppelten Begriff von Religion zu unterscheiden. Er unterscheidet zwischen „Religion im engeren Sinn“ und „Religion im weiteren Sinn“.

                „Religion im engeren Sinn“  meint  die einzelnen voneinander abgegrenzten Religionen, wie wir sie kennen und benennen. In diesem Sinn hat jede Religion ihre besondere eigene Entstehungs- und Verlaufsgeschichte, ihre besonderen hl. Schriften und ihre Lehren, ihre soziologische Struktur, ihren jeweiligen hierarchischen Aufbau und ihre besonderen Formen der Pflege der Beziehung zu Gott. In diesem Sinn sind Religionen voneinander zu unterscheiden und zeigen Veränderungen und Entwicklung.

                „Religion im weiteren Sinn“ meint die Tatsache, dass alles was sich in der Welt und im Leben ereignet, immer auf das Absolute bezogen bleibt. Nicht nur in der konkreten Religion im engeren Sinn, sondern in allen Bereichen strebt der Mensch über das Gegebene hinaus und sucht das Bessere und Vollkommenere. Auch im ganz profanen Bereich ist der Mensch, was immer er tut, stets getrieben und angezogen vom Wahren, Schönen, Guten, vom Sinnhaften. Hinter allem noch so profanen kulturellen Streben bleibt der Mensch auf das Unendliche, Unbedingte und Vollkommene und damit auf Gott bezogen. Religion bzw. das Religiöse wohnt in diesem Sinne jedem Vollzug des Lebens inne. Sogar das Schuldhafte und Negative verweist indirekt auf das Gute, das versäumt wurde.

                Im Religionsunterricht geht es demnach zunächst darum, die Ausdrucksweisen der eigenen Religion, ihre Geschichte, ihren Aufbau, ihre heiligen Schriften, ihre konkreten religiösen Ausdrucksformen und ihre ethischen Richtlinien in Form von „schulischem Wissensstoff“ kennen zu lernen. Zum anderen zeigt der Religionsunterricht auf, dass alle Bereiche des täglichen Lebens, alle menschlichen kulturellen Äußerungen, alle Vollzügen des Individuums und der Gesellschaft auf einen umfassenden, unbedingten Sinn bezogen sind.

                Dabei vermittelt sich dem Schüler das Bewusstsein der letztgültigen Geborgenheit in einem Sinnzusammenhang, der durch Gott gegeben ist. Dies trägt dazu bei, in den Kindern und Jugendlichen jenes Urvertrauen ins Leben zu stärken, das für ihre existenzielle und moralische Identität lebenslang entscheidend wichtig ist.

Josef Torggler

Von alters her hat Maria in der christlichen Religion sowohl in der Lehre wie in der Volksfrömmigkeit große Bedeutung. Wir denken an die historische Maria und wir denken daran, dass an der Gestalt Marias überzeitliche, alle und alles betreffende Wahrheiten zum Ausdruck kommen. Wie in den biblischen Schilderungen über Adam und Eva entscheidende bleibende Wahrheiten enthalten sind, so besonders auch in den Aussagen über die Gestalt Marias.

            Von Maria werden ganz besondere Dinge ausgesagt: Von Anfang an von jeder Beeinträchtigung einer Sünde bewahrt. Berufen, den Sohn Gottes zu gebären. Das Kind nicht von einem Mann, sondern vom hl. Geist Gottes empfangen. Bei der Geburt des Kindes Jungfrau geblieben. Nach ihrem Tod mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Über jede diese herausfordernden Aussagen ist viel nachgedacht und geschrieben worden.

            An Maria wird ausgesagt, wie man von Gott her umfassend für alle Menschen und die Welt heilsam denken darf und muss. Die Ausdrucksform ist zwar konkret historisch-biologisch, sie muss aber in einem tieferen übertragenen Sinn genommen werden. Oft ist es die darstellende Kunst, die ohne Worte tiefsinnige Inhalte besser zum Ausdruck bringt als Worte es tun können.

                        Albrecht Dürer z. B. hat, der Apokalypse des Johannes folgend, die Schöpfung Gottes in Gestalt einer großen Frau und Mutter dargestellt. In sehr vielen Kirchen gibt es Darstellungen von Maria, wie sie auf der Mondsichel steht und einen Kranz mit 12 Sternen um ihr Haupt trägt. Mit ihrem Fuß zertritt sie den Kopf einer Schlange.

            In diesen Darstellungen wird Maria als Bild für die ganze ursprüngliche Schöpfung genommen. Die Schöpfung Gottes ist im übertragenen Sinn Frau und Mutter. Sie ist aus der „Hand Gottes“ als reine, harmonische  und heilige Schöpfung hervorgegangen und bleibt in ihrer Unversehrtheit für immer erhalten.

            Selbstherrlich handelnde Menschen können zwar die eigenen Lebensbedingungen auf der Erde und sich selbst zerstören. Kein Mensch und kein Teufel aber vermag die universale reine Schöpfung zu zerstören, in der alles harmonisch aufeinander abgestimmt ist. Die verführerische Schlange hat keine Chance. Ihr Kopf wird im Bild aussagekräftig zertreten. In diese reine Schöpfung ist nicht nur Maria, sondern jeder vertrauende und liebende Mensch heilsam eingebunden.

            Der menschliche Akt der Zeugung eines Kindes bleibt im Grunde ein sehr äußerliches Tun in Vergleich zu der geheimnisvollen Entstehung und Entwicklung jedes  Kindes. Dies bleibt allein schöpferische Tat Gottes, wenn auch äußerlich vermittelt  durch Menschen und die Natur. Jedes Kind, das geboren wird, ist nicht einfach ein Kind der Menschen, sondern ist „Kind Gottes“. Der unüberbietbare Sohn Gottes ist natürlich Jesus selbst. Immer neu werden aus der Mutter Schöpfung neue Geschöpfe gebornen, sie selbst aber bleibt die reine und unversehrte, jungfrauliche, große „Frau und Mutter“ von allem.

             Die Aussage, „Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen“, verweist darauf, dass das ganze Wesen ihrer Person in eine neue Beziehung zur universalen  Schöpfung und zu Gott selbst eingegangen ist. Es ist die glückliche Erfüllung der in der Zeit nie ganz erfüllbaren Sehnsucht. Dies gilt für Maria und ist von Gott her allen Menschen und der ganzen Schöpfung zugedacht.

 

F rüher oder später, mehr oder weniger hat jeder im Leben auch Lasten zu tragen und Plagen zu bestehen. Es gibt individuelle und gemeinschaftliche Schwierigkeiten. Unverständlich und unerklärbar dabei ist, dass es die einen mehr trifft, die anderen weniger. Keiner Zeit und niemandem bleiben auch negative Erfahrungen erspart.

Nicht ohne Grund sagt Jesus: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Mit dieser Aussage verweist Jesus zunächst auf seine eigene Person. Bei genauer Überlegung aber zeigt sich, dass es nicht nur an seiner Person hängt, sondern dass er auf ein allgemeines Lebensgesetz verweist. Auf eine Lebenseinstellung, auf die es immer schon darauf angekommen ist. Er selbst hält sich an diese Lebenseinstellung und empfiehlt sie allen anderen.

Es ist zunächst wichtig darauf zu achten, dass Jesus nicht einfach fatalistisch und passiv alles hinnimmt wie es gerade kommt. Wenn man die letzten 3 Jahre seines Lebens betrachtet, dann war er sehr aktiv. Viele bedeutende Begegnungen mit Menschen, viele Reden in der Öffentlichkeit, viele klärende persönliche Gespräche, viele heilende Zuwendungen zu anderen, viele gezielte Wanderungen durch ganz Palästina, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Nein, passiv-fatalistisch war Jesus nicht.

Wenn Jesus sagt, kommt in euren Schwierigkeiten zu mir, dann meint er: Haltet euch an meine Lebenseinstellung. Sie wird auch euch helfen. Was kennzeichnet nun seine besondere Lebenseinstellung? Wir können ein Dreifaches als wesentlich hervorheben.

Das Erste ist, dass er sich in seinem Inneren stets ganz und gar mit dem Herrn des Lebens, mit dem Grund allen Seins, mit Gott, den er seinen und unseren Vater nennt, verbunden weiß. Das andere ist, dass er in großer Verantwortung den Menschen wohlwollend und hilfreich nahe ist. Schließlich ist nicht zu übersehen, wie sehr er die Natur schätzt und liebt. Das zeigen sein Wandern auf den Berg, seine Aufenthalte in der Wüste und am See und die vielen Bilder aus der Natur in den Reden. Alle diese 3 Seiten zeichnen Jesus aus. Jesus weiß allerdings auch, was Lasten und Plagen bedeuten. Bis zur ungerechten Tötung hat er es selbst erlebt. Dabei lässt er sich nicht von den unmittelbaren negativen Situationen erdrücken. Er vermag alles aus einem weiten und umfassenden Verständnis des Lebens zu nehmen. Wesentlich dabei ist seine unbedingte bewusste Verbundenheit mit Gott und das Vertrauen auf eine sinnvolle Bedeutung in allem, was geschieht.

Aus dieser seiner Lebenshaltung heraus, kann er auf sich selbst verweisen, wenn es darum geht, alle unvermeidbaren Lasten und Plagen des Lebens zuversichtlich zu bestehen. Dabei bleibt aber jedem die Arbeit an sich selbst nicht erspart.

Josef Torggler

Was wir aus der Coronakrise gelernt haben, oder: Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an …

 

Ich denke an Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, die ihre Zeit aber mit vielen unterschiedlichen Aufgaben und Tätigkeiten verbringen, die ihr Leben erfüllen:

die Betreuung der Enkel, das ehrenamtliche Engagement in der Seniorenrunde der Pfarre, der Theaterbesuch, die Jahresmitgliedschaft im Fit In, Walken mit Freundinnen, die Betreuung einer hochbetagten Nachbarin, die Mitarbeit in einer Bürgerinitiative im Wohngrätzl, der Einsatz als Lesepate in der Volksschule, das Erlernen eines Musikinstruments, um nur einiges zu nennen.

Zumindest bis zum 16. März 2020 war das so. Und dann wurden sie zur Risikogruppe ernannt.

 

 

Die Zeit der Corona bedingten Einschränkungen war für viele ältere Menschen besonders herausfordernd. Dieses Virus hat sehr energisch an die Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit des Lebens erinnert. Die ARGE Altenpastoral der österreichischen Diözesen sowie der Diözese Bozen-Brixen hat einige wichtige Erfahrungen aus dieser Zeit in den Blick genommen und zusammengefasst, was plötzlich ganz neu und anders gewesen ist:
 

  • Ein differenzierter Blick auf die Lebensphase Alter

Ältere Menschen ab 65 gehören zur Risikogruppe – und das unabhängig von ihrem Gesundheitszustand. Das wurde uns in den letzten Wochen medial eingeschärft.

In der Realität erstreckt sich die Lebensphase Alter von den „jungen, fitten, agilen Senior*innen“ bis zu den pflegebedürftigen hochaltrigen Menschen. Man ist vom kalendarischen Alter ausgegangen, der Blick war somit sehr undifferenziert: alt = Risiko.

