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Pressemitteilungen 2024

Gedenken an Josef Mayr-Nusser: Olivia Kaufmann gewinnt Poetry Slam

Der erste Poetry Slam im Bunker in der Bozner Fagenstraße am gestrigen Todestag (24. Februar 2024) des Seligen Josef Mayr-Nusser war nicht nur ein großer Publikumserfolg, sondern überzeugte vor allem durch die Beiträge der 12 Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Mit zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen und mit verschiedensten Stilmitteln näherten sie sich dem komplexen Thema an und zeigten auf, wie wichtig Zivilcourage gerade in der heutigen Gesellschaft ist. Zur Siegerin kürte das Publikum Olivia Kaufmann.

Das Gedenken an Josef Mayr-Nusser, der für seine mutige Verweigerung des SS-Eids auf Hitler sein Leben ließ, steht seit Jahren ganz im Zeichen der Zivilcourage. Die Kernbotschaft ist klar: Mut und Gewissen sind zeitlose Werte, die jeder Generation als Vorbild dienen können. Insbesondere richtet sich das diesjährige Gedenken an junge Menschen, hat sich erstmals über mehrere Termine erstreckt und endete gestern, am 79. Todestag von Josef Mayr-Nusser, mit einem Poetry-Slam- Wettbewerb im Bunker in Bozen/Gries.

Bunker bis auf den letzten Platz gefüllt

Bereits eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Beginn musste gestern der Einlass zum Bunker in der Fagenstraße geschlossen werden, da der Saal bis auf den letzten Stehplatz gefüllt war. 12 Poetry-Slammerinnen und -Slammer, 8 aus Südtirol und 4 aus der Bozner „Mayr-Nusser-Partnerstadt“ Erlangen, haben ihre Texte zum Thema Zivilcourage vorgetragen. Anja de Falco hat den Poetry Slam moderiert, Gabriel Demetz hat ihn mit stimmungsvollen Stücken auf der Steirischen Harmonika untermalt.

Olivia Kaufmann gewinnt Poetry Slam: Inhaltlich stark, sprachlich ausgefeilt

Mit zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen und mit verschiedensten Stilmitteln näherten sie sich dem komplexen Thema an und zeigten auf, wie wichtig Mut und Engagement vor dem Hintergrund von Krieg und Klimakrise, aber auch in alltäglichen zwischenmenschlichen Situationen, gerade in der heutigen Gesellschaft ist. Wie beim Poetry-Slam üblich, wurde die Siegerin vom Publikum gekürt: Olivia Kaufmann konnte dabei durch ihren inhaltlich starken und sprachlich ausgefeilten Vortrag überzeugen.

Bischof und Landeshauptmann von Texten beeindruckt

Die Ehrengäste, Bischof Ivo Muser und Landeshauptmann Arno Kompatscher, sprachen allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein großes Lob aus. Durch ihre Texte - sagte der Landeshauptmann - hätten Sie Mut gemacht, das Gefühl der Ohnmacht zu angesichts der großen Herausforderungen zu überwinden und sich für eine bessere Welt zu engagieren. Auch Bischof Ivo Muser zeigte sich beeindruckt von den Texten der jungen Poetry-Slammer. Josef Mayr-Nusser habe mit seinem Leben bezeugt, wie wichtig es sei, das Gewissen zu bilden, was ein Ja zum Gott der Liebe und Ja zu den Menschen bedeutet, sagte der Bischof.

Bunker als besondere Location

Die Aufführungen fanden im Bunker "H" statt, einem ehemaligen Wehrmachtsbunker. Viele Besucher zeigten sich besonders beeindruckt vom Veranstaltungsort. Der Bunker sei ein Zeitzeugnis aus dem Zweiten Weltkrieg, als Bozen im Krieg bombardiert wurde und erinnere daran, wie viele Menschen gerade heute schutzlos dem Wahnsinn des Krieges ausgeliefert seien, sagte Gino Bombonato von der Genossenschaft Talia, die den Bunker führt.

 

Der Bunker H in der Fagenstraße in Bozen war bis auf den letzten Zuschauerplatz gefüllt. Foto: Brigitte Hofmann Demetz.
Unter den Gästen beim Poetry Slam im Bunker waren auch Landeshauptmann Arno Kompatscher (links) und Bischof Ivo Muser. Foto: Brigitte Hofmann Demetz.

