Liebe Ehefrau Johanna und liebe Kinder Samuel und Ruth, liebe Angehörige und Freunde unseres Weihekandidaten, lieber Pfarrer Karl und liebe Mitbrüder, liebe Ständige Diakone, liebe Pfarrgemeinde von Pfalzen und liebe Gläubige aus dieser Seelsorgeeinheit, liebe Schwestern und Brüder, lieber Weihekandidat Karl!
Wer heute, am 27. September, auf den Kalender schaut, findet dort Vinzenz von Paul. Geboren wurde er 1582 in Südfrankreich. Er gründete Bruderschaften, Kinderheime, Suppenküchen, initiierte Krankenhilfe und gab den Startschuss für eine Gemeinschaft von Frauen, denen er die tätige Nächstenliebe ins Stammbruch schrieb, die Vinzentinerinnen, bei uns besser bekannt als Barmherzige Schwestern. Sie waren in Südtirol sehr präsent und haben die Geschichte von der Barmherzigkeit Gottes weitergeschrieben in Krankenhäusern, Altersheimen, Pflegestationen, in Ausbildungsstätten und Klöstern, und nicht zuletzt unter Menschen mit Behinderungen aller Art. Am Gedenktag ihres Gründers gilt ihnen mein Dank und meine Wertschätzung.
„Gott lieben heißt, für die Menschen zu schwitzen“, sagte einmal Vinzenz von Paul. Dabei wollte er, als er Priester wurde, zunächst vor allem eins: der Armut seiner Herkunftsfamilie entkommen und sich ein gutes und gesichertes Auskommen sichern. Er träumte auch von einer kirchlichen Karriere. Von seinen vielen Fähigkeiten her, hätte er auch das Zeug dazu gehabt. Aber schon seine erste Stelle als Hausgeistlicher am königlichen Hof führte ihn in eine tiefe Sinnkrise und er erkannte: Was ein Leben reich macht, ist die Liebe, die wir leben. Vinzenz wurde zu einem Genie und Organisator der Nächstenliebe, weil er nach der Maxime lebte: Liebe ist nicht nur ein Gefühl, eine Emotion, sondern Tat, Antwort auf die Barmherzigkeit Gottes, ja sogar eine Pflicht.
Die biblischen Texte, die uns jetzt verkündet wurden, unterstreichen, was christlicher Glaube ist. Paulus sagt es uns mit Worten, die ihn kennzeichnen: „Die Liebe Christi drängt uns…Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,14; 20-21). Verurteilungen stehen in unserer Gesellschaft an der Tagesordnung, nicht selten ohne Unterscheidung, Maß und Barmherzigkeit – oft auch unter uns, die wir Kirche Jesu Christi sein wollen. Gott ist anders. Ganz anders. Er hat den, der keine Sünde kannte, seinen Sohn, für uns zur Sünde gemacht hat, bis in den Abgrund seines Kreuzes. Unfassbar! Von dieser barmherzigen Tat Gottes leben wir.
Aus dem Johannesevangelium haben wir die radikalen und befreienden Worte Jesu gehört, gesprochen im Abendmahlssaal von Jerusalem: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“ (Joh 15, 14). Und was trägt er uns auf, beim Abschied, in den letzten Stunden seines irdischen Lebens, als sein Testament? „Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt“ (Joh 15,17). Diese Liebe macht uns zu seinen Freunden! An dieser Liebe will er unter uns erkannt werden.
In der Vorbereitung auf diesen Weihegottesdienst bin ich zufällig auf einem Kalenderblatt auf diese Frage gestoßen: „Für wen gehst du?“ Eine Frage, die mich angesprochen hat und die mich persönlich beschäftigt.
Lieber Karl, ich werde dir jetzt bald mehrere Fragen stellen. Diese Fragen haben es in sich. Da geht es um das, was die Kirche meint, wenn sie vom sakramentalen Dienst eines Diakons spricht: Unterstützung des Bischofs und der Priester, Verkündigung und Auslegung des Evangeliums, die Pflege des Gebetes, der Dienst an Armen, Kranken, Heimatlosen und Notleidenden und als Zusammenfassung und Höhepunkt der Auftrag, das eigene Leben zu gestalten, „nach dem Bild und Beispiel Christi, dessen Leib und Blut dir zur Ausspendung anvertraut wird“. Du wirst auch gefragt nach dem Gehorsam dem Bischof gegenüber. Mit anderen Worten: Ein Diakon ist nicht ein „self made man“, einer, der sich bringen und verwirklichen will, einer, der bei den eigenen Ideen und Fähigkeiten stehen bleibt, sondern einer, der sich zur Verfügung stellt, der sich einordnet, ein sakramentaler Zeuge für Christus in der Gemeinschaft der Kirche.