 

  • Rückzug, Einsamkeit und Isolation

Die acht Wochen der eingeschränkten Kontakte haben Spuren hinterlassen. Viele Senior*innen, die ehrenamtlich tätig, sportlich aktiv waren oder die Enkelkinder betreuten, fühlten sich aufs Abstellgleis geschoben. Plötzlich waren sie „nichts mehr wert“.

Hochaltrige Menschen, für die Arztbesuche, Einkäufe, Besuche im Seniorenclub usw. den Alltag strukturierten, wurden zwar meistens zuhause gut versorgt. Ältere Menschen brauchen aber neben den sozialen Kontakten die Bewegung und die geistige Herausforderung. Dies muss ermöglicht werden.

Viele vermissten die erfahrbare Gemeinschaft im Gebet, in pfarrlichen Gruppierungen und im Gottesdienst. Und teilweise wurde bei Hochbetagten und bei denen, die auf Hilfe angewiesen sind, das Gefühl verstärkt, eine noch größere Last für die Gesellschaft zu sein.

 

  • Sorgezeit und sorgende Gemeinschaft

Wir leben aus und in Beziehungen mit anderen. Diese Beziehungen sind lebenswichtig. Wir entdecken, wie gut es tun kann, eine sorgende Gemeinschaft zu sein. Die Sorge anderer lässt uns aufatmen und ermöglicht uns unsererseits sorgsam zu sein und in Solidarität unsere „Selbstisolation“ zu überwinden. Ältere Menschen konnten die Sorge anderer erfahren, sie waren aber teilweise in ihrer Unterstützung für die jüngere Generation sehr eingeschränkt, Betreuung der Enkel durch Großeltern, viele ehrenamtliche Dienste waren plötzlich nicht mehr möglich.

 

  • Notwendigkeit der Teilhabe an den digitalen Medien

Die Kommunikation lief vielfach über digitale Medien. Pfarren befüllten liebevoll ihre Homepages, Gottesdienste wurden gestreamt. Aber 40% der über 60jährigen haben keinen Internetzugang. Zahlreiche Informationen und Unterhaltungsmöglichkeiten konnten deshalb von ihnen nicht genutzt werden. Junge sind gefordert, Möglichkeiten digitaler Kommunikation für unsere Zielgruppe in der Altenpastoral zu entwickeln. Es wird spannend sein, welche Formen das „analoge“ Angebot gut ergänzen können – nicht im Sinne eines „Entweder-oder“, sondern als zusätzliche Option. Virtueller Kontakt kann Ersatz für die persönliche Begegnung sein.

 

  • Fremd- versus Selbstbestimmung

Für viele Senior*innen war diese Zeit sehr Angst behaftet. Man wollte zwar nicht sterben, aber auch keinem Jüngerem einen Intensivbettplatz wegnehmen.

Allerdings war man sich sehr wohl bewusst, dass man schon viele Krisen im Leben erlebt und überstanden hat und in Eigenverantwortlichkeit Risiken abschätzen kann. Neben dem Schutz der Gesundheit sind menschliche, soziale und familiäre Werte und Kontakte von essentieller Bedeutung. Es ist unerlässlich, an die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen zu appellieren, was er möchte und was nicht, welches Risiko er bereit ist, auf sich zu nehmen und welches nicht. Es braucht also ein Nachdenken, nicht nur darüber, was dem Menschen das Leben rettet, sondern auch darüber, was ihn in Würde leben lässt.

 

  • Die Situation der Seelsorge in unseren Pflege- und Seniorenhäusern

Hier gab es österreichweit unterschiedliche Erfahrungen – von der Aufstockung der Seelsorgestunden bis zu keiner Erlaubnis, das Haus zu betreten, also kaum einer Möglichkeit der seelsorglichen Begleitung. Besonders geschätzt wurde die Entlastung durch Gespräche von den Pflegenden. Die Seelsorger*innen erfanden durchaus kreative Mittel und Wege, um mit den Bewohner*innen in Kontakt zu kommen: Telefonate, Briefe, Balkongottesdienste, demenzfreundliche Gottesdienste über Youtube wurden ins Leben gerufen. Ehrenamtliche Seelsorger*innen konnten ihrem Dienst großteils nicht nachkommen. Es kristallisierte sich sehr eindeutig heraus, in welchen Häusern die Seelsorge zum Team und zur Pflegephilosophie gehört. In der Coronazeit sind die Nachteile, dass die Pflegeheimseelsorge nur Systempartner ist, offen zutage getreten.

Ein ganzheitlicher Pflegeansatz, in dem auch die Sorge um die Seele essentiell zum Menschenbild dazugehört, ist hier unbedingt notwendig; Seelsorge als ein Teil von Palliative Care, die mittlerweile in den meisten Pflege- und Seniorenhäuser selbstverständlich eingegliedert ist. Das Recht auf Kontakt mit Angehörigen bzw. das Recht auf Seelsorge durch einen Vertreter*in der eigenen Religionsgemeinschaft ist in den letzten zwei Monaten massiv eingeschränkt worden und das mit dem Argument des Lebensschutzes für die Mitbewohner*innen. Das Recht auf Seelsorge muss gesetzlich verankert werden.

 

  • Menschen mit Demenz

Rund 20% der Menschen mit Demenz werden in Institutionen betreut. Die anderen werden hauptsächlich von Angehörigen in Kooperation mit Pflegediensten versorgt. Für Angehörige stellte diese Zeit eine enorme Belastung dar, da Entlastungsangebote nicht in Anspruch genommen werden konnten. Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz ist für Menschen mit Demenz nicht begreifbar und deshalb nicht machbar. Menschen mit Demenz brauchen Nähe, Berührung, Kommunikation über Mimik und Gestik.

 

  • Tod und Sterben

Jedes menschliche Leben, ob alt oder jung, ist gleich viel wert und schützenswert. Es gilt auch abzuwägen, was das Leben für ältere Menschen lebenswert macht und den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren. Soll die Gesellschaft/der Staat aber wirklich nur die körperliche Unversehrtheit vulnerabler Menschen schützen oder sie auch vor einem sozialen, psychischen und seelischen Tod bewahren? Es wurde vor Corona gestorben, es wird mit Corona gestorben und es wird auch ohne Corona gestorben. Die Hospizbegleitung und die Seelsorge haben sich erfolgreich für einen menschenwürdigen Umgang mit dem Tod eingesetzt. Unter Corona-Bedingungen war auch das Sterben vom Abstandhalten geprägt. Es muss von allen Beteiligten gewährleistet werden, dass Seelsorger*innen zu den Sterbenden kommen können.

 

Was wir uns als ARGE Altenpastoral von Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft wünschen

 

  • Das Alter differenziert sehen – alt ist nicht gleich krank.
  • Alte Menschen sind selbstbestimmt und haben schon viele Krisen in ihrem Leben gemeistert.
  • Die Ängste der Menschen ernst nehmen.
  • Dem sozialen Tod durch Isolation entgegenwirken – zur Menschenwürde zählt auch die soziale Gesundheit des Menschen.
  • Sorgende Gemeinschaft - gelebte Solidarität und praktizierte Selbst- und Nächstenliebe sind tragende Werte unseres Landes.
  • Soziale Kontakte, Gebrauchtwerden sind lebensnotwendig.
  • Recht auf Seelsorge in den Senioreneinrichtungen aller Bundesländer – Verankerung in den jeweiligen Pflegeheimgesetzen.
  • Haupt- und ehrenamtliche Seelsorger*innen als integrativer Bestandteil des Pflegeteams flächendeckend einsetzen.
  • Ganzheitlicher Pflegebegriff – Sorge um Körper, Geist und Seele
  • Möglichkeit der Übertragungen von Gottesdiensten in die Zimmer als Standard einer Senioreneinrichtung
  • Zusammenarbeit mit Bildungsanbietern, um die Teilhabe an der digitalen Welt zu gewährleisten.
  • Seelsorgliche Zusatzausbildung für geeignete Pflegende, um im Krisenfall kompetente Personen vor Ort zu haben.
  • Menschen mit Demenz und deren Angehörige brauchen besondere Aufmerksamkeit.
  • Der Tod gehört zum Leben. Sterbende haben das Recht auf seelsorgliche Begleitung.

 

Als Verantwortliche für die Seniorenpastoral in den österreichischen Diözesen und Südtirols vertrauen wir der Kraft des Heiligen Geistes, der uns aus der Krise lernen lässt.

  • Beatrix Auer, M.Ed., Dr. Renate Moser, Dipl.PAss Werner Jankovich – Erzdiözese Wien
  • Mag. Rupert Aschauer – Diözese Linz
  • Gabriele Fahrafellner, Edith Habsburg – Diözese St. Pölten
  • Mag. Robert Ganser – Diözese Eisenstadt
  • Mag. Gerhard Häfele – Diözese Feldkirch
  • Mag. Judith Höhndorf – Diözese Gurk Klagenfurt
  • Mag. Matthias Hohla MAS – Erzdiözese Salzburg
  • Mag. Anton Tauschmann Bakk.phil, Mag. Otto Feldbaumer – Diözese Graz Seckau
  • Dipl. Theol. Rudolf Wiesmann – Diözese Innsbruck
  • Dr. Josef Torggler – Diözese Boxen-Brixen

 

 

Herr, mein Gott, du bist ja meine Zuversicht, meine Hoffnung von Jugend auf. Vom Mutterleib an stütze ich mich auf dich, vom Mutterschoß an bist du mein Beschützer;

dir gilt mein Lobpreis allezeit. Für viele bin ich wie ein Gezeichneter, du aber bist meine starke Zuflucht. Mein Mund ist erfüllt von deinem Lob, von deinem Ruhm den ganzen Tag.

Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin, verlass mich nicht, wenn meine Kräfte schwinden.

Ps 71, 5-9

Unglaublich sind die Fähigkeiten, die im Menschen stecken. Man kann nur  staunen, was Menschen an Wissen zu erbringen vermögen. Auf allen Wissensgebieten gibt es großartige Kenntnissen. Über alles kann der Menschen nachdenken, alles kann er zum Gegenstand der Forschung machen. Die Vernunft des Menschen ist offen für alles, was es gibt. Das ist die Großartigkeit des Menschen. Die Bibel nennt ihn u. a. deshalb sogar Gott ebenbildlich.

             Was dabei oft vergessen wird, ist die einfache Tatsache, dass Menschen nur nach-denken, was „jemand“ schon lange vor-gedacht hat. Auf allen Ebenen bestimmt das vorgegebene Zusammenspiel von Gesetzmäßigkeiten eine großartige Ordnung. Dies gilt sogar für das Gehirn des Menschen. Eine unglaubliche Ordnung  geht aller Forschung voraus.

             Es bleibt auch zu bedenken, dass alles menschliche Wissen nur einen Teil des Ganzen zu erfassen vermag. Das Ganze bleibt immer noch viel komplexer, großartiger und geheimnisvoller. Man kommt in der Forschung nie wirklich an ein Ende. Auch die vielen hochdotierten Spitzenwissenschaftler des Forschungszentrums Cern in der Schweiz kommen bei allen Berechnungen und mit Hilfe der größten und teuersten Maschine der Welt (Atomspalter) bei er Suche nach den ersten Aufbauelementen der Materie an kein Ende.