Poetry Slam: Die Sieger

Definition Zivilcourage

 

Google definiert:

Mut, den jemand beweist, indem er humane und demokratische Werte (z. B. Menschenwürde, Gerechtigkeit) ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen in der Öffentlichkeit, gegenüber Obrigkeiten, Vorgesetzten o. Ä. vertritt.

In zwei Sätzen scheint die Welt erklärt.

Aber nein, nein, ich glaub da ist viel mehr.

 

Ich glaub,

Zivilcourage ist tun!

Tun und handeln,

ist Kräfte bündeln,

und sich gegen gebündelte Kräfte erheben.

Zivilcourage ist leben,

Zivilcourage ist eingreifen,

es manchmal einfach bleiben lassen,

es einfach halten,

nicht auf die allgemeine Meinung zu hören,

und die Situation – die mich ja eigentlich überhaupt nichts angeht – zu stören.

Denn, Scheiße, es geht uns alle was an.

 

Zivilcourage ist tun und handeln,

aber eben nicht nur,

es ist auch im Grunde nicht tun.

Zivilcourage ist nicht tun – was nur für mich von Vorteil ist

Es ist nicht tun – was das Ganze für mich einfach lässt

Es ist nicht – den Mund halten

Und nur selten, der einfache Weg

Zivilcourage ist nicht urteilen – bei sozial Verurteilten

Es ist nicht abhaken – bei menschlichen Haken

Es ist nicht einsehen – bei Ungesehenem

Es ist nicht schaden – vor allem bei Geschädigten

Und den Mut zu haben, zu alldem noch zu stehen.

 

Zivilcourage

Google definiert

Zi – vil-cou-ra-ge

Substantiv, feminin

Ja, Zivilcourage ist Sprache.

 

Zivilcourage sind Worte, Wortschatz, Wortwahl

Zivilcourage heißt, es laut zu sagen

Zivilcourage heißt, nicht ohne Ahnung zu bejahen

Es heißt den fucking Mut zu haben,

nachzufragen,

zu seiner Meinung zu stehen,

seinen eigenen Standpunkt zu vertreten,

und manchmal auch den, von denen die das grad nicht können

Zivilcourage heißt, zu Fehlern zu stehen,

es heißt, sich Schuld einzugestehen,

Zivilcourage heißt sehen.

Die Person und unser aller Menschlichkeit,

statt eingrenzen, auf Fehler, Sexualität und Gottheit

Es heißt, den Mut zu haben nachzufragen,

zu hinterfragen und beklagen,

Zivilcourage ist, keine Scheu vorm Anderssein zu haben.

Zivilcourage heißt etwas sagen.

Sagen, rufen, schreien – Sachen klarstellen  

Und es heißt Sachen, so meinen, wie man sie sagt

Es heißt sich zum Äußersten äußern,

dass uns im Innersten betrifft

und etwas zu sagen, wo es einen ja eigentlich gar nichts angeht

weil Scheiße, es geht uns alle was an.

 

Oft ist Zivilcourage dagegenreden, zu etwas stehen

Um etwas ändern zu können

Sagen und manchmal auch einfach nichts sagen.

Nicht urteilen,

einfach nicht.

Cause carma isn’t a bitch,

if you are human

Dann ist das schlechte Omen,

auch sicher bald wie verschwunden.

 

Zivilcourage

Google definiert

Abstammend vom französischen Wort Mut

Und vom lateinischen Bürger

Ja, Zivilcourage ist noch immer nicht genug

 

Zivilcourage ist handeln, ist nette Worte schenken,

aber Zivilcourage ist oft auch einfach denken.

 

Manchmal einfach innehalten,

die Situation abwarten,

und sie dann bewerten.

Wichtig dabei: selber ehrlich.

 

Dabei ist Selbstreflexion, das oberste Gebot

Und Gedanken zum Fair-Sein das A und O

Gedanken zum Richtigmachen, zum Eingreifen, zum Selbstsein,

zum Sprechen und Handeln

Zivilcourage heißt auch zu sich zu stehen

Zivilcourage ist den Mut zu haben zu leben

Und zu lieben

Sich und wie man eben ist

Zuerst in seinem Kopf, in seinem Denken

Und die unfaire Situation, die mich ja eigentlich gar nichts angeht, zu durchdenken

Denn, Scheiße, es geht uns alle was an.

