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Predigten

Hochfest der Diözesanpatrone Kassian und Vigilius 2021

Bischof Ivo Muser

Brixner Dom, 18. April 2021

Liebe festlich gestimmte Glaubensgemeinschaft hier im Dom und ihr alle, die ihr über Radio Grüne Welle mit uns verbunden seid, liebe Mitbrüder, geehrte Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens, stimate autorità, sorelle e fratelli nella fede qui in Duomo e tutti voi che siete collegati attraverso la Radio Sacra Famiglia, fredesc y sorus!

„Den Urheber des Lebens habt ihr getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dafür sind wir Zeugen“ (Apg 3,15) – so fasst Petrus in seiner Pfingstpredigt in der Apostelgeschichte das zusammen, was das Kernstück des christlichen Glaubens ausmacht. Entscheidendes ist geschehen, damit Entscheidendes durch jene geschehen kann, die an diesen „Urheber des Lebens“ glauben. Der letzte Satz des heutigen Osterevangeliums lautet: „Ihr seid Zeugen dafür“ (Lk 24,48).

Seit gut einem Jahr sind die öffentliche Diskussion und die Medien, aber auch unsere Alltagsgespräche und unsere Wahrnehmung von einem Thema besetzt: Corona – und noch einmal Corona. In diesem Zusammenhang war immer wieder auch ein anderes Wort zu hören: systemrelevant. Mir persönlich wurde dieses Wort immer verdächtiger, um nicht zu sagen unsympathischer und fragwürdiger. Von welchem System ist denn hier die Rede? Welches System soll hier aufrechterhalten und gefördert werden? Ist es überhaupt möglich, das, was wir als Menschen brauchen, auf ein bestimmtes System und Systemverhalten zu reduzieren?

Heute, am Fest unserer Diözesanpatrone, stelle ich die Frage in den Raum: Wie ist es mit dem Glauben an Christus, den Auferstandenen? Ist dieser Glaube systemrelevant? Oder anders ausgedrückt: Hilft uns der Glaube zu leben oder ist er für ein gutes, sinnerfülltes Leben nicht oder nicht mehr relevant? Was hat uns dieser Glaube zu geben, um mit Corona und den vielschichtigen und tiefgreifenden Herausforderungen, die damit verbunden sind, leben zu können?

Schon vor Corona habe ich bei Pastoralbesuchen öfters gesagt: „Denkt euch einmal alles weg, was mit dem christlichen Glauben und mit der Erfahrung von Kirche zu tun hat. Konsequent alles: Kirchen, Kreuze, Bilder und Glocken, Sonntag, Ostern, Weihnachten, Allerheiligen und Fronleichnam, die Eucharistiefeier, Taufen und Begräbnisse, die Mutter Gottes und unsere Heiligen, die Wallfahrtsorte, die unzähligen Caritasprojekte weltweit und bei uns, die gelebte christliche Nächstenliebe unzähliger einfacher Menschen und, und, und… Und dabei habe ich den Wichtigsten noch nicht genannt: Jesus selber. Ist das, was durch den Glauben an IHN in unsere Gesellschaft und in unser Zusammenleben eingebracht wird, nicht nur systemrelevant, sondern sogar lebensrelevant? Was würde da alles fehlen, wenn es die Einstellung und das Handeln unzähliger gläubiger Menschen nicht mehr geben würde? Was würde sich da alles in unseren Beziehungen und in unserer Gesellschaft verändern? Wie würde es unter uns und auch im Großen der Welt ausschauen, wenn es Jesus und seine Botschaft nicht gäbe? Würde unser Leben nicht viel ärmer, kälter, unbarmherziger, trostloser und hoffnungsloser?

Corona hat uns auf ungewohnte und auch schmerzliche Weise gezeigt, wie brüchig das System unserer Gesellschaft ist und wie eine Gesellschaft, die in vielen Bereichen vor allem auf äußeres Wachstum setzt, in Krise gerät und aus der Bahn geworfen wird. Corona konfrontiert uns mit einer Wahrheit, mit der unsere Gesellschaft sich besonders schwer tut: Menschliches Leben ist und bleibt verletzlich, gefährdet, anfällig und sterblich. Corona zwingt uns, dass wir uns mit unserer Verletzlichkeit und Sterblichkeit auseinandersetzen! Die Fragen, die der unausweichliche Tod uns stellt, haben viel damit zu tun, wie wir umgehen mit dem Leben, welche Prioritäten wir in unserem Leben setzen, was wirklich zählt, was unser Leben reich macht, wofür es sich zu leben lohnt. Ja, das Annehmen der eigenen Verwundbarkeit und des eigenen Sterbens hat viel damit zu tun, ob unsere Beziehungen menschlich bleiben oder ob sie ent-menschlicht werden.