             Nicht umsonst haben große Naturwissenschaftler gemeint, je mehr man weiß, desto mehr erweist sich alles als ein noch größeres Geheimnis. Schon der weise Sokrates soll gesagt haben: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

             Wissen und Fortschritt auf allen Wissengebieten gehören zum Menschen. Mit Hilfe des Wissens über Natur und Mensch und die dadurch möglich gewordene Technik ist man imstande, Leben zu erleichtern, angenehmer zu machen und Krisen und Gefahren zu bestehen. Gemeinschaftlich allerdings verbleiben nach wie vor große Ungerechtigkeiten.  

             Heute stehen wir vor der großen Herausforderung, wie die Schäden zu bewältigen sind, die durch unbedachte Technik entstanden sind und Gefahr für alle darstellen. Eine ganz neue und gewaltige Herausforderung. Auch Fachleute  zweifeln, ob wir dem gewachsen sein werden. Das Gedicht von Goethes Zauberlehrling ist höchst aktuell.           

             Nicht nur in seiner Abschiedsrede verweist Jesus auf jene ganz anderen menschlichen Fähigkeiten, bei denen es nicht nur um Faktenwissen und technische Weltbeherrschung geht. Seine Botschaft nennt wesentliche Weisheiten zum Gelingen des Lebens. Es geht um bewusste Achtsamkeit und Solidarität, um Rücksichtnahme und Bescheidenheit. Es geht um einfühlsame Begegnungen und wohlwollende Liebe.  

             Jesus verweist auf Endlichkeit und Vergänglichkeit, aber besonders auch auf die bleibende Nähe und Geborgenheit bei ihm selbst und bei dem, der als Schöpfer und Erhalter über Raum und Zeit steht. Er schenkt in guten wie in schweren Zeiten Hoffnung, Nähe und Geborgenheit und jenseits der Zeit bleibendes Zuhause.

Josef Torggler

Vor mehr als 10 Jahren stellte ich im Religionsunterricht an Oberschüler die  Frage, ob sie es befürworten würden, dass der ganze schulische Unterricht nur mehr online abgewickelt würde. Technisch wäre es auch damals schon möglich gewesen, was jetzt in der „Corona-Zeit“ notwendigerweise ausgiebig gepflegt wird.

             Es gäbe viele Vorteile: Jeder könnte zu Hause bleiben, vieles von der straffen Ordnung in der Schüle würde wegfallen, Schüler und Lehrer bräuchten keine kostspielige und zeitraubende Anfahrt zur Schule machen, der Morgenverkehr auf den Strassen wäre viel weniger, im Schulgebäude bräuchte es keine Schuldiener und kein Reinigungspersonal, die teure Heizung im Winter könnte gespart werden, man könnte überhaupt auf die Schulgebäude verzichten usw.

             Die Antwort der Schüler auf meine Frage war eindeutig: Nein. Die erste Begründung: Wir hätten keine Mitschüler mehr. Dann folgten noch andere Gründe.

             Das elementar gute Gefühl der Jugendlichen sagte, dass Begegnungen mit anderen Jugendlichen und die Klassengemeinschaft für sie wichtig sind. Auch auf das unmittelbare Erleben der Persönlichkeiten der Lehrerinnen und Lehrer und ihre Bedeutung im konkreten Lernprozess wollten sie nicht verzichten. Auch die Erfahrungen  auf dem Schulweg hätten ihre Wichtigkeit.

             Junge Menschen brauchen über die Familie hinaus Personen, denen sie begegnen. Sie erfreuen sich an Ihresgleichen, lernen mehr die Welt der unterschiedlichen  Menschen kennen und entwickeln sich dabei in ihrer eigenen Persönlichkeit. Persönliche Begegnung mit anderen bereichert das Leben. Notwendige Toleranz wird im konkreten Umgang mit verschiedenen anderen eingeübt. Angemessene Selbsteinschätzung ergibt sich gerade im Gegenüber zu anderen. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Um einen  Menschen zu erziehen braucht es ein ganzes Dorf.“

             Allerdings ist nicht zu vergessen, dass Schülerinnen und Schüler manchmal auch unter Mitschülern und Lehrern zu leiden haben. Manche tragen ein Leben lang an negativen Erfahrungen, die sie in der Schule gemacht haben. Sehr oft aber bleiben gute Beziehungen und auch Freundschaften aus Klassengemeinschaften ein Leben lang als etwas Wertvolles erhalten.

             Der Religionsunterricht hat in alledem einen besonderen Stellenwert. Die Lerninhalte werden vor allem in Mittel- und Oberschule in diesem Fach häufig  interaktiv vermittelt. In Klassengesprächen zu den vorgestellten Inhalten wird die Ansicht jedes Gesprächsteilnehmers wertschätzend ernst genommen und kritisch eingebaut. Im Austausch unterschiedlicher Meinungen und im persönlichen Erleben der Mitschüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer weitet sich der gedankliche Horizont und entwickelt sich die Persönlichkeit der Jugendlichen.   

             Es bleibt zu hoffen, dass die technisch zunehmend großen Möglichkeiten eines Online-Unterrichtes unter dem Druck von Technik und Wirtschaft nicht dazu führen, die bisherige Form der Schule zu verlassen. Es wäre ein großer Nachteil für Jugendliche und Gesellschaft.

Josef Torggler

Im liturgischen Jahr bereiten wir uns über 5 Wochen (Fastenzeit) auf das Osterfest vor und feiern nachher wieder über 5 Wochen die österliche Zeit.

Ostern ist ein archetypisches Fest. Archetypisch bedeutet, es geht um ein historisch einmaliges Ereignis, das aber gleichzeitig aufzeigt, wovon alles Leben und die Geschichte vor und nach diesem Ereignis unausweichlich geprägt sind. Nicht umsonst wird das Osterdatum nach der astronomischen Konstellation von Erde, Mond und Sonne festgelegt.

Zunächst stehen da die historischen Ereignisse des Lebens Jesu: seine Menschenfreundlichkeit, sein Einstehen für Wahrhaftigkeit, sein Protest gegen Missbrauch von Religion und politischer Machtausübung, sein entschiedenes Zeugnis und seine Beziehung zum absoluten Herrn des Lebens, den er seinen und aller Menschen Vater nennt.

Es gibt das historische Faktum seiner Auslieferung an die populistisch irregeleitete Masse, seine ungerechte Verurteilung, seine Folterung und schließlich seine Tötung am Kreuz.

Und es gibt die Zeugnisse darüber, dass Jesus nicht einfach dem endgültigen Tod verfallen ist, sondern in einer ungeahnten neuen geistigen Weise des Daseins in Erscheinung tritt. Sein Tod ist nicht das Letzte, sondern Übergang zu neuem ungeahnten, geistigen Dasein.

Wenn Ostern ein archetypisches Fest genant wird, dann will damit gesagt werden, dass das, was sich historisch und beispielhaft an Jesus gezeigt hat, im Lebensprozess jedes Menschen und zugleich auch im Ganzen der Schöpfung in analoger Weise immer wieder ereignet.

Alles in der Schöpfung Gottes ist großartig durchwaltet von Ordnung, Sinn, Wohlwollen, Harmonie und Liebe. Die Schönheit und Ordnung der Natur und die Großartigkeit jedes Menschenkindes bezeugen es.

Zugleich aber ist alles immer neu und unausweichlich ausgesetzt der Vergänglichkeit, der Ungerechtigkeit, der Bosheit, dem schwer belastenden Schicksal, der Krankheit und dem Sterben. Immer neu gibt es Schmerzen und Leid, die schwer belasten. Dieser zweiten negativen Seite des Lebens kann niemand ganz entgehen.

Nicht bei negativen Erfahrungen stehen bleiben

Wenn wir das Archetypische von Ostern zu Ende denken, dann bedeutet das, dass wir in unseren Überlegungen nicht bei den jeweiligen negativen Erfahrungen stehen bleiben sollen. Wir mögen in unserem Denken weit über das je Aktuelle hinausgehen. Alles ist in einem großen Prozess, in eine große Entwicklung eingebettet. Jeder steht in einem großen Reifungsprozess, der immer auch über Schwierigkeiten geht.

Ostern zeigt etwas auf, das alle und alles betrifft. Es gibt nie absolute Vernichtung. In allem ist Übergang zu größerem Neuen. Für das menschliche Individuum bedeutet es schließlich in Zusammenhang mit dem Sterben: Befreiung aus der Enge des körperlichen Lebens in Raum und Zeit und Übergang in die Weite der geistigen Welt Gottes.

Hierin liegt der tiefe Grund, warum der auferstandene Christus im Evangelium vom Weißen Sonntag zu den Jüngern gleich dreimal tröstend sagen kann: „Friede sei mit Euch.“

Liebe Seniorinnen und Senioren!

 

Wir leben zurzeit in doppelter Hinsicht in einer besonderen Zeit.

Das Corona-Virus zwingt uns zu Hause zu bleiben und auf vieles zu verzichten. Das ist für viele nicht einfach. Zugleich stehen wir mitten in der Karwoche und erwarten das hohe Osterfest.

Auf alle gemeinsamen Gottesdienste und liturgischen Feierlichkeiten in der Kirche müssen wir verzichten.  Das soll uns aber nicht daran hindern, zu Hause in diesen Tagen besonders an Jesus Christus, an sein Leben und seine Auferstehung zu denken. Radio und Fernsehen geben uns dazu Gelegenheit.

 

Die Botschaft an uns alle kann man so zusammenfassen:  Jeder muss so oder anders auch durch manches Leid, durch manche „Karfreitage“ wandern. Es bleibt aber nicht für immer Karfreitag, sondern es geht über in den Ostersonntag.

Wir dürfen und sollen uns darauf einstellen:  Auch wenn wir oft leidvolle Stunden und Tage durchwandern müssen, so führt der Weg doch immer wieder zu neuem Gelingen. Dies gilt unvollkommen für das Leben in der Zeit und es gilt in vollkommener Weise für unser ganzes Leben über die Zeit hinaus.

Unser Lebensweg führt im Sinne der Auferstehung Jesu Christi in ein neues, von allem Leid befreites Dasein im großen wohlwollenden und liebenden Geheimnis Gottes.  

Nach diesen besinnlichen Tagen der Karwoche allen ein frohes, gesegnetes und gesundes Osterfest!

 

Mit österlichen Grüßen

Josef Torggler, Seniorenseelsorger­

 

Für Aussprachen ist Josef Torggler telefonisch und per Mail erreichbar:

Telefon: 0471 271614

E-Mail: torggler.j(at)gmail.com

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Wie erleben Sie diesen Ausnahmezustand?

