Mein Impulsvortrag bei der Pastoraltagung entsteht jedes Jahr schon im Sommer in Zusammenarbeit mit engen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und geht auf die längerfristigen Themen und Entwicklungen ein, an denen wir gerade arbeiten. So habe ich für diese Tagung einen Beitrag erarbeitet, der das Zukunftsbild aufgreift und vertieft, das ich hier, von dieser Stelle aus, vor zwei Jahren vorgestellt habe. Ich habe mir überlegt, ob ich diesen Beitrag aufgrund der aktuellen Situation völlig umschreiben soll. Schließlich habe ich mich dafür entschieden, beim vorbereiteten Thema zu bleiben und diesem eine Stellungnahme zu den aktuellen Fragen rund um den Umgang mit Missbrauch in unserer Kirche voranzustellen. Es gibt, wie ich gestern schon angesprochen habe, ein inneres Verhältnis zwischen der Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch und der Synodalität in der Kirche. Ich werde darum zunächst zur aktuellen Situation Stellung nehmen und danach auf das vorbereitete Thema kommen.
Stellungnahme zum Umgang mit Missbrauch
In den vergangenen Wochen ist deutlich geworden, dass Entscheidungen Menschen verletzt haben, die Schutz, Sicherheit und Gehör erwartet haben. Schon im Januar, bei der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens, haben wir Fehler eingestanden – und wir wussten, wie wichtig es ist, daraus zu lernen. Es sind wieder Fehler geschehen. Ich verstehe, dass das viele enttäuscht und belastet: Ich denke besonders an die Menschen, die mit der schweren Wunde des Missbrauchs leben müssen. W chir alle sind betroffen! Auch in diesem Zusammenhang muss gelten, was der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Christengemeinde in Korinth geschrieben hat: „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit“ (1 Kor 12, 26).
Als Letztverantwortlicher übernehme ich die Verantwortung dafür, dass Abläufe und Entscheidungen Menschen verletzt oder verunsichert haben. Ich bedauere jeden Moment, in dem unsere Kirche nicht der Ort war, an dem Verletzte Schutz und Gehör fanden, ihr Vertrauen in die Kirche erschüttert und wo in unseren eigenen Reihen der Glaubwürdigkeit unserer Arbeit geschadet wurde.
Es gibt in dieser Situation eine persönliche Verantwortung, die ich als Bischof tragen muss und will. Zugleich weiß ich: Heilung, Lernen und Umkehr sind nur möglich, wenn wir uns gemeinsam auf diesen Weg machen und uns dabei helfen. Ob wir in der Spur Christi sind, zeigt sich vor allem, wie wir in schwierigen und leidvollen Situationen miteinander umgehen. Miteinander – oder anders gesagt: synodal, gemeinsam auf dem Weg. Noch nie in den vergangenen 14 Jahren haben mir so viele Menschen das gezeigt, ausgedrückt und vermittelt, wie in diesen Tagen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Ich danke allen, die mithelfen, dass wir als Kirche aus den Fehlern lernen und glaubhaft die Konsequenzen ziehen, um unsere kirchliche Gemeinschaft zu einem sichereren Ort für Kinder und Jugendliche zu machen und um unsere persönliche und gemeinschaftliche Verantwortung ernst zu nehmen. Die vielen Rückmeldungen und medialen Reaktionen deute ich als erhöhte Sorge, Wachsamkeit und Zivilcourage, wenn es um den Schutz der Schwächsten unserer Gesellschaft geht.
Das Missbrauchsgutachten, das im Januar veröffentlicht wurde, ist in dieser Situation ein wichtiges Instrument. Es hat alle Fakten auf den Tisch gelegt. Es hat einen öffentlichen Wissensstand geschaffen und eine Linie gezogen, hinter die wir nicht mehr zurückkönnen und auch nicht wollen. Das Gutachten ist damit kein abgeschlossener Rückblick – es ist ein Werkzeug für Gegenwart und Zukunft, das uns hilft und mahnt, verantwortungsvoll zu handeln - den Betroffenen nahe und der Wahrheit verpflichtet.
