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Predigten

Diakonweihe von Roman Aukenthaler

Bischof Ivo Muser

Sterzing, 23. Mai 2021

Liebe Frau Karin, liebe Tochter Selina, liebe Angehörige unseres Weihekandidaten, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, lieber Roman!

Ein befreundeter Bischof aus Deutschland – wir haben zusammen in Rom studiert – hat mir in den letzten Tagen diese Zeilen zugeschickt, auf die er gestoßen ist: „Happy birthday, liebe Kirche! An Pfingsten feierst du deinen Geburtstag. Zweitausend Jahre bist du alt. Vieles von dem, was du geleistet hast, wird bleiben: Kunst und Musik, dein Einsatz für Bildung, Zusammenleben und Kultur. Du bist oft dort zu finden, wo Menschen Hilfe brauchen. Ohne dich gäbe es vieles nicht in unserer Welt. Dafür bin ich dir dankbar. Schmerzhaft sehe ich allerdings auch, dass du dich manchmal geirrt hast und schuldig geworden bist. Dass du gegen Andersdenkende mit Macht vorgegangen bist, als du sie besessen hast. Oft hast du deine eigenen Ideale verraten. Aber immer wieder bist du umgekehrt und hast dich auf deine Anfänge besonnen. Happy birthday, meine liebe Kirche!“

Ja, heute hat unsere Kirche Geburtstag. Wir feiern eine Initialzündung, deren Wirkung durch viele Jahrhunderte, durch viele Hochs und Tiefs, durch viele Schatten- und Lichtseiten hindurch bis heute andauert. Am Beginn steht nicht eine Werbung, ein Startkapital, eine perfekte Organisation, eine bis ins letzte ausgefeilte Institution, sondern eine Kraft, eine Begeisterung, die sich Menschen nicht eingeredet haben, sondern die ihnen von oben geschenkt worden ist.

Jemand hat einmal gesagt: „Der beste Beweis für die Existenz des Heiligen Geistes ist die Kirchengeschichte“. Ein humorvoller, kritischer Seitenhieb, in dem viel Wahrheit liegt. Wenn die Kirche nur Menschenwerk wäre, hätten wir sie schon lange zugrunde gerichtet.

Wenn wir also heute den Anfang unserer Kirche feiern, dann vertuschen wir nichts, was es an Menschlichem, ja auch an Schuld und Versagen in der Geschichte und in der Gegenwart der Kirche gibt. Das Leugnen und das Vertuschen sind kein Ausdruck des Glaubens. Wir feiern den Heiligen Geist, der nicht aufhört zu wirken – durch alles hindurch und der ganz oft gezeigt hat, dass er auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann.

Das schönste Geburtstagsgeschenk für die Kirche sind wir selber: Wenn wir gemeinsam auf dem Weg bleiben und uns gegenseitig helfen, unser Leben im Licht der Botschaft Jesu zu gestalten und zu bewältigen. Wenn wir mit dieser Botschaft auf unsere Zeit schauen, auf die Freuden und Hoffnungen, auf die Ängste und Sorgen und auch auf die Wunden, die viele Menschen heute tragen: Dann sind wir gemeinsam, als Getaufte und Gefirmte, ein jeder und eine jede von uns mit der eigenen Berufung, Kirche Jesu Christi! Es braucht uns alle: Unser Mitbeten, Mitdenken, Mittragen, Mitarbeiten, Mitleiden.

An diesem Geburtstag unserer Kirche dürfen wir jetzt etwas miterleben, was mit dem Ursprung und mit dem Auftrag der Kirche eng verbunden ist. Und wahrscheinlich ist die Weihe eines Diakons in der langen Geschichte dieser Pfarrkirche sogar eine Premiere!

Lieber Roman, du wirst an diesem Pfingstfest durch die Auflegung meiner Hände und durch das anschließende Weihegebet in den sakramentalen Dienst der Kirche hineingenommen. Nicht im eigenen Namen, sondern als Diakon, als Diener Jesu Christi sollst du zu den Menschen gehen. Du sollst seine Gaben im Namen der Kirche zu den Menschen tragen.