Für mich persönlich ist es zunächst eine entspannte und ruhige Zeit. Alle Termine sind abgesagt. Sogar auf den Sonntagsgottesdienst ist keine Predigt vorzubereiten. Ich habe keine Probleme allein zu Hause zu sein. Es gibt zu Hause immer allerhand zu tun. Zugleich macht mir die Situation doch auch Sorge. Niemand kann sagen, wie lange das alles dauern wird. Was steckt hinter dieser Ruhe und Stille, die man überall beobachtet? Was ist hinter den Häuser- und Wohnungsmauern alles los? Was geht innerlich in den Menschen vor sich? Ich denke natürlich an all die Ärzte, Krankenschwestern und alle, die in der Pflege kranker und älterer Menschen unermüdlich tätig sind. Man kann auch die Sorge um die wirtschaftliche Situation vieler Handwerker und Betriebe wie des ganzen Staates und vieler Familien und Einzelpersonen nicht einfach wegschieben. Das alles bewegt mich. Es ist alles in Schwebezustand.  

 

Welche Probleme setzen den Senioren derzeit ihrer Ansicht nach am meisten zu?

Ich versuche immer beides zu sehen. Es gibt Senioren, die diese Situation gut aushalten und es als eine ruhige Zeit erleben. Sie sagen, die Luft ist viel besser, es gibt keinen Lärm von der Strasse her, ich weiß mich zu beschäftigen. Viele sind es gewohnt, allein zu sein. Aber dann gibt es natürlich sicher auch viele Senioren, die unter der gegenwärtigen Situation leiden. Sie fragen sich, wie lange wird das dauern? Sie erleben schmerzlich das erzwungene Fernbleiben der eigenen Kinder und Angehörigen. Manchen fehlen auch die größeren und kleineren Enkelkinder, für die sie oft da gewesen sind, wenn die Eltern außer Haus oder bei der Arbeit waren. Kinder können mühsam sein, sie bringen aber auch viel Leben und Kreativität ins Haus. Das fehlt vielen Senioren. Eine gewisse Angst vor eigener Erkrankung und Angst vor der Zukunft kann manche beunruhigen. Zugleich haben aber gerade ältere Menschen viel erlebt und viele Probleme in ihrem Leben bewältigt. Lebenserfahrung ergibt auch eine gewisse Gelassenheit.   

 

Warum halten sich viele, vor allem ältere Menschen nicht an das Ausgehverbot?

Zunächst sind wir das einfach nicht gewohnt, immer zu Hause bleiben zu müssen. Das gilt für jedes Alter. Es widerspricht unserem natürlichen Bedürfnis. Menschen brauchen Bewegung und Abwechslung. Menschen jeden Alters brauchen die Weite über die vier Wände der Wohnung  hinaus. Und einige Menschen, auch Senioren, leiden besonders unter einem „Hauszwang“. Vielleicht denken manche Senioren, mir kann nichts passieren und ich stecke auch niemanden an. Das kann aber eine folgenschwere Fehleinschätzung sein. Vielleicht gibt es bei einigen wenigen Senioren auch die Einstellung, ich lass mir nichts vorschreiben. Die unangenehmen, strengen Anweisungen haben aber ihren wichtigen Sinn zum Wohle aller, besonders auch für die Senioren. 

 

Welche Tipps können Sie Senioren in dieser schwierigen Zeit geben?  

Zunächst denke ich, dass es gut ist, nicht zu viel über alles nachzudenken und zu grübeln. Einfach tun, was man gerade zu tun hat und  sich an die einschränkenden Anweisungen halten. Das Leben bleibt auch so interessant und lebenswert. Es können alltägliche kleine Dinge plötzlich neuen Wert und neue Bedeutung bekommen. Kochen, Essen, Waschen, Ausruhen, Schlafen, Gespräche führen, Telefonate usw. können, wenn man sie achtsam macht, eine neue Qualität bekommen. Wenn man versucht, die alltäglichen einfachen Dinge sehr achtsam zu tun, dann kann sich das ganze Lebensgefühl verändern. Nichts ist mehr langweilig, wenn man es mit Bedacht macht. In allem ist Wertvolles und Schönes verborgen. 

Dies gelingt natürlich am leichtesten, wenn man seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann. Und das ist ein wichtige Tipp: Überlegen, was ich besonders gerne tue oder früher getan habe und sich dafür auch Zeit nehmen. Manchmal muss man sich dafür allerdings vielleicht auch einen "Ruck" geben. Achtsam das tun, was man tut, lässt viel Bedrückendes rundherum vergessen. Wir bleiben immer in der Hand dessen, der allem Auf und Ab des Lebens Sinn und Bedeutung schenkt, auch wenn wir es nicht verstehen.

In die Zeit gesprochen: Erzwungene Fastenzeit

 

Das war noch eine ganz andere Welt, als Jesus dem Evangelium entsprechend mit jener Frau am Jakobsbrunnen saß und mit ihr ein bedeutendes Gespräch führte, während seine Jünger zu Fuß ins nächste Dorf gingen, um etwas zum Essen zu kaufen. Damals gab es noch lange keine Wasserpumpen, keine Fahrräder, Motorräder, Autos, Flugzeuge, keine Telefone, Handys und Computer, keine Satelliten, die um die Erde kreisen und unser Internet bedienen. Es gab erst 250 Millionen Menschen auf der ganzen Erde.

             Heute erfreuen wir uns vieler großartiger technischer Errungenschaften. Sie machen uns das Leben in vieler Hinsicht leichter, einfacher und auch interessanter. Technik ist eine hohe Leistung der menschlichen Intelligenz und ist Kultur im weiten Sinne. Ohne den Einsatz von Technik könnten z. B. viele Krankheiten nicht geheilt werden und noch viel mehr Menschen müssten hungern. 

             Alles hat aber auch die Kehrseite der Medaille, bzw. seine Schattenseite. In vieler Hinsicht werden wir von den Anwendungen und vom Funktionieren der Technik sehr abhängig und damit unfrei. Die Versuchung zur Maßlosigkeit wird durch die technischen Möglichkeiten gewaltig vergrößert. Es fällt vielen von uns schwer, Maß zu halten bei allem, was uns heute möglich geworden ist. 

             Dazu gehört vieles, was die lebensbedrohliche Umweltbelastung angeht. Dazu gehört auch die Freude am Reisen. Die technischen Verkehrsmittel machen Massentourismus in alle Welt möglich.  Das Reisen in fremde Länder kann unser Wissen und unser Denken weiten und bereichern. Zugleich aber liegt darin u. a. die große Gefahr, dass Infekte und Krankheiten weitergetragen werden.       

             Der zur Zeit so ansteckende und gefährliche Virus, ist von einem kleinen Marktplatz in China nun fast schon in die ganze Welt getragen worden. Nicht durch den Wind, sondern durch reisende Menschen. Um uns selbst und andere zu schützen, müssen wir uns jetzt notgedrungen in einschneidender Weise selbst  beschränken. Es ist radikale Fastenzeit in der Fastenzeit.

             Diese Situation zwingt uns allerdings auch über vieles neu nachzudenken. Es drängt uns dazu, auf das Elementare und Wesentliche zu achten. Nicht draußen in der fernen Welt, nicht allein in den technisch bereit gestellten Bequemlichkeiten, nicht in der technischen Naturbeherrschung liegt unser Glück, sondern im vertrauten Bereich unserer Umgebung, in unserem eigenen Inneren, im Gestalten und Erleben von Beziehungen, im Erleben der Natur, in der bewusst gepflegten Beziehung zum Absoluten, zu Gott, durch den alles Werden und Vergehen seine Ordnung und seinen Sinn erhält .

             Jesus sagt zur Frau am Brunnen: Es wird die Zeit kommen, in der wir Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. Es wird die Zeit kommen, in der wir sowohl in der Religion wie im ganzen Leben auf das Wesentliche achten. Der Mediziner und Theologe Angelus Silesius hat es auf den Punkt gebracht und sagt: „Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“

Internationale Konferenz für Seniorenpastoral im Vatikan
Säule für Gesellschaft und Kirche


Die Menschen werden immer älter, damit steigt auch der Anteil der Senioren in der Gesellschaft. Das stellt diese und auch die Kirche vor neue Herausforderungen. Mit dem Thema befasste sich kürzlich eine internationale Konferenz für Seniorenseelsorge, an der auch der diözesane Beauftragte für die Seniorenpastoral Josef Torggler teilgenommen hat.


Wer zeichnete als Veranstalter für die Tagung verantwortlich?

Josef Torggler: Die Konferenz fand auf Wunsch von Papst Franziskus unter dem Titel „Der Reichtum der Jahre“ statt. Die Durchführung oblag dem vatikanischen Dikasterium „Laien, Familie, Leben“ unter dem Vorsitz von Kardinal Kevin Farrell. An der Konferenz nahmen 500 Personen aus 70 Ländern teil – vor allem auch aus Süd- und Nordamerika, aus Afrika und Asien.

Welche Themenschwerpunkte   wurden behandelt?

In Referaten und Diskussionen wurde über die kulturell-soziologischen, religiösen, medizinischen und ökonomischen Aspekte gesprochen, die das Leben älterer Menschen in den verschiedenen Ländern bestimmen. Dabei gibt es große Unterschiede. Im Allgemeinen ist die Lebenssituation von Senioren in Europa nicht so ohne Weiteres mit der in Afrika oder auch in Lateinamerika zu vergleichen.

Was bringen diese unterschiedlichen Lebenssituationen mit sich?

In den wohlhabenden Ländern sind besonders die älteren Menschen durch ihr Interesse und ihren Einsatz oft wichtige Säulen im kulturellen und kirchlichen Leben. Viele von ihnen sind noch sehr aktiv und kreativ und leisten unverzichtbare Dienste in den Familien bei der Betreuung und Erziehung der Enkelkinder. Sie besuchen Konzerte, Vorträge, machen Reisen. Manche besuchen sogar die Seniorenuniversität.

Inwiefern sind Senioren eine wichtige Säule im kirchlichen Leben?

Es sind vor allem ältere Menschen, die aktiv am Leben der Kirche teilnehmen, mitgestalten und mitarbeiten. Nicht nur bei der lebendigen Teilnahme an liturgischen Feiern, sondern besonders auch bei der Weitergabe der Praxis des Glaubens an die nächste Generation sind Seniorinnen sehr wichtig. Was die Trägerschaft von Religion und Kultur angeht, sind in unserer Zeit wesentlich die Seniorinnen und Senioren zu nennen. Dessen muss man sich heutzutage viel mehr bewusstwerden.

Wie wichtig ist Religiosität für die Senioren selbst?

Religiosität und Spiritualität können älteren Menschen inneren Halt, Vertrauen und Sinn für ihr Dasein und das näher kommende Ende ihres Lebens schenken.

Welche wesentlichen Aussagen wurden bei der Tagung getroffen?

Immer wieder wurde in den Referaten gesagt, Senioren dürften nicht als Last, sondern müssten als wertvolle Glieder von Kirche und Gesellschaft angesehen werden. Auch schwache und hilfsbedürftige alte Menschen sind eine wichtige wortlose Botschaft für jüngere Menschen. Diese Botschaft besagt: Bedenke das vergängliche Leben, sei dankbar für alles Schöne und Gute in deinen jungen Jahren. Durch die Pflege von hilfsbedürftigen Menschen erleben die Pflegenden und Helfenden selbst einen wichtigen Reifungsprozess in ihrem Denken und in ihrem Bewusstsein.