 

Ich definiere Zivilcourage

in Handeln, in Sagen, in Denken

Gesündigt in Gedanken, Worten und Werken

Wenn sowas in der Bibel, in einem Text von vor 1000 Jahren geschrieben wurde

Dann heißt das, so krass mutige Menschen gab es wohl schon immer!

 

Weil was haben Rosa Parks, Martin Luther King, Mahatma Ghandi, Greta Thunberg und Josef Mayr-Nusser, gemeinsam?

Sie alle haben Zivilcourage geprägt

Haben Mut gefühlt

Zivilcourage ergänzt, geformt und erklärt

So wie, jeden Tag auch, wir

In unserem Handeln, Tun, Sprechen,

Sagen, Meinen, Fühlen und Denken

Zivilcourage ist auf Herz und Verstand, statt auf Allgemeinheit zu hören

Zivilcourage beginnt jetzt und hier

Denn Zivilcourage ist unendlich

Zivilcourage definieren wir!

Was, wenn ich meine Welt nur wandel, in dem ich nonkonform, irgendwie unrealistisch handel?

Was, wenn ich mit meiner Stimme nur gewinne, sobald ich gegen den Strom ansinge?

Und was, wenn nie der Tag kommt, an dem ich mich traue, zu meinen Werten zu stehen,

mich gegen Unrecht zu erheben, weil ich mich lieber verstecke, bevor ich anecke?

 

Und während ich hier stehe und mich all das frage, werde ich zu einem Menschen,

der aus der Anonymität heraustritt und einen Schritt − mitten in die Angst hinein − macht.

 

Auf die Bühne gehen, ins Mikro reden und euch in die Augen sehen, kostet mich Kraft.

Ich habe es immer nur gemacht, weil ich erfahre, wie viel Licht, wie viel Liebe ich in mir trage,

wenn ich mich in die Dunkelheit, in die Unsicherheit hineinwage.

 

Dann bin ich Euphorie-durchzogen, vollgesogen mit Mut, jemand, der nicht schweigt,

nicht im „das geht mich nichts an“ - Gefühl verbleibt, sondern ein Mensch, der Zivilcourage zeigt,

 

Denn wenn ich nichts tun würde, gegen Unrecht…das wäre ja so, als wenn ein Superheld ignoriert, dass seine Heimatstadt vor dem Untergang steht oder es gar nicht registriert, weil er gerade ein Selfie auf Instagram hochlädt, wie er an der Bar steht und entspannt an seinem Espresso nippt.

Hört sich skurril an, ist aber gefühlt gar nicht so weit entfernt von unserer gesellschaftlichen Realität.

 

Das Weltgeschehen geht uns wenig an, denn wir sind oft nur Zuschauer, die in der ersten Reihe

Popcorn schmatzend Szenen ansehen, in denen Egos die Macht übernehmen

und unsere Seelen mit der Gesellschaft den Bach herunter gehen.

 

Mein Herz kann nicht verstehen, warum Menschen, die durch die grellen Gassen hetzen,

sich mit einem Hilferuf nicht auseinandersetzen:

 

Ein stöhnender Schrei, der durch die laufenden Massen schallt und verhallt,

im Schatten von Gleichgültigkeit.

 

Ein herzdurchströmender Funken Mut, der in der Stille der Verzweiflung nach Halt sucht

und verglüht, bevor sich jemand müht.

 

Nichts passiert. Keiner, der reagiert.

 

Und manchmal, da bin ich eine von denen, die spüren und sehen, dass gewisse Umstände sie lähmen.

Und trotzdem finde ich Stillstand und Schweigen nicht gut, also bin ich auch eine,

die etwas gegen das „Nichts tun“ tut:

 

Ich will Licht entfachen, wo Schatten verharren,

Liebe erblühen lassen, wo wir vor Angst erstarren.

 

Denn, sobald wir unser Potenzial nicht mehr verbergen, können wir zu strahlenden Helden

- namens Zivilcourage - werden und die Bösewichte - namens Ignoranz – verjagen.

Wenn wir Mut haben, nicht zulassen, dass Unrecht, Gewalt und Willkür heranwachsen.

 

Ich den nächsten Minuten will ich mir deshalb an die eigene Nase fassen, werd´ einen Blick

auf das größten Unrecht unserer Zeit werfen, dass nur durch individuelle Handlungen

und kollektive Entschlossenheit zu entschärfen ist.