„Für wen gehst du?“
Darauf schlage ich dir, lieber Karl, drei Antworten vor. „Ich gehe für Christus“ – das ist die erste Antwort. Christus ist der erste Diakon, denn er ist nicht gekommen sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (vgl. Mk 10, 45), oder wie er es im Kreis der Apostel im Abendmahlssaal ausdrückt: „Ich bin unter euch wie der, der bedient.“ (vgl. Lk 22,27). In der Weihe erhältst du den Auftrag, diesen ersten Diakon inmitten des Volkes Gottes zu repräsentieren – damit seine Haltung, sein Lebensstil immer gegenwärtig sei. Das ist nicht immer angenehm, es kann auch bedeuten, an seinem Kreuz Anteil zu bekommen, es kann bedeuten abgelehnt, missverstanden oder verlacht zu werden. Aber es kann dich in eine Freundschaft mit IHM führen, die ein Leben lang trägt.
Die zweite Antwort, die ich dir ans Herz lege: „Ich gehe für die Kirche.“ Du wirst es bald merken: In deinem neuen Stand wirst du stärker mit der Kirche identifiziert als früher. Mit allem, was zur Kirche gehört, auch mit ihrem Ringen um Antworten auf heutige Fragen, mit ihren Schwächen, Fehlern und Sünden. Du musst für die Kirche einstehen. Du bist ein Mann der Kirche. Das bedeutet die Weihe: Sich auf Lebenszeit in den Dienst nehmen lassen für die Kirche, nicht eine idealisierte Gemeinschaft nach dem eigenen Geschmack und nach den eigenen Themen und Vorstellungen. Du sollst mithelfen, dass dort, wo du lebst, arbeitest, redest und auftrittst, Kirche präsent ist und ihre Strahlkraft entfaltet. Mir hat sehr gefallen, was du im Interview mit unserem „Sonntagsblatt“ gesagt hast: „Das Diakonat ist ein eigenständiger Dienst, es ist nicht der Dienst des Priesters. Der Diakon hat die Aufgabe, das Evangelium hochzuhalten. Ob nun ein Pfarrer, ein Bischof oder der Papst der Messe vorsteht – es ist der Diakon, der die Worte des Evangeliums vorträgt. Indem der Diakon das Evangelium hochhält, erinnert er die Gemeinde daran, dass christlicher Glaube untrennbar mit dem Einsatz für Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Menschenwürde verbunden ist. Das bezieht sich nicht nur auf den liturgischen Dienst.“
Und eine dritte Antwort sollst du geben auf die Frage „Für wen gehst du?“ „Ich gehe für die Menschen.“ Eine Weihe in der Kirche ist nie ein Recht oder ein Geschenk zur persönlichen Erbauung, sie ist immer „ministerium“ - Dienst für die Menschen. Der Diakon empfängt in der Weihe die Kraft, dem Volk Gottes und letztlich allen Menschen auf verschiedene Weise zu dienen: im Gottesdienst, in der Verkündigung des Wortes Gottes, im seelsorglichen Gespräch. Ganz besonders aber soll der Diakon den Menschen in körperlichen und seelischen Nöten, den Menschen, die nicht beachtet werden, die nicht mitkommen mit dem Tempo der Gesellschaft, die keine Stimme haben, dienen und ihnen nahe sein. Für diese Menschen wirst du geweiht und gesandt. Bewahre dir den Blick und das Herz, die Empathie und die konkrete Tat für die Schwachen und Kleinen – auch als geistlicher Assistent im KVW.
Drei Antworten, die es in sich haben: Ich gehe für Christus. Ich gehe für die Kirche. Ich gehe für die Menschen.
Handauflegung in der Weihe bedeutet: Gott legt die Hand auf dich. Er braucht dich, damit ER sichtbar werden kann mit dem, was er der Welt schenken will.
Lieber Karl, du bist verheiratet. Darum gilt deine erste Sorge auch weiterhin deiner Ehe und Familie. Wenn du als Diakon für Christus, für die Kirche und für die Menschen „gehst“, dann gilt dieser Auftrag auch dort. Sichtbares Zeichen der Liebe Gottes sein, ein Ort, an dem man Gott kennen lernen kann und an dem die Haltung Jesu eingeübt wird.
In der Kirche der ersten Jahrhunderte wurde der Diakon oft das „Auge des Bischofs“ genannt. Ich wünsche mir sehr, dass die Diakone mich und uns allen helfen, hinzuschauen und den Blick nicht abzuwenden, wo es heute nötig ist, Liebe und Barmherzigkeit zu leben. Vinzenz von Paul, der heutige Tagesheilige, hat uns allen viel zu sagen. Er hat das Evangelium hochgehalten und getan, was er vom Evangelium verstanden hat.