Welche Erkenntnisse haben Sie als diözesaner Seniorenseelsorger mitgenommen?

In unserem Land wird sehr auf das Wohl der Senioren geachtet. Als Beispiele mögen unter anderem die gut ausgestatteten und umsichtig geführten Altersheime gelten, die Organisation „Essen auf Rädern“, die medizinischen Dienste usw. Seelsorger bemühen sich nach Möglichkeit um die religiös-spirituelle Betreuung, wozu nicht nur liturgische Feiern, sondern auch entsprechende Bildungsangebote zählen. Lobenswert ist, dass sich Senioren selbst um Seniorenclubs in fast allen Dörfern bemühen. Spezielle Informationen zur Seniorenpastoral gibt es auf der Homepage „Senioren Diözese Bozen-Brixen“.

Welche Botschaft hat Papst Franziskus vermittelt?

Der Papst sagte, Senioren mögen nicht nur zurückschauen und bedauern, was vorbei ist, sondern vielmehr dankbar auf die Gegenwart schauen und aktiv überlegen, was sie noch Gutes und Hilfreiches für sich selbst und andere leisten können.

Bekanntlich ist nach Jesus das Liebesgebot das erste und wichtigste, woran Menschen sich orientieren sollen. Dabei ist mit „Liebe“ eine sehr umfassende Haltung gemeint. Es geht nicht nur um äußere Sympathie, um momentane Begeisterung, um erotisch-sexuelle Zuneigung, um schöne Gefühle. Es geht vielmehr um eine Lebenshaltung, die mit viel Wertschätzung, Achtung, Ehrfurcht und Lebensbejahung verbunden ist. Es geht um eine Grundeinstellung dem Leben und den Mitmenschen gegenüber.

            Jesus bringt es einmal auf den Punkt, indem er sagt: „Gott über alles lieben und den Nächsten wie sich selbst.“ Die Liebe zu Gott beginnt mit der Liebe zum Leben und zur Schöpfung und damit zu dem, der als Ordner, Gestalter und als Kraft hinter aller Schönheit und Ordnung der Schöpfung steht. Liebe betrifft die Wertschätzung und Freude am eigenen Dasein, ohne Selbstüberheblichkeit und Wichtigtuerei. Liebe meint unbedingte Wertschätzung, Bejahung und verständnisvolle Rücksicht den Mitmenschen gegenüber.   

            Wie es in der Natur  die Gesetze braucht, so braucht menschliches Leben und Zusammenleben ebenfalls Richtlinien, Gebote wie auch Gesetze. Wir haben zum Wohle aller die staatlichen Gesetze und Bestimmungen, die mehr oder weniger gerecht sein können und sich jeweils den Umständen entsprechend ändern können und müssen. Und wir haben die ethisch-moralischen Gebote, die für das Gelingen des Einzelnen wie für die Gemeinschaft unbedingte Voraussetzung sind. Die ethisch-moralischen Gebote setzten tiefer an als dir veränderbaren von Menschen gemachten gesetzlichen Bestimmungen.

            Ob wir die öffentlichen Gesetze zum Gemeinwohl einhalten oder nicht, ist eine ethisch-moralische Frage und hat mit jener Instanz in uns zu tun, die wir Gewissen nennen. Zu den moralischen Geboten in der Bibel gehören die bekannten 10 Gebote. Sie sind nicht einfach willkürlich festgelegt, sondern sind Anwendungen des Liebesgebotes auf bestimmte Situationen hin.

            Wer in ehrlich wertschätzender und wohlwollender Haltung anderen gegenüber eingestellt ist, wird diese nicht belügen, bestehlen, betrügen, gewalttätig behandeln oder gar töten. Das verbietet die innere Logik. Hinter den 10 Geboten wie auch hinter gerechten und vernünftigen Gesetzen steht letztendlich das Liebesgebot. Das Gebot gegenseitiger Wertschätzung und des Allgemeinwohles.

            Nur äußere Beobachtung von Gesetzen allein genügt nicht. Man kann Gebote und Gesetze buchstabengetreu beobachten und doch am gelungenen Leben vorbei leben und sogar unmenschlich und ungerecht werden. Das kritisiert Jesus an den Pharisäern.

            Gesetze und Gebote sind wichtige Hilfen, sie können aber nie das konkrete Leben in seiner Komplexität einholen. In der gelebten Haltung verständnisvoller Liebe hingegen kann jemand Kompromisse eingehen, ohne sich selbst und dem anderen untreu zu werden. Die Haltung echter Liebe ist Sinn und Erfüllung aller Gebote und lässt Leben gelingen.

Bei der Pastoraltagung im September ging es um die Aufgabe der kirchlichen Medien bei der Stärkung der Gemeinschaft und des christlichen Glaubens. Dazu hat Pater Robert Prenner ein Gespräch mit Josef Torggler geführt, das im Katholischen Sonntagsblatt vom 26. Jänner 2020 abgedruckt worden ist.

Der Diözesanpriester Josef Torggler war im Laufe seiner 52 Berufsjahre in verschiedenen Bereichen tätig. Er unterrichtete über 30 Jahre lang Religion an der Oberschule und war Hochschulseelsorger. Zudem arbeitete er als Psychotherapeut in der Familienberatung, war Mitarbeiter am kirchlichen Ehegericht und wirkte als Seelsorger für die Katholische Jugend und die Jungschar. 

Seit September 2018 ist Torggler Seniorenseelsorger. Als solcher besucht er regelmäßig Seniorengruppen im Lande, hält Vorträge und hat Zeit für persönliche Gespräche: „Es ist sehr wichtig, auf ältere Menschen zu achten und ihnen Wertschätzung zu schenken. Ihre Lebenserfahrung und Sichtweise ist wertvoll für die Gesellschaft und die Kirche“, betont Torggler.

Gegen Schönfärberei

Seit 40 Jahren schreibt Torggler für die Tageszeitung „Dolomiten“ monatlich einen Beitrag unter der Rubrik „In die Zeit gesprochen“. So ist es nicht zu wundern, dass Josef Torggler Wesentliches zum Thema Kommunikation zu sagen hat. Er bezeichnet sich als „Dienstleister“ und sieht die größte, aber auch schwierigste Aufgabe eines Journalisten darin, „den Menschen zu helfen, sich in dieser immer komplizierteren Welt zurecht-zufinden“. Dieser Priester ist gegen jede Schönfärberei, aber auch gegen einen Journalismus der Panikmache und Schwarzmalerei. Was Menschen im Medienangebot immer mehr vermissten, seien Botschaften, „die Raum lassen für Zuversicht und Eigenverantwortung“. Der Populismus spalte die Gemeinschaft; er lebe von Feindbildern und suche ständig nach Schuldigen, anstatt konkrete Lösungsvorschläge zu machen. 

Auf das Wesentliche konzentrieren

„Die Kirche muss wieder bescheidener werden und sich auf das Wesentliche konzentrieren und so den menschlichen Bedürfnissen nachkommen“, ist der Seelsorger überzeugt. Die Worte seiner Mutter, die sie zu ihm nach der Priesterweihe sagte, haben sein Leben und Wirken geprägt. Sie sagte: „Bitte, mach es den Leuten nicht zu schwer.“ 

Die Kirche habe es oft besonders den Frauen schwergemacht und zu leicht von schweren Sünden geredet. Die Verkündigung der christlichen Frohbotschaft müsse immer von den konkreten Erfahrungen der Menschen ausgehen. „Nur ein Priester, der selbst gelitten hat, kann die Herzen der Menschen erreichen. Das setzt persönliche Betroffenheit voraus, sonst bleibt es bei leeren Floskeln“, so der Priester. 

Noch nie so christlich

Vieles an äußeren Strukturen breche heute in der Kirche zusammen. Jede Krise rufe aber nach Veränderungen und mache zugleich stärker. Auch die Kirchengeschichte sei Heilsgeschichte. Zu Menschen, die meinen, diese Kirche von heute sei nicht mehr christlich, pflegt Torggler zu sagen: „Noch nie in den vergangenen Jahrhunderten war die Kirche so christlich wie heute.“ Diese etwas provozierende Aussage belegt er durch Beispiele: Jahrhundertelang habe man das Christentum recht unchristlich vermittelt, mit viel Zwang und Angst vor der Hölle. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil seien die Juden diskriminiert und Menschen anderer Religionen als gottlos verurteilt worden. Dies entspreche nicht dem Denken Jesu. Die Kirche habe lange gebraucht, um die Freiheit der Gewissensentscheidung und die Menschenrechte anzuerkennen. Und die zwei Weltkriege seien von Christen geführt worden. 

Torggler träumt aber nicht von einer heilen Welt, eine ganz heile Welt werde es nie geben. Es sei auch nicht Aufgabe der Kirche, die Menschen zu indoktrinieren oder zu missionieren. Die Zeit der Bevormundung sei vorbei: „Wir dürfen aber davon ausgehen, dass jeder Mensch liebes- und heilsbedürftig ist. Dieses Bedürfnis zu sehen und zu stärken, ist Aufgabe der Kirche“, betont Torggler.

Erschienen im "Katholischen Sonntagsblatt", Nummer 05/2020 (26.01.2020)

Von alters her bis auf den heutigen Tag beschäftigt uns Menschen die Frage nach dem Bösen. Menschen haben große Sehnsucht nach dem gelungenen, glücklichen und friedlichen Leben. Tatsache aber ist, dass unendlich vieles diese Sehnsucht nicht zur vollen Erfüllung kommen lässt.

            Dies einerseits wegen die Endlichkeit und Begrenztheit der Natur und des Lebens, anderseits aber wesentlich auch durch den Missbrauch des freien Willens des Menschen, durch seine Selbstüberheblichkeit und seine Bosheit. Das Böse widersprich dem Gelingen des Lebens.

            Philosophen und Theologen, Dichter und Denker sowie alle Religionen haben sich mit der Frage nach dem Bösen auseinander gesetzt. Unendlich Vieles ist darüber gedacht und geschrieben worden. Besonders auch die Bibel beschäftigt sich mit dieser Thematik. Die Bibel setzt sich in verschiedenen bildhaften Erzählungen und begrifflichen Aussagen mit der Frage von Gut und Böse auseinander.

            Der biblischen Überlegung und Überzeugung entsprechend besteht das Böse in der destruktiven Störung der vorausgehenden guten Ordnung des Lebens und der Schöpfung. Das zerstörerische Böse hat nicht in sich selbst Bestand, sondern sekundiert die in allem voraus und zu Grunde liegende Harmonie. Ohne die vorausgehende  Ordnung könnte das Böse nicht sein. Das Böse ist nicht gleich mächtig wie das Gute.

            Mächtiger und wirksamer als das Böse bleibt das Gute, auch wenn es äußerlich oft anders aussieht. Darauf gründet die Sichtweise der christlichen Religion, aber auch die Hoffung jedes Menschen. Sieger bleibt nicht der äußerst mächtige Drache des Bösen, sondern das Lamm als Bild für das Gute, das in Jesus Christus unüberbietbar zutage tritt. So weiß es das Buch der Apokalypse.  