Deshalb ist der nächste und unmittelbar anstehende Schritt, dass die Dynamiken und Einflussfaktoren, wie es zur Ernennung von don Giorgio Carli und dann zur Rücknahme dieser Ernennung gekommen ist, analysiert und aufgeklärt werden. Externe Fachleute werden die Abläufe prüfen und benennen, wo Fehler passiert sind. Sie werden konkrete Maßnahmen daraus ableiten, die verhindern sollen, dass sich Ähnliches wiederholt. Die erarbeiteten Maßnahmen werden dann sowohl im Prozess der Kurienreform als auch im Transformationsprozess des Projektes "Mut zum Hinsehen" auf allen Ebenen und in allen Bereichen eingebracht und umgesetzt.
Ich weiß, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Vertrauen kann niemand fordern, um Vertrauen kann man nur bitten. Worte allein genügen nicht, es ist unser Handeln, das zeigen muss, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen. Jede und jeder von uns kann dazu beitragen. Wir wollen aus den Fehlern lernen und durch konsequente, transparente Schritte die notwendigen Strukturen verändern, um Schutz und Sicherheit von Minderjährigen und Schutzbefohlenen zu gewährleisten.
Ich bitte Sie, mich auf diesem Weg zu begleiten und mir und meinen Mitarbeitenden Ihre Erfahrungen und Rückmeldungen mitzuteilen. Schritt für Schritt, auch im Eingestehen von Rückschlägen und Fehlern, wollen wir aus der Situation lernen und die Verantwortung ernstnehmen, die uns als Kirche aufgetragen ist, um in der Spur Jesu zu bleiben. Um diese Spur geht es – auch in diesem schwierigen und leidvollen Ringen bei der Aufarbeitung einer beschämenden und erniedrigenden Realität, die es in Kirche und auf allen Ebenen des familiären und gesellschaftlichen Lebens gibt – früher und leider auch heute.
Mit Freude und Hoffnung: Synodalität leben.
Vor zwei Jahren, bei der Pastoraltagung 2023, habe ich ein Zukunftsbild vorgestellt. Es ist eine Vision, die als Frucht des synodalen Weges in unserer Diözese entstanden ist und zugleich eine Anregung sein will, mit Freude und Hoffnung den Weg der Synodalität weiterzugehen. Noch im selben Arbeitsjahr habe ich im Hirtenbrief zur Fastenzeit einen ersten Aspekt dieser Leitgedanken vertieft und schließlich haben wir bei der Pastoraltagung 2024 einen zweiten Aspekt aufgegriffen. Heute möchte ich mit Ihnen einen dritten Themenkreis vertiefen, um auf dem Weg zu einer synodaleren Kirche weiterzugehen.
Ich lade Sie ein, dieses Zukunftsbild wieder in die Hand zu nehmen und daran zu arbeiten. Es ist ein Bild, das im Großen und Ganzen zu sehen ist, gerade wenn wir Schritt für Schritt einzelne Aspekte herausgreifen und vertiefen. Alles beginnt mit der demütigen Annahme der Realität. Wir sind kleiner, bescheidener und machtloser geworden. Damit verbunden aber ist die Hoffnung, dass Christus uns genau in dieser unserer Wirklichkeit begegnet, sich in ihr finden lässt, sie uns als Aufgabe anvertraut.
Er hat uns geliebt
Am Anfang steht kein Strukturplan, keine Reformagenda, kein Projekt. Am Anfang steht ein Blick: der Blick des Herrn auf jede und jeden von uns. „Er hat uns geliebt“ – Dilexit nos. Aus dieser Liebe Jesu zu uns erwächst alles: unsere Sendung, unsere Gemeinschaft, unser Dienst. Papst Franziskus sagt in seinem Schreiben „Dilexit nos“: „Im selben Augenblick, in dem uns das Herz Christi zum Vater führt, sendet es uns zu unseren Brüdern und Schwestern.“ (Nr. 163) Am Anfang steht der Blick Christi, der uns ansieht und unser Leben in seiner Verletzlichkeit sieht. Dabei geht es keineswegs zuerst um die Not der Kirche, sondern um die Not der Menschen. Den Menschen in ihrer Verletzlichkeit gilt Gottes liebevolle Zuwendung in Christus, gerade jenen, die am Rande der Kirche und der Gesellschaft stehen. Wir als Kirche stehen im Dienst dieser Liebe, als deren Zeuginnen und Zeugen.
