von Caroline von Hohenbühel, Kuratorin der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Bozen und Mitglied der Kommission für Arbeit und soziale Gerechtigkeit
Wie die Kinder passen Jakobus und Johannes einen günstigen Moment ab, um Jesus zu fragen, ob sie wohl im Himmelreich rechts und links neben ihm sitzen dürften? Das ist wie bei einem Kindergeburtstag: die Coolen und Wichtigsten sitzen oben an der Tafel neben dem Ehrenkind, am anderen Ende des Tisches müssen die Fremden, Neuen, die weniger Wichtigen bleiben – eben die Außenseiter. Ganz so, wie es der menschlichen Vorstellung von Herrschaft, Hierarchie und Macht entspricht.
„Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken. Und wer Macht hat, lässt es die anderen spüren.”
So ist es bei uns! Wer Macht hat, lässt es die anderen spüren. Tag für Tag am Verdiplatz, am Bahnhofspark oder auch in der Stadt kontrollieren uniformierte „Ordnungshüter“ Menschen, die auf den ersten Blick nicht wie Einheimische ausschauen. Sie werden nach ihren Ausweispapieren gefragt. Was für eine Demütigung und Schikane! Die Macht setzt sich von oben nach unten durch. Das Ergebnis ist: Gewalt, Krieg und Tod. Jesus lebt uns das Gegenteil vor. Er stellt dem Herrschen das Dienen gegenüber.
„Aber so ist es unter euch nicht, sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein. Und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“
Jesus kritisiert nicht, dass jemand leitet. Aber Leitung in seinem Sinne hat eine dienende Funktion. Wer seine Möglichkeiten dazu benutzt, sich über andere zu erheben, der missbraucht seine Macht.
„Als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.“
Die an den Rand Gedrängten denken gar nicht daran, sich dem Machtanspruch der beiden Brüder unterzuordnen. Sie protestieren und machen ihrem Ärger Luft. Es braucht Mut, um Mächtige zu kritisieren. Aber was nicht in Ordnung ist, das muss auf den Tisch.
„Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“
Jesus Christus missbraucht seine Macht nicht, um uns zu beherrschen, sondern um uns zu dienen. Er will uns nicht unterwerfen. Er begegnet uns auf Augenhöhe. Er verändert uns nicht mit Gewalt, sondern durch Liebe. Das will uns Mut machen, unsere Verantwortung, unsere Möglichkeiten, unsere „Macht“ in Liebe und Demut für andere einzusetzen – in Frieden.