            Auf diesem Hintergrund bekommt das Sakrament der Taufe seinen wichtigen Sinn und seine Bedeutung. Im äußeren Zeichen der Taufe wird dem Täufling die innere Realität bewusst gemacht, dass sein Leben verankert ist und bleibt im Guten, in der umfassenden Liebe Gottes. Dies, auch wenn der Getaufte, wie alle Menschen, unvermeidlich und zum Teil auch durch eigene Schuld in manches Böse hineingezogen und auch schuldig wird.

            In der Taufe wird die Realität bewusst gemacht, dass der Mensch in der großen Harmonie der guten Schöpfung Gottes eingebettet ist und bleibt. Zu ihr kann er immer neu zurückkehren, auch wenn er da und dort in seinem persönlichen Leben der Schuld und dem Bösen nicht zu widerstehen vermag und sich selber schadet. Freiheit besteht nicht nur zum Bösen, sondern besonders vor allem auch zum Guten.

            Inmitten aller Unstimmigkeiten und Bosheiten bleibt der Weg zur Erfüllung der Sehnsucht nach dem gelungenen, „heilen“ Leben offen. In der Taufe der Person Jesu fallen  Zeichen, Sinn und bezeichnete Realität in unüberbietbarer, gelebter Weise zusammen.

            Es tut gut, sich immer neu auf wesentliche Inhalte der Bibel zu besinnen. Die umfangreichen Texte der Bibel zeigen sehr verschiedene Ausdrucksformen, sind in ganz unterschiedlichen Zeiten und Situationen entstanden und stammen von ganz verschiedenen Autoren. In allen ihren Teilen will die Bibel als Lebensbuch und Weltanschauungsbuch verstanden werden. 

            Die Aussagen der Bibel sind in menschlicher Sprache verfasst, die wie das Lebens selbst, immer mehrdeutig und vielschichtig sind. Biblische Texte müssen deshalb immer neu befragt und auf das aktuelle Leben hin interpretiert und gedeutet werden. Sie sind  immer neu auf ihren bleibenden Sinn hin zu befragen. Man kann versuchen, die wichtigsten Kernaussagen zu benennen.

            Zunächst setzt die Bibel in all ihren Teilen immer die Existenz Gottes voraus. Eine weltanschauliche Wahrheit, die für viele auch heute immer neu eine Herausforderung bedeutet. Im Sinne der Bibel kann es keinen Ort und keine Zeit geben, in der Gott als der Grund und Schöpfer von allem, nicht da wäre. Dieser göttliche Grund aber bleibt ein unergründliches Geheimnis, das alle unsere menschlichen Begriffe und Vorstellungen übersteigt. Nur in Vergleichen und Bildern kann von ihm gesprochen werden.

            Es gehört zur Kernaussage der Bibel, dass Gott alle seine Geschöpfe, vor allem die Menschen selbst, unbedingt bejaht und ihr Gelingen bzw. ihr „Heil“ beabsichtigt und will.

Dieses Gelingen menschlichen Lebens ist immer wieder in Gefahr. Die Großartigkeit des Menschen, die mit der Vernunft und der Freiheit gegeben ist, wird für ihn immer wieder zum Problem. Der Missbrauch der Freiheit und unbedachtes Handeln führen den Menschen in einen verhängnisvollen und tragischen Widerspruch mit sich selbst, mit anderen und mit dem Leben selbst.

             Jeder weiß, dass das Leben in der Welt neben allem Schönen und Guten auch mit vielen Krisen und oft mit viel Leid verbunden ist. Das weiß auch die Bibel. Sie spricht vom Kreuz, das Menschen oft erleiden. So besonders auch Jesus. Krisen und Leid aber sind eingebettet in den großen, übergeordneten Prozess des Ganzen. Sie sind Teil des großen Entwicklungs-, Verwandlungs- und Reifungsprozesses. Krisen und sogar Schuld können Reifung und Übergang zu neuem, größerem Gelingen bedeuten. Die große Krise des Todes ist nach biblischem Denken Übergang in eine ganz andere endgültige Befreiung und Vollendung.

                        Die Bibel gibt Orientierung und zeigt in vielfacher Weise Haltungen auf, die zum Gelingen führen. Nicht Selbstherrlichkeit und Selbstüberheblichkeit, sondern gläubiges Vertrauen in den Sinn des Ganzen und liebende Achtung und Ehrfurcht vor den Mitmenschen und vor allen Geschöpfen ist der biblische Weg zum gottgewollten Gelingen.

Jeder kennt in seinem Leben das Warten. Täglich werden wir mehrmals damit konfrontiert. Die Spannung des Wartens auszuhalten, kann oft unangenehm sein: Bis endlich der Bus kommt, bis die Post oder die Zeitung kommt, bis das Essen fertig ist, bis Eltern oder Kinder nach Hause kommen, bis man an einem Schalter dran kommt, bis eine Krankheit wieder geheilt ist, bis die Zeiten besser werden......Die Aufzählung unserer Wartesituationen kann man unendlich fortsetzen. Irgendwie ist das ganze Leben ein Warten auf etwas.

Es gibt ein Theaterstück, das heißt: "Warten auf Godot", von Samuel Beckett. Darin wird während des ganzen Theaters nur das Warten dargestellt. Die Schauspieler warten auf jemanden, den sie nicht kennen, der aber kommen soll. Sie können sich von diesem Warten nicht befreien und sind unendlich gelangweilt und enttäuscht, weil der Erwartete bis zum Schluss nicht kommt. In ihrem endlosen Warten erleben sie weder Freude und noch Sinn.

Tatsächlich wäre das Leben schrecklich, wenn wir nur Hoffnungen und Erwartungen hätten und das Erwartete nie eintreten würde. Gott sei Dank erleben wir das nicht so. Aber wir müssen unterscheiden. Vieles, ja sehr vieles im Leben erfüllt sich und schenkt Genugtuung. Aber wir machen auch die andere Erfahrung: Vieles bleibt offen und unerfüllt. Oft kann uns das sehr zu schaffen machen. Dabei müssen wir manchmal große innere  Spannungen aushalten und damit leben.

Diese unangenehmen Spannungen sind umso größer, desto mehr wir uns an irgendeiner vorläufigen Erwartung unbedingt festklammern. Manchmal meinen wir, vom Haben oder Nicht-Haben, vom Erreichen oder Nicht-Erreichen von diesem oder jenem hängt der ganze Sinn unseres Lebens ab. Hier müssen wir innehalten und nachdenken. Hier unterliegen wir oft einer großen Täuschung, die uns unglücklich macht.

In der Adventszeit warten wir äußerlich auf Weihnachten, das Fest der Geburt und Ankunft Jesu. Dieses Warten hat – recht bedacht - eine ganz eigene, besondere Qualität. Das, was wir da erwarten, ist schon gegeben und anwesend.  Es geht darum, es immer mehr in uns bewusst werden zu lassen.

Weihnachten drückt die jederzeit gegebene, unbedingte liebende Zuwendung Gottes zu jedem von uns in Jesus Christus aus. Advent ist die erwartungsvolle, bewusste Einübung in diese Wahrheit von Weihnachten: Du brauchst Dir deinen Wert und Sinn nicht selbst mühevoll zu erarbeiten, sondern es ist Dir, wie jedem Kind, immer schon geschenkt und mitgegeben.

Aus diesem befreienden Wissen können wir ehrlich, einfach und gerecht, ohne Stress leben und unseren täglichen Aufgaben nachgehen. Inmitten aller äußeren Unruhe und Unerfülltheit des Lebens, kann sich gelassene Ruhe und zuversichtliche Freude ausbreiten. Adventliches Warten kann in uns von Weihnachten her heilend wirksam werden.

Es gibt zwei unterschiedliche Fragestellungen, die man der Geschichte gegenüber einnehmen kann. Das eine ist die Frage, was im Laufe der Geschichte alles geschehen ist, die Frage nach den Fakten und Ereignissen. Die ganz andere Frage an die Geschichte lautet: Welchen Sinn hat die Geschichte eigentlich? Diese Frage zu stellen ist sinnvoll, auch wenn sie schwer zu beantworten ist. Nachdenkliche Menschen stellen sich diese Frage.

Tatsche ist, dass in der Geschichte zu jeder Zeit bis auf den heutigen Tag Menschen viel gelitten haben. Das wissen die Historiker und das wissen die Philosophen und Theologen wie auch jeder einfache Mensch. Von Leiden und Katastrophen spricht auch Jesus im Evangelium. Er redet nicht nur davon, sondern er hat vieles auch selbst hautnah erlebt.

Jesus unterscheidet im Evangelium nicht zwischen dem Leiden, das uns von der Natur her begegnet in Form von  Naturkatastrophen und Krankheiten und jenem anedren Leiden, das durch Engstirnigkeiten und Bosheiten der Menschen bewirkt wird. Zu diesen letzten gehören Verleumdungen, Verfolgungen, Ungerechtigkeiten, Hass, Kriege, Morde usw. In der Geschichte gibt es unendlich viele Übel, die mit den Mächten der Natur zu tun haben und viel Leidvolles, das durch Unmenschlichkeit und Missbrauch der Freiheit von Menschen zu tun hat.

Beide Formen von Leiden sind große Herausforderungen, die es immer schon gegeben hat und bis heute gibt. Man kann sich fragen: Wird das je einmal anders werden? Man ist geneigt, dies zu verneinen. Auch Jesus spricht nicht von einer „heilen Welt“, die es auf Erden einmal geben wird. Die Natur bleibt mit ihren Katastrophen übermächtig, auch wenn wir uns in mancher Hinsicht schützen können. Und ob die egoistischen Bosheiten der Menschen je ein Ende haben werden, ist mehr als fraglich. Was ist dann der Sinn von allem, der Sinn der Geschichte? Die letzte Antwort wird offen bleiben müssen. Jesus verweist im Evangelium auf das Individuum, auf jeden einzelnen. Ihm geht es um einen  inneren Reifungsprozess, den der Mensch inmitten aller Erfahrungen und Schwierigkeiten in Raum und Zeit machen soll. Er sagt: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Jesu Wort und Beispiel entsprechend sind wir eingeladen, zum einen selbst je und je Sinnvolles und Gutes in der Geschichte aktiv zu tun  und zum anderen  nicht vermeidbares  Leiden, woher immer es auch kommen mag, zuversichtlich anzunehmen. Im Leben jedes einzelnen geschieht wichtige Sinnerfüllung der Geschichte.

 Wir mögen uns in ein großes und weites Bewusstsein einüben, indem wir mit den unvermeidlichen Gegensätzen der Welt leben und darüber stehen. Das ist möglich, wenn man sich, wie Jesus selbst und viele andere, mit dem Absoluten, mit Gott verbunden weiß, in dem alle Gegensätze in einer übergeordneten Einheit aufgehoben sind. In ihm ist schon jetzt und jenseits von Raum und Zeit Sinnerfüllung und Vollendung gegeben.