Wir haben dies in der Pastoraltagung 2024 thematisiert, mit dem schönen Slogan von Papst Franziskus: alle, alle, alle! Aus der Erfahrung der bedingungslosen Liebe, aus der persönlichen und gemeinschaftlichen Beziehung zum Herzen Jesu, um es mit der Enzyklika „Dilexit nos“ von Papst Franziskus zu sagen, entsteht die Sendung der Kirche, die frohe Botschaft zu verkünden. Es ist eine Sendung, die aus der Freude am Evangelium entsteht, ihre natürliche Folge ist. Als Christinnen und Christen sind wir gesandt, den liebevollen Blick Christi allen Menschen zu bezeugen, um seine Frohbotschaft der Liebe, die den Tod überwindet, weiterzutragen. Unsere Aufgabe ist eine Beziehungsaufgabe.
Synodalität ist Beziehung
Ich komme damit zum diesjährigen Schwerpunkt in der Gedankenlinie der Vision 2038: wir sind stark in Beziehung. Das Abschlussdokument der Weltsynode unterstreicht: Kennzeichen einer synodalen Kirche ist, dass sie Raum für blühende zwischenmenschliche Beziehungen bietet (Nr. 34). Diese Beziehungen sind die erste und wichtigste Form des Zeugnisses, weil echte, gelingende Beziehung den tiefsten Bedürfnissen jedes Menschen entspricht. (Nr. 48). Kirche lebt aus Beziehung: Das unterscheidet eine lebendige Gemeinschaft der Glaubenden von einer Versammlung der Funktionierenden. Diese Erfahrung wird im Abschlusspapier der Synode anschaulich beschrieben: „Vor allem aber haben wir erfahren, dass es die Beziehungen sind, die die Lebendigkeit der Kirche erhalten und ihre Strukturen beleben: eine synodale Kirche der Sendung muss das eine und das andere erneuern.“ (Nr. 49) Um eine synodale Kirche zu sein, braucht es eine echte Umkehr hinein in die Beziehung (Nr. 50), aber zugleich eine Reform der Strukturen, denn Beziehung und Institution sind keine Gegensätze, sondern Pole, die eng aufeinander bezogen sind.
Beziehung braucht Strukturen
Starke Beziehungen sind gekennzeichnet von Verlässlichkeit, von Klarheit und Dauer. Darum sind Institutionen wichtig für Beziehungen. Denn Beziehungen sind immer auch verletzlich und brauchen einen Rahmen, der sie stützt und trägt. Strukturen und Institutionen sind dazu da, verlässliche Beziehungen zu gestalten. Sie verbriefen den Auftrag, die Verpflichtungen und Verbindlichkeiten, die aus der Beziehung entstehen und ihr dienen. So dienen auch die kirchlichen Institutionen der Beziehung: zwischen Gott und den Menschen und der Menschen untereinander. Dies ist auch der Grund, warum Institution und Beziehung nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Immer wieder hat es in der Kirchengeschichte diese Debatte gegeben, und sie taucht auch heute immer wieder auf. Wenn von institutionellen Reformen die Rede ist, dann ist oft schnell die Frage da, ob nicht das Gebet und die Sendung zu den Menschen wichtiger sei als die Institution. Wahr ist, dass es beides braucht, aber mit einer Priorität: die Beziehung zu Gott und unter den Menschen ist das Gut, auf das die Institution hin geordnet ist und auf das hin sie immer wieder reformiert und verändert werden muss. Immer wieder hat sich in der Geschichte das gesellschaftlich-kulturelle Koordinatensystem verändert, und immer wieder wurden in diesem Zuge die Strukturen und Institutionen reformiert, um den Beziehungsauftrag der Kirche zu fördern und zu unterstützen.