 

Denn ich stehe hier als Zeugin einer Krise, die unsere Welt bedroht:

Lebensraum, Ernährungssicherheit, Freiheit, Heimat, meinen Traum von einem guten Leben, für alle.

 

Ich stehe hier als Teil der Natur, die schreit und weint, tobt und brennt:

jede Dürre, jeder Sturm, jede Überflutung ein Ruf nach Hilfe, der über alle Kontinente schallt.

Halt! Stopp! Ein Appell, der an vielen abprallt.

 

Und ich, ich verhalt mich praktisch nicht so, wie ich theoretisch könnte,

wenn ich wirklich wollte - bin irgendwie im Zwiespalt, lebe zwischen Resignieren und Agieren

und rede davon, hier auf der Bühne. Warum?

 

Weil für mich, praktischer Klimaschutz Zeugnis von Zivilcourage ist, und damit unser aller Pflicht!

 

Ich stehe ich hier als Verena, die sich selbst und euch, meine Mitmenschen, fragt:

 

Wollen wir die Hilferufe jetzt endlich ernst nehmen

und den Klimawandel als Krise verstehen,

als etwas, was uns alle bedroht.

 

Oder werden wir an den Schreien vorbeigehen, die Augen verschließen und ab und zu ein paar Platzpatronen abschießen: „was tun, was tun, was tun”… wird nicht reichen.

 

Die meisten begreifen wahrscheinlich noch gar nicht, dass die Klimakrise kein Science-Fiction-Streifen

sondern längst eine Realität ist, die Konflikte verschärft, Gesellschaften destabilisiert

und Frieden und Stabilität auf der Welt erschwert.

 

Was wir brauchen, sind Momente, Klima-Aktionen und Organisationen, in denen wir auftauchen und uns vereinen hinter demokratischen Werten, um sie zu verteidigen und das soziale Klima zu stärken.

 

Wir können zu Helden der Gesellschaft werden,

Teil von Initiativen sein, die sich gemeinsam gegen größenwahnsinnige Projekte wehren,

dem folgenblinden Massenkonsum entsagen und Forderungen bis in den Landtag tragen.

 

Und wenn du jetzt sagst: „fürs Held*in sein bin ich noch nicht bereit“,

verrat ich dir: „ich auch nicht, dafür fehlt uns allen die Zeit“.

Bereitschaft ist genug.

 

Es reicht, wenn wir ein Heldenkostüm anlegen, uns auf die Bühne der Veränderung begeben,

vom Zuschauer zum Hauptdarsteller werden und handeln: eine skurrile Tragödie in etwas Hoffnungsvolles verwandeln, weil wir den Schlüssel zu einer besseren Zukunft in der Zivilcourage finden und dadurch die Absurdität unseres Nichthandelns überwinden.

 

Und während die Menschen in den Reihen vor mir noch überlegen, ob sie den ersten Schritt gehen,

werd‘ ich hier auf der Bühne schon mal einen ökosozialen Moonwalk hinlegen.

Letztens saß ich in der Bar in Sonne und trank Kaffee. Ich kam mit einem Fremden ins Gespräch, denn auch er saß da in der Sonne und trank Kaffee. Von außen muss es so ausgesehen haben, als ob wir in derselben Realität saßen. Mir wurde aber schon bald bewusst, dass dieser Physikstudent und ich wohl in Paralleluniversen aneinander vorbeischwebten. Denn er sagte mir, er lese keine Nachrichten.  „Wie, du liest keine Nachrichten?“, fragte ich verblüfft. „Ich lese sie einfach nicht. Ich schaue sie mir nicht an, ich höre sie nicht.  Ich habe kein Ahnung, was in der Welt abgeht. Ist mir auch egal, mir geht’s besser damit.“ Ich war kurz sehr verwirrt. So einfach geht das? Sich vom Rest der Welt abkapseln hatte ich mir viel schwieriger vorgestellt.  Hatte ich hier meinen neuen Guru für mein inneres Zen gefunden? Nein, denn kurz darauf meinte er, er fände diesen momentanen Rechtsruck in Europa schon ziemlich „random“. Damit war für mich alles geklärt. Jemand, der diese große Kettenreaktion als zufällig abstempelt, werde ich nicht zu meinem Wegweiser krönen.

