Diese besorgte Frage stellen sich heute nachdenkliche Menschen. Wie Kinder manchmal Fragen stellen, die weder Eltern und Lehrer noch beste Universitätsprofessoren angemessen beantworten können, so ist es wohl auch mit dieser schwierigen Frage.
Wir unterscheiden zwischen dem Übel und dem Bösen. Zu den Übeln gehören jene Ereignisse, die von der Natur aus gegeben sind: Krankheiten, Unfälle, Naturkatastrophen bis hin zu Sterben und Tod. Die Tatsache dieser Übel ist nicht selbst verschuldet. Sie gehören zu den überall gegebenen Veränderungen in der Natur. Wir leiden mehr oder weniger immer wieder darunter und bezeichnen sie deshalb als Übel.
Dann gibt es das Böse, das auf das freie und verantwortliche Handeln von Menschen zurückzuführen ist. Es ist mit der Möglichkeit der Freiheit gegeben. Wir benützen unsere Freiheit oft auch zu Handlungen, die uns selbst und anderen schaden. Das ist dann Missbrauch der Freiheit.
Aber auch da müssen wir sagen, dass beim Vollzug unserer Freiheit Vieles schicksalhaft gegeben ist. Einerseits sind wir uns der Folgen unseres unangemessenen Handelns nicht immer genug bewusst, anderseits sind wir auch nicht immer wirklich Herr über unsere Freiheit. Es gibt innere und äußere Zwänge, die unsere Freiheit sehr beeinträchtigen. Auch das Böse hat eine schicksalhafte Seite, die stärker ist als unser bewusstes Handeln.
Nimmt das Böse in der Welt zu? Man kann sagen, mit jedem Menschen kommt viel Gutes, aber auch manches Böse in die Welt (vgl. 1 Kön 8,46). Die Zunahme der Zahl der Menschen auf der Erde vermehrt nicht nur Gutes, sondern auch Böses. Je mehr Menschen, desto größer wird auch das nicht immer positiv zu lösende Konfliktpotenzial.
Was sehr zu bedenken ist, ist die Tatsache, dass wir heute als Waffen nicht nur Knüppel und Steine zur Verfügung haben wie die Neandertaler. Die bereit stehenden modernen Waffensysteme sind unvorstellbar gefährlicher. Missbrauch der Freiheit im Sinne des Bösen könnte in unserer Zeit tatsächlich für große Teile der Menschheit bedrohlich werden. So gesehen hat sich die Gefahr der möglichen Folgen böser Handlungen sehr gesteigert. Die einseitige technische Intelligenz ohne den Fortschritt der ethischen Intelligenz im Menschen wird zur Zunahme der Macht des Bösen führen.
Zuversicht darf uns das christliche Weltverständnis geben, das z.B. in der Apokalypse anschaulich ausgedrückt wird. Es heißt dort bildlich (Offb 12), der böse dunkle Drache kann so mächtig werden, dass er mit seinem Schwanz sogar Sterne vom Himmel zu reißen vermag. Aber Sieger bleibt letztgültig das Lamm. Damit ist jene Einstellung gemeint, die in Jesus Christus sich unüberbietbar gezeigt hat. Sieger bleiben Harmonie und das Positive der Schöpfung. Das Böse hat nicht ein Sein in sich, sondern besteht in der nachträglichen Störung der vorausgehenden und bleibenden Ordnung.
Jeder Einzelne möge seine Freiheit und sein Handeln bewusst nach dem Guten ausrichten. Trotz aller notwendigen Selbstbehauptung bleiben fürsorgliche Mitmenschlichkeit und gegenseitige Rücksicht lebenswichtig. In solchem Denken und Verhalten Kinder und Jugendliche zu bestärken, haben besonders Religionslehrer:innen in ihrem Fach wichtige Gelegenheit. Es ist nicht nur ein wichtiger Dienst an den Schüler*innen, sondern ganz allgemein an der Menschheit.