Strukturen müssen dem Wandel der Beziehungen folgen
Genau das passiert auch heute. Das kulturelle Koordinatensystem durchläuft massive Veränderungen, sodass die Institutionen, die wir von unseren Vorgängern übernommen haben, zum Teil nicht mehr tragen. Sie wurden geschaffen, um die Beziehungen in einer hierarchisch gegliederten Volkskirche zu organisieren, in einem Umfeld, das von ebenso hierarchischen Gesellschaftsstrukturen und festen Traditionen geprägt war, wo Kirche und politisch-kulturelles Leben mit großer Selbstverständlichkeit ineinandergriffen. Unsere Pfarreien sind entstanden, um ein nahezu uneingeschränkt christliches Territorium zu organisieren und zu versorgen. Sie sind nicht für die Mission gemacht. Ebenso ist das bischöfliche Ordinariat aufgebaut worden, um die bestens mit Priestern versorgten Pfarreien zu organisieren, zu unterstützen und zu reglementieren. Aber diese Realität, auf die unsere Institutionen ausgerichtet sind, gibt es nicht mehr. Die Säkularisierung hat die Rahmenbedingungen radikal verändert, unter denen wir heute unseren Dienst als Kirche erfüllen. Die Beziehungen haben sich verändert und sie verändern sich weiter in einem rasanten Tempo. Und zu einem nicht unbedeutenden Teil sind es Beziehungen, die wir erst aufbauen und neu kennenlernen und entdecken müssen. Darum müssen sich unsere Institutionen verändern: die Pfarreien, die Seelsorgeeinheiten, die Dekanate und nicht zuletzt auch das bischöfliche Ordinariat.
Strukturreformen synodal gestalten
Das synodale Verständnis der Kirche hilft uns in der Wahl der Methode für diese Reformen. Im hierarchischen Kirchenbild, aus dem wir alle stammen, würde eine Reform von oben erwartet, bestenfalls eingebettet in einen partizipativen Prozess, aber jedenfalls mit dem Ziel, die eine Vorgabe zu finden, an der sich alle orientieren sollen. Das synodale Verständnis von Kirche setzt wesentlich beim Glaubenssinn der Getauften an und vertraut auf die Fähigkeit der Christinnen und Christen vor Ort, die richtigen Lösungen für die eigene Gemeinschaft zu finden. Vor Ort in den Pfarreien gilt es, die Zeichen der Zeit zu erkennen, lebendige Beziehungen zu den Menschen zu knüpfen und eine Organisationsform zu finden, die diesen lebendigen Beziehungen dient. Die kirchliche Organisation dient der lebendigen Beziehung zu den Menschen, die aus dem Glauben an Jesus Christus entsteht und missionarisches Zeugnis seiner Liebe ist. So liegt es wesentlich in der Hand der getauften Christinnen und Christen vor Ort, sich eine Organisation und Arbeitsweise zu geben, die diesem Auftrag dient. Die Seelsorgeeinheit, das Dekanat, die diözesane Ebene: all diese übergeordneten Strukturen stehen im Dienst der Gemeinschaft vor Ort, um sie zu unterstützen, zu vernetzen und zu begleiten.
Gemeinsam getragene Entscheidungen in den Pfarreien
Ein konkretes Thema, das auf alle Pfarreien in diesem Jahr zukommt, kann diesen Punkt verdeutlichen. Am 25. Oktober 2026 werden in unserer Diözese die pfarrlichen Gremien neu bestellt. Dabei machen wir die Erfahrung: auch der Pfarrgemeinderat, den es in unserer Diözese seit etwas mehr als 50 Jahren gibt, muss sich den Veränderungen stellen, die sich in Kirche und Gesellschaft vollziehen. Kann man noch von „Pfarrgemeinderatswahlen“ sprechen, wenn ca. zwei Drittel der Pfarreien gerade mal so viele Kandidaten finden, wie es Plätze im Pfarrgemeinderat gibt? Was heißt es, dass der Pfarrgemeinderat den Pfarrer in seiner Amtsführung berät und unterstützt, wenn gerade noch 70 von 281 Pfarreien einen residierenden Pfarrer haben? Was passiert, wenn eine Pfarrei nicht mehr genügend Mitarbeitende findet, um zumindest ein Pastoralteam von drei bis fünf Personen aufzustellen?