Unsere privaten Wohnungen und Häuser sind uns sehr wichtig. Da sind wir zu Hause. In unseren Wohnungen können wir sein wie wir sind, ohne bestimmte berufliche oder gesellschaftliche Rollen spielen zu müssen. Es sind Orte, die uns schützen vor den Unbilden der Natur, wo wir uns von der Öffentlichkeit zurückziehen und erholen können.

Eltern, Kinder und Jugendliche leben in den Wohnungen als Familie zusammen und erleben sich gegenseitig.  Spontane Gefühle dürfen zum Ausdruck kommen. Da darf man auch einmal traurig sein oder auch ungehalten und sogar einmal zornig sein, ohne größere Nachteile zu haben.  Offen kann über alles Mögliche geredet werden. Zu Hause wird gegessen und geschlafen. Dort kann man spielen und den persönlichen Lieblingsbeschäftigungen nachgehen. Ein Haus oder eine Wohnung ist wie ein schützender Bunker der Menschlichkeit.

In jedem Dorf und in jeder Stadt gibt es aber auch jene anderen Häuser, die nicht privat sind, sondern allen gemeinsam gehören. Gemeint sind die Kirchen und Gotteshäuser der Pfarrgemeinden. Diese stehen tagsüber stets offen für alle. Jeder kann jederzeit hineingehen. Ihre besondere Bedeutung kommt  bei den Gottesdiensten zum Ausdruck.

Kirchen haben eine ähnliche Wichtigkeit wie die Privathäuser. Auch in den Kirchen geht es nicht um Leistung, nicht um besondere Rollen, nicht um beruflichen Stress. Kirchen sind Orte, in denen Menschen einfach da sein dürfen wie sie sind. Es zählt nicht ob jung oder alt, ob reich oder arm, ob angesehen oder weniger. Es geht im Kirchenraum nur um den Menschen und die Solidarität aller vor dem großen Geheimnis Gottes. Man kann es das Haus der Menschlichkeit und der Menschenwürde nennen.

Die Kirchenräume möchten uns in unseren eigenen persönlichen Innenraum führen. Es sind Orte, die zum Nachdenken einladen, zum Nachfühlen, zum Einordnen alles dessen, was man im Alltag an Schönem, aber auch an Belastendem erlebt. Der besinnliche und betende Aufenthalt in der Kirche kann uns helfen, das zu relativieren, was wir oft fälschlicherweise im Leben zu wichtig nehmen und uns deshalb belastet.

In der Feier der Gottesdienste wird in den Kirchen das große Geheimnis bewusst, das in jedem Menschen und im Leben überhaupt gegeben ist. Die unbedingte Bejahung eines jeden kommt im Wort Gottes zum Ausdruck und die heilende Gegenwart der Liebe Gottes wird gefeiert.

Kirchen sind auch außen weithin sichtbare Zeugen für denjenigen, der nicht nur der Schöpfer, Erhalter und Sinnstifter von allem ist, sondern der besonders auch jedem einzelnen Menschen unendlichen Wert und Sinn verleiht und die Solidarität aller aufzeigt. Seine befreiende und wohlwollende Zuwendung wird in unseren Kirchen besonders in den Sakramenten gefeiert.

Der Kirchweih-Sonntag möge Anlass dafür sein, Sinn und Wert der Kirchen in ihrer bleibenden Bedeutung  für unser Leben zu bedenken und zu schätzen.

Es ist eine alte Erfahrung, die jeder irgendwann macht. Etwas zu verlieren, das einemwertvoll und wichtig war, ist sehr unangenehm und schmerzlich. Wenn man das Glück hat, es wieder zu finden oder wieder zu bekommen, dann ist man glücklich und schätzt das Verlorene oder abhanden Gekommene doppelt.

Solche Erfahrungen sind wichtig. Einerseits werden wir dadurch vorsichtiger und umsichtiger. Zum anderen aber können wir, wenn es vielleicht endgültig verloren ist dadurch früher oder später draufkommen, dass man auch ohne das Verlorene leben kann. Es war doch nicht das Allerwichtigste. Alle Verluste im Leben relativieren zu können ist wichtig und macht frei.

Ähnlich ist es mit der Erfahrung vom Schuldigwerden. Niemand kann leben, ohne irgendwann da oder dort schuldig zu werden. Wir haben nicht immer den ganzen Durchblick über die Konsequenzen unserer Handlungen. Auch haben wir nicht immer nur die besten Absichten.

Bewusst oder unbewusst ist jeder so oder anders auch ein Egoist. Sich selbst zu schätzen ist wichtig und notwendig. Dabei gehen wir aber oft zu weit, verletzen einander und können schuldig werden. Wenn jemand meint, er oder sie sei immer und überall unschuldig, dann täuscht er oder sie sich. Auch der Gesellschaft, den Tieren und der Natur gegenüber kann man schuldig werden.

Was Eigensinn, Egozentrik und Schuld betrifft, so weiß man von Alters her und es weiß auch die moderne Psychologie, dass jemand nur „ganz“ werden, innerlich ausgewogen und zufrieden werden kann, soweit er versucht, ehrlich zu seinen Schwächen und auch zur eigenen Schuld zu stehen. Dabei können wir uns allerdings selbst nie voll durchschauen. Vieles in uns bleibt Geheimnis.

Schon immer wusste man, dass Verdrängen und Verheimlichen von Schuld vor sich selbst und vor anderen ein Problem darstellt. Es lässt nicht ruhig und gelassen werden. Es erzeugt einen oft unbewussten inneren Stresszustand, der sich auch in äußerer Unruhe zeigen kann.

Reifungsprozesse von Menschen

Das Eigenartige ist, dass wir zwar einerseits Schuld vermeiden sollen und wollen, dass es aber nicht möglich ist, ohne da und dort mehr oder weniger schuldig zu werden. Was ist dann der Sinn der Schuld? Warum ist das so?

Genauso wie schmerzliche Verluste bewusster und achtsamer machen können, so kann Schuld und das ehrliche Eingestehen von Schuld wesentlich zum Reifungsprozess einer Person beitragen und Beziehungen verbessern. Wer zu seinen Schwächen, Fehlern und auch zur Schuld stehen kann, wird ausgewogener, stimmiger, ehrlicher, gelassener und glücklicher.

Das verlorene Schaf, die verlorene Drachme und besonders auch der verlorene Sohn im Evangelium sind Beispiele für Reifungsprozesse von Menschen. Jesus erweist sich mit seinen Beispielen als guter Kenner der menschlichen Lebensprozesse. Gott selbst hat alles in den großen Reifungs- und Entwicklungsprozess der Menschen eingestiftet.

Wir wissen, dass wir alle aufeinander angewiesen sind. Warum gibt es dann doch immer wieder auch Streit und Auseinandersetzungen? Eigentlich möchte jeder Frieden und Ruhe haben. Streit bringt viel Leiden in das Zusammenleben.

Damit eine Gemeinschaft lebendig bleibt, muss jeder seine Individualität, seine Ideen, seine Bedürfnisse und Vorstellungen einbringen. Jeder muss seine Individualität erhalten und zum Ausdruck bringen. Da stoßen dann gegensätzliche Meinungen und Interessen aufeinander. In Familien, Verwandtschaften, Vereinen und politischen Parteien, in Wirtschaft und Politik und sogar in kirchlichen Gemeinschaften. Faire Auseinandersetzungen sind notwendig, arten oft aber im destruktiven Streit aus.

Auch Tiere gleicher Art tragen untereinander Aggressionen aus. Diese Auseinandersetzungen haben immer einen wichtigen Sinn: Brutpflege, Futtersicherung, Arterhaltung. Genauso haben auch die Streitigkeiten zwischen Menschen stets einen sinnvollen Grund, den es zu erkennen und zu benennen gilt.

Aufgrund ihres Instinktes lassen Tiere gleicher Art von der Aggression sofort ab, sobald der Grund der Aggression geklärt ist. Tiere halten sich auch nach heftigen Auseinandersetzungen von der Tötung der Artgenossen instinktiv zurück. Sie töten normalerweise nie Tiere der gleichen Gattung.

Aggressionen und Auseinandersetzungen zwischen Menschen aber können über den sinnvollen Kontext hinausgehen und sehr destruktiv werden, bis hin zu dauernden Unversöhntheiten und Feindschaften. Sie können sogar zu Morden führen. So gesehen haben die Tiere durch ihren Instinkt uns gegenüber einen Vorteil.

Menschen müssen den teilweisen Verlust der Instinktgesichertheit mit ihrer Vernunft ausgleichen. Es braucht vernünftige Erziehung und Moral, gerechte Gesetze, Gerichte und Polizei wie besonders auch Kultur und Religion. Um destruktiven Streit zu vermindern, gibt es Schulungen, psychologische Beratungen und Mediation. Vom Kindergarten an sollte konstruktives Streiten gelernt werden.

Innere Bereitschaft und Arbeit an sich selbst

Es erstaunt, dass Jesus im Evangelium sagt: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, nicht Frieden, sondern Spaltung.“ Er meint zunächst, dass um der Wahrheit und um des Gemeinwohles willen auch gestritten werden darf und muss. Er zählt dann beispielhaft alltägliche Streitsituationen auf, wie sie mit dem konkurrierenden Verhalten im alltäglichen Lebensprozess gegeben sind.

So gesehen hat nicht erst Jesus Spaltung und Streit gebracht. Vielmehr weist er darauf hin, wie es von Anfang an unter den Menschen zugeht. Er selbst stand im tragischem Konflikt mit einer Gruppe uneinsichtiger und populistisch agierender Pharisäer. Dies führte sogar zu seiner ungerechten Tötung.

Es bleibt wichtige und nicht einfache Aufgabe, destruktive Streitsituationen zu vermeiden und konstruktive Formen des Streitens zu finden. Dies setzt viel innere Bereitschaft und Arbeit an sich selbst voraus.

Worte sind sehr wirkmächtig. Man spricht sogar von der „Magie der Worte“. Worte können erfreuen, beruhigen, trösten, versöhnen, aufrichten, ermutigen. Worte können aber auch verletzen, demütigen, ausgrenzen, entmutigen, Streit herbeiführen und verschärfen, verleumden.

Wer mit Worten verletzt wird, kann oft für einige Stunden, sogar für Tage in sich ein schlechtes Lebensgefühl haben. Wenn Menschen (z. B. Ehe- und Lebenspartner) sich immer wieder verletzende Worte sagen, kann sich zwischen ihnen allmählich eine Wand aufbauen, die irgendwann nicht mehr zu überwinden ist.

Wenn Kinder und Jugendliche von klein auf immer wieder verletzende Worte gesagt bekommen, wird in ihnen angemessenes Selbstwertgefühl, mutige Lebensfreude und Vertrauen geschwächt oder gar zerstört.

Es liegt an uns und an unseren Worten, welches Lebensgefühl Menschen neben uns entwickeln.

Wir sind durch unsere Worte entscheidend mitverantwortlich für die Lebensqualität der anderen Menschen. Es liegt an uns und unseren Worten, ob der andere neben uns in seinem Leben etwas von der Qualität des „Himmels“ oder des „Fegfeuers“ erlebt.