Denn wir leben in unsicheren Zeiten. Weiten unser Bewusstsein ständig aus, ein Blick aufs Handy genügt und es offenbart sich die nächste Katastrophe am Horizont. Dort, wo der Himmel eigentlich in die strahlenden Farben der untergehenden Sonne getaucht sein sollte, färbt er sich blutrot. Der Himmel über uns ist hingegen strahlend blau, denn wir haben dreißig Grad im Oktober.  

De Jungen schaugen in gonzen Tog laimer ins Handy. De Jungen wellen nimmer orbeten. De Jungen informieren sich nimmer. De Jungen schaugen unmeglich aus. De Jungen wern schun sehchen, wie des isch, wenn mir amol nimmer sein. De Jungen wern schun sehchen, dass sie so net ewig weitermochen kennen. De Jungen, de miessen amol verstiehn, wie`s Leben funktioniert. Dass sie asou nicht derrichten wern, de Jungen. Hel sogen sie, de Olten.

Sie sehen in uns eine Jugend ohne Drang. Dabei wünschen wir uns einfach, dass der Sturm vorüberziehen möge. Überflutungen, Schlammmassen, abgedeckte Dächer, fliegende Bäume. Der Schaum der Wellen, der die Überreste der Boote an die Küsten des Mittelmeers spült. Die Massen, die denen nachrennen, die am lautesten schreien. Und sie schreien, dass dies alles die Schuld der anderen sei. Dass sie sich nichts mehr vorschreiben lassen wollen. Für die Freiheit! Gegen unsere Zukunft?

 „Leben ist nichts für Feiglinge“, dieser Spruch hing bei uns zuhause jahrelang am Kühlschrank. Ich habe ihm nie viel Beachtung geschenkt, wie wir es bei so vielen Dingen machen, die immer da sind. Doch gerade diese brennen sich am tiefsten in unser Gehirn. Und so ruf ich mir diesen Spruch immer wieder ins Gedächtnis. Versuche mich mit ihm zu trösten, mir Mut einzureden, nicht nachgeben, nicht in der Angst versinken. Aber die Wahrheit ist, ich habe Angst, Angst wie Treibsand. Angst, dass wir hier nicht mehr rauskommen. Angst, dass es das jetzt war. Angst, dass jetzt im wahrsten Sinne des Wortes alles den Bach runter geht. Gletscher schmelzen immer schneller, immer mehr Bomben werden abgeworfen, Stimmen werden immer bewusster an „Retter“ verteilt, die sich nichts um niemanden scheren. Am meisten Angst habe ich aber davor, dass ich nichts dagegen machen kann. Nutzlos bin, eine kleine Schneeflocke in der Lawine, die nicht mehr aufzuhalten ist.

Ich saß in der Bar in der Sonne und um mich herum war alles friedlich und schön, mir ging es gut. Dabei ist es sehr wahrscheinlich, dass in derselben Stadt für jemand anderen gerade die Welt unterging. Unsere Paralleluniversen schießen aneinander vorbei, wir erhaschen immer nur einen kurzen Einblick in die Bubble neben uns und irgendwo geht immer die Welt unter. Tag für Tag, Stunde für Stunde. Was also tun gegen Weltuntergang?  

Ich mag nur eine kleine Schneeflocke in einer Lawine sein, die immer schneller talwärts rast. Aber neben mir, da raßen doch noch so viel mehr Flocken mit, die ich an die Hand nehmen könnte. Ich könnte sagen „Du und ich, wir bleiben jetzt einfach stehen.“ Die Massen neben uns würden uns trotzdem weitertreiben. Aber vielleicht würden andere uns dastehen sehen und auch stoppen. Die Lawine würde langsamer werden. Irgendwann würde sie liegen bleiben. Die Schäden, die sie ausgelöst hat, wären noch immer da. Aber die Schneedecke vor ihr bliebe heil. Wir können die Sachen, die schon schiefgelaufen sind, nicht mehr ändern. Wir können nur versuchen, das Chaos hinter uns aufzuräumen. Deshalb steh ich jetzt auf dieser Bühne und bleibe stehen. Es ist nicht die Rettung der Welt. Aber ein Versuch, die Kettenreaktion zu stoppen. Denn in meinem Universum will ich einen pinken Horizont und bunte Blätter im Oktober. Fest verwurzelte Bäume. Und am liebsten keinen Populismus mehr.

Erich Kästner meinte mal „Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“

Ok, dann fangen wir mal damit an.