In unserer bisherigen Arbeitsweise hätten wir auf der diözesanen Ebene versucht, eine einheitliche, für alle gültige Antwort auf diese Fragen zu geben. Jetzt sagen wir: die Antworten auf diese Fragen sind vor Ort in einem synodalen Prozess zu finden. Anstatt einheitliche Lösungen vorzugeben ist es heute Aufgabe des bischöflichen Ordinariats, Möglichkeiten und Optionen aufzuzeigen und die Ortsebene in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen. Wesentlich ist dabei auch die gegenseitige Unterstützung und Beratung der Pfarreien innerhalb einer Seelsorgeeinheit. Dass wir stark in Beziehung sind, bedeutet auch, dass die gemeinsame Verantwortung nicht bei den Pfarrgrenzen endet, sondern einen weiteren Blick hat. Die Entscheidung über die Zukunft einer Pfarrei, über mögliche Kooperationen oder gar Zusammenlegungen von Pfarreien ist kein Alleingang, sondern ein Prozess, der gemeinsam in der solidarischen Gemeinschaft der Seelsorgeeinheit gestaltet wird. Das Ordinariat – in diesem Fall das Seelsorgeamt – hat die Aufgabe, diesen Prozess zu unterstützen und zu begleiten, damit vor Ort die je eigenen Lösungen gefunden und getragen werden können.
Reform des bischöflichen Ordinariats
Damit dies gelingen kann, braucht es auch eine Reform des bischöflichen Ordinariates. Wie die Pfarreien und Seelsorgeeinheiten muss sich auch das Ordinariat auf die veränderte Realität einstellen und sich fragen, wie die Beziehungen zur Ortsebene gestaltet werden können, damit die Veränderung vor Ort bestmöglich unterstützt und begleitet werden kann. Dieser Prozess ist bereits auf den Weg gebracht und wird ein wichtiger Schwerpunkt in diesem Arbeitsjahr sein. In diesen Prozess des Hörens und des Unterscheidens sind alle Mitarbeitenden der pastoralen Ämter des Ordinariates gleichberechtigt mit einbezogen. Gemeinsam werden wir der Frage nachgehen, wie die pastoralen Ämter aufgestellt werden können, damit sie die Veränderungen auf der Ortsebene in den Pfarreien und Seelsorgeeinheiten bestmöglich unterstützen können.
Für diesen Prozess ist der Beitrag der Frauen und Männer, der Diakone und Priester, der Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in der Seelsorge vor Ort zentral. Durch den synodalen Weg der letzten Jahre konnten wir bereits viele Erkenntnisse sammeln, die in diesem Prozess einfließen werden. Ich möchte Sie heute bitten, in den Arbeitsgruppen, die in Kürze beginnen werden, einen weiteren Beitrag zur Reform des Ordinariates zu geben. Ich bitte Sie, von konkreten Erfahrungen zu berichten. Wo haben sie die Arbeit des bischöflichen Ordinariates für ihren eigenen Dienst als hilfreich empfunden? Wo haben sie negative Erfahrungen gemacht? Wo hätten Sie sich konkrete Hilfe und Unterstützung gewünscht? Wann haben sie Hilfe und Unterstützung gespürt? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordinariates werden ihnen in den Arbeitsgruppen helfen, diese Erfahrungswerte zu sammeln und zu organisieren. Die Ergebnisse aus den Gruppen werden wir in einem Gespräch hier im Plenum dann weiter vertiefen. Ich freue mich auf ihre Berichte und Erzählungen – sie sind eine wichtige Grundlage für die Arbeit an der Kurienreform.
Pilger und Pilgerinnen der Hoffnung – offen für Gottes Geist
Eines der wichtigsten Bilder für die Kirche im zweiten Vatikanischen Konzil ist das Bild des pilgernden Gottesvolkes. Wie das Volk Israel ist die Kirche heute oft unterwegs in der Wüste auf der Suche nach dem gelobten Land. Gerade in diesem heiligen Jahr werden wir daran erinnert: als Glieder der Kirche sind wir Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung, auch wenn uns manchmal auch der Mut verlässt und wir meinen, rund herum nur Wüste zu sehen. Gott lädt uns ein, Schritt für Schritt unterwegs zu bleiben, mit offenen Augen, offenen Ohren und offenem Herzen für das, was er uns schenkt. Hoffnung ist ein Weg, auf dem wir uns von Gottes Geist leiten lassen – oft mit unerwarteten Wendungen, durch Begegnungen, die uns überraschen, durch Herausforderungen, die uns wachsen lassen.