Auch Worte der Lehrer können in den Schülern viel Hilfreiches bewirken oder manchmal auch lebenslang nicht heilende Wunden zufügen.

Nicht zu vergessen: Das Wort Gottes ist – auch wenn es bisweilen Kritik und Zurechtweisung ausdrückt – letztlich immer ein gutes und ermutigendes Wort, auf das wir besonders hinhören mögen und das wir weitergeben können.

Josef Torggler

Distanziertes Wissen und einfühlsame Begegnung

Dieses Gespräch könnte so stattgefunden haben:
„Du gehst tüchtig ran, Vater“. Sohn Ulrich trifft seinen Vater bei einer ausgedehnten Autowäsche.
„Weißt du“, erklärt der Vater, „die anderen machen mir das nicht sorgsam und gründlich genug. Der Wagen ist für mich eine wertvolle Kapitalanlage. Da muss man schon selbst etwas Zeit und Mühe drauf verwenden.“
Bin ich eigentlich keine wertvolle Kapitalanlage?“
„Wieso?“
„Weil du nie Zeit für mich hast!“

Der Philosoph und Psychotherapeut Ernst Fromm wies in seinen Schriften darauf hin, dass wir zunehmend in einer „nekrophilen“ Gesellschaft leben. Das heißt, in einer Zeit, in der tote Objekte, Wissen und Technik, Erfolg und Besitztümer mehr geachtet und geschätzt werden als das Lebendige, mehr als die Natur mit ihren Pflanzen und Tieren, mehr vor allem auch als die Mitmenschen. Empathie und Einfühlung würden abnehmen zugunsten von kaltem Wissen, Planen und technischer Weltbeherrschung.
In der weltweiten Politik scheinen persönliches Karrieredenken und egoistischer Nationalismus auf Kosten des Gemeinwohles aller stark zuzunehmen. Es gibt Politiker, die kein Problem damit haben, z. B. Flüchtlinge einfach auf Booten sterben oder in Fluten ertrinken zu lassen oder gegen sie hohe Mauern zu errichten. Wichtig bleibt die eigene Karriere, wenn auch auf Kosten von Menschenleben.

Technische Weltbeherrschung bringt viele Vorteile und Annehmlichkeiten. Sie fördert aber nicht einfühlenden Umgang mit dem Lebendigen. Dies zeigt sich in vielen Bereichen. Auch die neuerdings so gepriesene Technik von Elektroautos verheimlicht die äußerst schädliche Herstellung und Entsorgung der schweren Batterien. Die Behauptung, durch mehr und bessere Technik werden wir die Schäden der Technik überwinden, dürfte eine Fehleinschätzung sein.

Bei aller schulischen Wissensvermittlung in den verschiedenen Fächern und bei aller technischen Ausbildung bleibt es wichtig, Jugendliche und Erwachsene persönlich in ihrer Ganzheit und Einmaligkeit als Mensch nicht zu übersehen, sondern zu schätzen.

Es wird zunehmend wichtig, beim Aufzeigen und Lernen der großen Zusammenhänge mit dem Wissen auch Einfühlung und verantwortungsbewusste Wertschätzung zu fördern. Besonders das Fach Religion hat hier eine wichtige Aufgabe. Die Art und Weise wie Lehrer und Schülern sich im Unterricht begegnen ist in diesem Zusammenhang ebenso wichtig wie der theoretische Leninhalt.

Josef Torggler, in: RL-Forum August 2019

 

Alles was in der Zeit begonnen hat, geht in der Zeit auch wieder zu Ende. Jede Stunde, jedes Jahr, jedes Ereignis und jede Erfahrung. Oft sind wir froh, dass etwas wieder zu Ende geht und oft sind wir traurig darüber. Auf jeden Fall aber müssen wir immer mit der zeitlichen Vergänglichkeit  rechnen. Es geht nicht anders.

Alles, was wir in der Zeit tun und erleben prägt unsere Innere Persönlichkeit. Es prägt unser Denken, unser Handeln, unsere Weltsicht, unsere Weltanschauung. Es prägt unser Verhalten, unsere Ängste und unsere neuen Erwartungen.

Alle Erfahrungen in der Zeit sind Durchgänge, durch die unser tieferes Sein geprägt wird. Unser innerer Mensch aber, der durch alles hindurchwandert, bleibt erhalten über alle zeitlichen Momente hinaus, selbst über die Durchgangserfahrung des Todes. Ohne die Erfahrungen und Erlebnisse in der Zeit und in der Welt blieben wir unentwickelt, leer und nur offene Möglichkeit, „tabula rasa“.

Im 3. Kapitel des Buches Kohelet werden viele gegensätzliche Erfahrungen aufgezählt, die ein Mensch im Leben machen kann oder muss. Dann folgt zusammenfassend der tiefsinnige Satz: „…Gott hat die Ewigkeit in alles hineingelegt, doch ohne dass der Mensch das Tun (das Gott tut) von seinem Anfang bis zu seinem Ende verstehen könnte…“ Alles was in einem Menschen in der Zeit geschieht ist von einem nicht voll nachvollziehbaren Sinn umfangen und hat bleibende Bedeutung über die endliche Zeit hinaus.

Die Sinnsuche ist eine zentrale Frage für ältere Menschen. Welche Kraft kann Ihrer Einschätzung nach aus dem Glauben besonders für ältere Menschen erwachsen?

Josef Torggler: In jedem Lebensalter spielt die Sinnfrage eine Rolle, besonders auch im Alter. Ältere Menschen schauen gerne zurück: Was ist mir im Leben alles gut gelungen und was habe ich nicht so gut gemacht oder versäumt. Im Alter merkt man, dass man nicht mehr viel ändern kann. Es ist wichtig aus dem Glauben an Gott davon ausgehen zu können, dass er auf seine Weise alles, was wir tun, in seine für uns nicht durchschaubaren Pläne einzubauen vermag.

 

Welche sind die Potentiale, aber auch die Herausforderungen dieser Lebensphase?

Josef Torggler: Herausforderungen sind natürlich die Auseinandersetzung mit der zunehmenden körperlichen und geistigen Schwäche und mit dem zunehmende Verlust von Beziehungen und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Senioren sagen gerne: „Es lässt alles nach.“ Senioren haben aber den Vorteil, dass sie nicht mehr dem großen Stress des Berufslebens ausgesetzt sind. Sie können sich Zeit nehmen. Senioren haben viel Lebenserfahrung und können Dinge oft ausgeglichener und sachlicher sehen. Ich glaube, dass wir heute oft zu wenig auf ihre Sichtweise achten.

 

Welche sind die Säulen der Seniorenpastoral? (Seelsorge, Bildung, Hilfe, Politik).

Josef Torggler: Zunächst geht es darum, überhaupt die Senioren in den Blick zu nehmen und sie als wichtige Glieder unserer Gesellschaft und der Kirche nicht zu übersehen. Sie sind wichtige Menschen mit vielen Qualitäten und Bedürfnissen. Seniorenpastoral nimmt besonders die sozialen, geistigen und spirituellen Bedürfnisse der Senioren in den Blick. Es geht um religiöse Feiern, um Vorträge, Einzelgespräche und Förderung von Kontakten und Gemeinschaft.

 

In welchem Bereich sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Josef Torggler: Man darf sicher sagen, dass in unserem Land für Senioren sehr viel getan wird. In jedem Dorf gibt es kirchliche oder der außerkirchliche Seniorenklubs mit interessanten Programmen. Es gibt verschiedene berufspezifische Vereine, die für ihre Mitglieder ein Seniorenprogramm anbieten. Außerdem haben wir in Südtirol viele sehr gut geführte Senioren- und Pflegeheime, wo in verschiedener Hinsicht für Senioren sehr achtsam gesorgt wird. Dafür muss man sehr dankbar sein. Auch der Hauspflegedienst kümmert sich vorbildlich um Senioren. In vielen Familien sind auch heute Senioren oft gut betreut und integriert. Es gibt Angehörige, die guten Kontakt halten mit ihren Angehörigen in den Heimen. Zum Herstellen der Kontakte zu den Senioren/innen müsste oft mehr ermutigt werden.

 

Welche konkreten Angebote bietet die Seniorenpastoral?

Josef Torggler: Zunächst bemühen sich in allen Pfarreien die Seelsorger immer auch um Betreuung der Senioren sowohl in den privaten Wohnungen wie auch in den Heimen. Es gibt eigene Seniorengottesdienste. Sakramente werden gerade auch den Senioren angeboten. Auf Pfarrebene werden Kontakte von privaten Personen zu Senioren in der Pfarrgemeinde hergestellt. Dies alles zu begleiten und zu fördern ist Anliegen auch auf diözesaner Ebene.

 

Worin sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit?

Josef Torggler: Auf der Ebene der Diözese wird es zunächst eher nicht um zusätzliche größere Aktionen gehen, sondern um die Bereitschaft, dort einzuspringen, wo es notwendig und gewünscht ist. Dies betrifft Gottesdienstfeiern, Vorträge zu religiösen und psychologischen Themen und persönliche Gespräche. Über eine eigene Homepage soll der Kontakt zu der zunehmenden Zahl jener Senioren hergestellt werden, die auch digital unterwegs sind.

 

Für wen sind Sie Ansprechpartner?

Josef Torggler: Zunächst für die einzelnen Senioren und Seniorinnen selbst, die es wünschen. Dann aber auch für die Ortsseelsorger, für Leiter/innen von Seniorenclubs auf Ortsebene, für die Leiter/innen von Seniorenheimen, für Leiter/innen von spezifischen Seniorenvereinigungen. Es gibt dafür den Flyer mit der entsprechenden Kontaktadresse.

 

Ziel ist es, ältere Menschen zu begleiten. Diese leben aber in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen mit unterschiedlichen Problemen. Ist es nicht schwierig, diesen unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden?

Josef Torggler: Allerdings. Jeder Mensch ist einmalig und etwas Besonderes. Jeder hat seine ganz eigene Lebensgeschichte, seine ganz persönlichen Ängste, Sorgen, Fragen und Erwartungen. Und doch gibt es viel Gemeinsames in uns Menschen. Die eigentlichen Probleme der Menschen sind von alters her immer dieselben geblieben. Auch für die Senioren. Dem einen und anderen kann man hilfreich nahe stehen.

 

Welche Initiativen sind konkret in Planung?

Josef Torggler: Es wird nicht um große Initiativen gehen, die in Konkurrenz mit den vielen anderen Angeboten für Senioren stehen. Wichtig ist zunächst, dort für spirituelle und seelsorgliche Anliegen zur Verfügung zu stehen, wo es gewünscht wird.

Konkret steht die Mitarbeit bei Fortbildungen für Betreuer/innen von Seniorengruppen auf Bezirksebenen des KVW an, allgemein die Mitgestaltung von Gottesdiensten für Senioren mit Demenz, die Vorbereitung der Seniorenhomepage und die Durchführung von geplanten Vorträge für Senioren.

Erschienen im "Katholischen Sonntagsblatt", Nummer 52/2018 (23.-30. 12. 2018)