Ich werde dir das Evangelienbuch in die Hand geben und dabei sagen: "Was du liest, ergreife im Glauben. Was du glaubst, das verkünde. Was du verkündest, erfülle im Leben". Ich wünsche dir ein sensibles, hörendes Herz für das Wort der Heiligen Schrift, durch das Gott sein Gespräch mit uns Menschen führen will. Gebt IHM in deinem Leben dein Ohr. Dann wirst du das Ohr auch bei den Menschen haben und immer mehr hineinwachsen in das, was du heute durch die Weihe wirst: Diakon, ein Diener Jesu, im Auftrag seiner Kirche, an der Seite der Menschen.

Du sollst in Jesu Namen die Taufe spenden. Du darfst Menschen in der Feier der Eucharistie den Leib und das Blut des Herrn reichen und Christus in seinem Sakrament zu den Kranken bringen. Du darfst den Bund der Ehe segnen. Im Namen und im Auftrag der Kirche darfst du viele Segenshandlungen vollziehen. Du sollst Menschen betend auf ihrem letzten irdischen Weg begleiten.

Eine Frage, die ich dir gleich stellen werde, lege ich dir besonders ans Herz: „Bist du bereit, den Armen und Kranken beizustehen, Heimatlosen und Notleidenden zu helfen?“ Im Dienst der christlichen Caritas setzt sich fort, was du tust, wenn du den Gläubigen den Leib und das Blut des Herrn reichst. Diakonaler Dienst darf sich nicht nur beschränken auf den Dienst eines Diakons in der Liturgie, sondern muss sich ausdrücken im „Dienst an den Tischen“, der – gleich nach dem ersten Pfingstfest – den ersten sieben Diakonen in Jerusalem von den Aposteln übertragen wurde. Das heißt: Lieber Roman, du musst die Menschen mögen; die Menschen mit ihren Fragen, Sorgen, Erfahrungen, Hoffnungen und Freuden, mit ihrem Glauben und ihren Zweifeln müssen dir immer wichtig sein. Und vergiss nie: Im Sakrament der Weihe geht es nicht um eine persönliche Auszeichnung und nicht um persönliche Selbstverwirklichung, sondern um eine kirchliche Berufung zum Dienst an den Menschen im Namen Jesu.

Lieber Roman, ich habe mit Freude wahrgenommen, dass deine Frau Karin und deine Tochter Selina ganz hinter dir stehen. Sie haben dich in deiner Vorbereitungszeit begleitet und gestützt. Lebe deine Berufung als Ständiger Diakon weiterhin im Kontext deiner Ehe und Familie. Lege das Zeugnis ab, dass die Ehe heilig ist, dass die Familie zu den großen Menschheitsgütern gehört und bringe deine Erfahrung in Ehe und Familie in deinen diakonalen Dienst ein.

Die Worte des Weihegebetes, die ich jetzt bald aussprechen werde, haben heute, am Pfingstsonntag, einen ganz besonderen Klang: „Sende auf ihn herab, o Herr, den Heiligen Geist. Seine siebenfältige Gnade möge ihn stärken, seinen Dienst getreu zu erfüllen. Das Evangelium Christi durchdringe sein Leben.“

Gottes Heiliger Geist führe dich, lieber Roman, deine Frau, deine Tochter, deine Angehörigen, deine Heimatgemeinde und unsere Ortskirche, für die du heute zum Diakon geweiht wirst.

Vom Theologen Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., gibt es das schöne, hoffnungsvolle Wort: „Auch in der Kirche der Zukunft wird es einen sündigen Papst, sündige Bischöfe, sündige Priester, Diakone und Ordensleute, sündige gläubige Männer und Frauen geben. Aber in dieser Kirche wird es auch immer geben das Wirken des Heiligen Geistes und Menschen, die sich von ihm begeistern lassen. Und deswegen sage ich mit Überzeugung, Freude und Gelassenheit: Ich glaube die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“.

Liebe pfingstliche Festtagsgemeinschaft! Unsere Kirche brauchte am Anfang und braucht genauso auch heute nichts dringender als ein großes Vertrauen auf den Heiligen Geist und gläubige Menschen, die sich von ihm begeistern lassen. Komm, Heiliger Geist; komm, du Kraft von oben!