Die Grundlage all unseres Tuns muss das Hören auf Gottes Geist bleiben. Er wirkt nicht zuerst in unseren Strategien und Pläne, sondern in den unerwarteten Ereignissen, in den geschenkten Begegnungen, in Momenten der Beziehung, die uns überraschen und verändern. Alle Veränderungen, die uns heute herausfordern und manchmal auch überfordern, sind letztlich eine Einladung Gottes: Beziehungen zu erneuern – zu ihm und zu den Menschen. Darin liegt die Kraft, die uns verändert: getragen vom Gebet, stark im Hören, freudig bei den Menschen. Synodalität ist keine Organisationsform, sondern eine Haltung: ein Gehen miteinander, in dem niemand ausgeschlossen ist. Pilger und Pilgerinnen der Hoffnung zu sein bedeutet, in allem offen zu bleiben für Gottes Wirken, die Wirklichkeit ernst zu nehmen und sich zugleich von der Freude tragen zu lassen, aus der die Begegnung mit Gott und den Menschen wächst.
Dank
Lieber Generalvikar Eugen, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Ordensleute, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Bereichen der Seelsorge, ich bitte darum, dass wir den Weg gemeinsam weitergehen – unter dem Wort Gottes und auch untereinander verbunden durch einen ehrlichen, offenen und konstruktiven Dialog. Die gegenwärtigen Diskussionen und Auseinandersetzungen können, wenn wir sie in der Haltung des Evangeliums und mit evangeliumsgemäßen Methoden zu meistern versuchen, durchaus einen Prozess des Wachstums, der Ehrlichkeit und der Wahrhaftigkeit in unseren Beziehungen fördern.
Mein besonderer Dank gilt allen, die am Beginn dieses neuen Arbeitsjahres einen Auftrag oder einen Dienst abgegeben und zurückgelegt haben. Gerade bei Personalveränderungen erleben wir in unserer Diözese eine immer größere Not und Verletzlichkeit und auch viele Fragen und offene Baustellen, die damit verbunden sind.
Allen, die eine neue Aufgabe übernommen haben in unseren Pfarreien und Seelsorgeeinheiten und in verschiedenen Bereichen der Seelsorge wünsche ich, dass wir uns gegenseitig stützen, helfen, ermutigen und zur Seite stehen.
Mein Dank gilt dem Seelsorgeamtsleiter Reinhard Demetz, der mit seinem Team die Hauptverantwortung für diese Pastoraltagung trägt – in der Vorbereitung und in der Durchführung.
Bei meinen häufigen Fahrten zwischen Bozen und Brixen schenkt mir der Blick hinauf nach Säben immer auch Mut: Dreimal im Laufe ihrer langen Geschichte hat unsere Diözese ihren Namen gewechselt: Säben, Brixen, Bozen – Brixen. Schon allein dieser Umstand zeigt, wie sehr Aufbruch, Umbruch, Veränderung, Tradition und Wandel, Kontinuität und Diskontinuität den Weg der Kirche durch die Geschichte immer prägen werden. Wir glauben an einen Gott, der in Jesus Christus selber „Geschichte“ geworden ist. Deswegen ist unsere menschliche Geschichte nicht einfach ein anonymes, blindes, banales und oft sogar widersprüchliches und grausames Aufeinanderfolgen von Ereignissen, sondern der Ort, an dem Menschen Gott begegnen können. Weil Christus „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“ ist, um es mit den Worten des Konzils von Nizäa zu sagen, die alle christlichen Kirchen verbinden, ist auch unsere Zeit eine Heilszeit: Daran halte ich mich fest, in Freude und Hoffnung – auch jetzt, unter schwierigen, aufgeregten und herausfordernden Vorzeichen für uns alle.
Giulan, de gra, un sentito e cordiale grazie, vergelt´s Gott!