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Hirtenbriefe

Weihnachtsbrief im "Jahr des Glaubens"

Liebe Schwestern und Brüder in unserer Diözese Bozen-Brixen! In einem Adventskalender stieß ich auf den folgenden provozierenden Satz: "In den ersten Jahrhunderten gab es viele Christen, obwohl sie nicht Weihnachten gefeiert haben. Heute feiern viele Weihnachten, obwohl sie nicht mehr Christen sein wollen.“ Warum wir Weihnachten feiern Es stimmt: Weihnachten wird erst seit dem 4. Jahrhundert gefeiert. Der Festgedanke war ursprünglich weniger die Geburt des Herrn in Bethlehem, sondern sein Hervorgehen aus dem Vater, wie es im großen Glaubensbekenntnis der Konzilien von Nizäa und Konstantinopel bis heute heißt: "Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“ Erst im Mittelalter feierte man die menschliche Seite der Geburt Jesu, man meditierte die Herbergssuche und die Armut der Krippe. 1223 hat der heilige Franz von Assisi das Weihnachtsgeschehen mit lebenden Personen dargestellt. Damit kommt jener Zug in das Weihnachtsfest, ohne den wir uns das Fest heute nicht mehr vorstellen können. Gerade diese menschliche Seite hat Weihnachten einen mächtigen Auftrieb gegeben. So wurde der Geburtstag Jesu zu jenem Fest, das wie kein anderes hineinreicht in das Gemüt, in das Brauchtum, in die Lieder und in die Hoffnungen der Menschen. Das jüngste Weihnachtssymbol ist der Christbaum, der sich bei uns zur Zeit Maria Theresias rasch verbreitet hat. Der Christbaum soll den Baum des Paradieses darstellen. Seine Früchte bringen nicht den Tod, sondern bedeuten Festesfreude und Leben. Wie die Kerzen des Adventskranzes meinen auch die Lichter des Christbaums Christus, der in die Welt gekommen ist als "das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet" (Joh 1,9). Die Botschaft der Krippe Zu den Krippenfiguren, die in diesen Wochen wieder aufgestellt werden, gehören neben den Hauptpersonen – dem Kind, seiner Mutter Maria und dem heiligen Josef – auch Ochs und Esel. Schon bei den ältesten Krippendarstellungen fehlen diese beiden Tiere nie. Sie haben einen symbolischen Wert und wollen das Geheimnis der Menschwerdung Gottes verdeutlichen. Sie vertreten die Tierwelt und letztlich die gesamte Schöpfung. Und vor allem weisen sie auf Christus selber hin. Das Rind war das Opfertier des Alten Bundes; Christus ist gekommen, um sich Gott und uns ganz, bis zum Äußersten, zu schenken und hinzugeben. Der Esel ist zum Unterschied vom Pferd, dem Reittier der Könige und Feldherrn, ein Zeichen des Friedens und das Lasttier, das die Bürde der Menschen trägt.Ochs und Esel bleiben für alle Generationen eine eindringliche Weihnachtspredigt. Sie erinnern an ein ernstes Wort des Propheten Jesaja: "Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht. Sie haben den Herrn verlassen, den Heiligen Israels haben sie verschmäht und ihm den Rücken gekehrt" (Jes 1,3.4b). Weihnachten muss ein christliches Fest bleiben Mein Wunsch ist es, dass viele sich auf Weihnachten vorbereiten und dann das Fest feiern, weil sie Christen sind und Christen bleiben wollen. Gerade auch die Auseinandersetzung um die christlichen Symbole, vor allem um das Kreuz als dem wichtigsten christlichen Zeichen, kann deutlich machen, wo Christen stehen wollen – persönlich und auch öffentlich. Krippe und Kreuz sind nicht zuerst Zeichen einer Kultur oder einer bloß menschlichen Solidarität. Sie sind vor allem Zeichen des christlichen Bekenntnisses zum Mensch gewordenen, des gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Wenn wir dieses christliche Bekenntnis neu entdecken und leben, brauchen wir keine Angst zu haben vor den Zeichen - und vor allem vor den Menschen anderer Religionen. Wem die eigene Religion und ihre Zeichen heilig sind, wird nie populistische Ängste schüren gegen andere Religionen und ihre Symbole. Weihnachten ist ein Fest des Glaubens Wir feiern heuer Weihnachten im "Jahr des Glaubens", das Papst Benedikt XVI. fünfzig Jahre nach der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils ausgerufen hat. Die Liturgie der Kirche lädt uns ein, in der Weihnachtsnacht und am Weihnachtstag bei jenen Worten des Glaubensbekenntnisses das Knie zu beugen, die uns das Geheimnis der Menschwerdung Gottes bezeugen: "Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ Mein Weihnachtswunsch an uns alle ist, dass wir in diesem „Jahr des Glaubens“ uns mit Verstand, Herz und Willen diesem Geheimnis öffnen und vor ihm das Knie beugen – in der Haltung der Freude und der Anbetung. Die Kniebeuge vor dem Mensch gewordenen Gott muss uns dann auch öffnen für seine Gegenwart in jedem Menschen. Weihnachten will uns gewinnen für eine große Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Lebens in all seinen Formen. Die Menschwerdung Gottes feiern muss immer auch bedeuten, dass wir uns als Christen für das Leben des Menschen entscheiden: von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod. Auf der Seite Gottes stehen nur diejenigen, die auf der Seite des Menschen stehen. Und dieser Glaube muss unser Denken, Urteilen, Reden und Handeln prägen. Weihnachtswunsch Im Evangelium des Hochfestes der Erscheinung des Herrn heißt es: "Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm" (Mt 2,10-11).Diese Begegnung mit dem Kind und seiner Mutter erbitte ich für uns alle, und eine Weihnachtsfreude, die bleibt, auch wenn die Festtage wieder vorüber sind. Und sagen wir es weiter: Weihnachten kann man nicht feiern ohne das Geburtstagskind. Es geht um Christus! Ohne ihn können wir nicht Christen sein. Er ist unsere Identität und die Mitte unseres Glaubens. Im Staunen über das Wunder der Menschwerdung Gottes bin ich Euch allen herzlich verbunden. Euer Ivo Muser, Bischof