Ganz gegen den Trend und gegen den Strom unserer Gesellschaft hilft uns der Glaube zu erkennen: Nicht die Gesundheit ist das höchste Gut unseres Lebens. Das höchste Gut ist für uns Menschen der Gott Jesu Christi, der nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden ist! Als sterbliche, verwundbare und zerbrechliche Wesen dürfen wir im Glauben die eigenen Grenzen akzeptieren lernen und sie dem Gott des Lebens und der Liebe anvertrauen. Ist dieser Glaube nicht im höchsten Maße lebensfördernd und lebensrelevant? Gibt es eine Zusage, die mehr mit dem Leben zu tun hat, als unser Osterglaube, der bekennt, dass nicht der Tod, sondern dass Gott und damit das Leben siegen werden?

Cassiano e Vigilio simboleggiano la storia della fede nella nostra terra. Celebrarli come nostri patroni diocesani significa riflettere su come sarebbero la nostra vita e anche la convivenza nella nostra società se davvero non sapessimo più nulla di Gesù e del suo messaggio.

Celebrare Cassiano e Vigilio significa dire grazie, perchè la fede pasquale ha raggiunto anche la nostra terra, trasmessa dagli apostoli, i martiri, i santi, i vescovi, i sacerdoti e i religiosi, e soprattutto trasmessa da tante madri e da tanti padri, da donne e uomini numerosi che hanno creduto prima di noi, hanno imparato la fede prima di noi, l’hanno messa in pratica e diffusa.

Celebrare Cassiano e Vigilio significa però anche un’altra cosa: che adesso tocca a noi! Se non conosciamo, impariamo, pratichiamo e tramandiamo questa fede, allora la catena vivente di testimoni pasquali si interrompe. Oggi la trasmissione della fede è affidata alla nostra responsabilità. Oggi c’è bisogno di noi. Oggi anche tramite noi si decide se la storia della fede cristiana proseguirà e continuerà ad essere scritta. 

Ritorniamo a casa da questa festa dei nostri santi Patroni con queste domande, semplici ma concrete: Che cosa significa per me la fede, trasmessa dagli apostoli e da tanti uomini e donne prima di noi? La fede caratterizza la mia quotidianità, la mia visione e le mie scelte di vita? La esprimo nella preghiera quotidiana, nella celebrazione della domenica, nei sacramenti e non per ultimo nella carità vissuta, praticata quotidianamente?

Non sono gli altri a mettere in pericolo la nostra identità. E non sono gli altri i responsabili della nostra identità. Sta a noi decidere se anche oggi e nella realtà attuale vogliamo diventare, essere e restare cristiani. Questa è la nostra responsabilità, e non dobbiamo lasciarci distogliere da questo impegno. Lasciamoci oggi toccare personalmente dall´invito del Risorto: “Voi siete i miei testimoni” (Lc 24,48).

Heute liegt es an uns, den Glauben an Jesus, den „Urheber des Lebens“, als kostbares Erbe an die künftigen Generationen weiterzugeben, in dem wir Christen sind und Christen bleiben wollen! Wir brauchen Priester, die durch ihren sakramentalen Dienst Jesus Christus vertreten. Wir brauchen Frauen und Männer als Ordensleute, die durch ihre Lebensentscheidung sichtbar machen, dass Gott, das höchste Gut, alle Aufmerksamkeit verdient. Wir brauchen ein klares, unzweideutiges Bekenntnis zur Ehe und zur unverzichtbaren Berufung zum Vater- und zum Muttersein, der wir alle unser eigenes Leben verdanken.

Heute, am Festtag unserer Diözesanpatrone, bitte ich um das Gebet für ein ganz konkretes Anliegen, das lange vorbereitet wurde und das am Freitag, 16. April, Realität geworden ist: 12 Seminaristen aus Tansania und Indien sind angekommen, um hier in Brixen ihre Ausbildung zum Priester fortzusetzen. Unser Priesterseminar und das Kloster Neustift, aber auch unser Missionsamt, unsere Hochschule und 12 Pfarreien werden sie begleiten. Ich sage ein aufrichtiges Danke allen, die dieses neue Kapitel unserer Diözesangeschichte mittragen und mitgestalten! Den jungen Männern sage ich ein herzliches Willkommen in unserer Diözese. Leider können sie heute wegen der geltenden Quarantäne – Bestimmungen nicht an dieser Feier teilnehmen. Der päpstliche Segen, den ich am Ende dieses Festgottesdienstes spenden darf, soll vor allem auch ihnen gelten. Mögen sie in den kommenden Jahren ihren Weg gehen und finden und uns alle daran erinnern, dass unsere Kirche keine Nationalkirche ist, sondern weltweite, katholische Glaubensgemeinschaft.

Signore risorto, sei in cammino con noi: Rimani con noi nella Parola e nei sacramenti. Abbiamo bisogno di Te! Soltanto con te siamo la tua Chiesa.

Maria, Madre di Gesù e della Chiesa, santi patroni Cassiano e Vigilio, tutti i santi e beati della nostra Diocesi, aiutateci ad essere testimoni gioiosi e convinti del Risorto.