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Stellungnahme von Generalvikar Eugen Runggaldier zum Gutachten

Generalvikar Eugen Runggaldier

Bozen, 24. Jänner 2025

Es ist nicht sehr lange her, da betrachtete man jeden Missbrauchsfall durch einen Kleriker als einen Einzelfall, als Vergehen eines Priesters an Kindern, Jugendlichen oder Schutzbefohlenen.

Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Fälle zu viele sind, um sie nur als Einzelfälle zu betrachten und zudem fällt auf, dass bestimmte Umstände Missbrauchsfälle ermöglichen, andere sie erschweren oder gar verhindern. Dies führt zur Feststellung, dass Missbrauch an Minderjährigen oder Schutzbefohlenen systemische Ursachen hat und auf Defizite zurückzuführen ist.

In ihrer Studie nennen die Anwälte einige solcher systemischer Defizite, die ich wiederholen möchte: unreife Sexualität und fehlende Strategien zum Umgang mit der eigenen Sexualität; Überforderung von Priestern und damit einhergehende Vereinsamung; Tabuisierung und negative Konnotation der Sexualität; Klerikalismus und männerbündnische Systeme; Angst vor einem Skandal und einer Befleckung der Kirche; mangelnde Fehlerkultur; Laien-Klerikalismus; beschränkte Perspektive der Gläubigen vor Ort.

Es wird unsere Aufgabe sein, hier anzusetzen, die Ausbildung von angehenden Priestern in den Blick zu nehmen, aber genauso auch die Fortbildung der Priester. Es wird darum gehen, für die Begleitung der Priester zu Standards weiterzuentwickeln.

Um am System Kirche zu arbeiten und dieses so zu gestalten, dass Kirche dann für Kinder und Schutzbefohlene sicherer wird, braucht es auch im administrativen Bereich, d.h. in der Verwaltung der Diözese, Verbesserungen und in manchen Bereichen eine Neuausrichtung. Dabei ist vor allem die Herangehensweise bei der Aufarbeitung von gemeldeten Verdachtsfällen von Missbrauch in den Blick zu nehmen. Hier gilt es, Standards zu formulieren, Abläufe zu regeln, Maßnahmen zu setzen. Da ich für den administrativen Bereich als Generalvikar zuständig und verantwortlich bin, möchte ich auf hier den Fokus legen. Die Aufarbeitung vergangener Missbrauchsfälle hat gezeigt, wo Defizite in diesem Bereich liegen. Daraus ergibt sich, wo Abläufe neu zu denken und zu regeln sind. Konkret denke ich dabei an folgende:

  • Die Anwälte haben mehrmals betont, dass sie bei den Verantwortlichen der Diözese viel guten Willen sehen, Missbrauchsmeldungen ernst zu nehmen, die Betroffenen besonders im Blick zu haben, Beschuldigte zur Rechenschaft zu ziehen, und nächste Schritte mit allen zu setzen. Dafür bedarf es aber einer Optimierung der Vorgehensweise. Zuallererst muss eine Profilierung der drei Bereich erreicht werden, die bei Missbrauchsmeldungen aktiviert werden. Da ist einerseits die Ombudsstelle, als Ort, an dem Meldungen deponiert werden können, an die sich Betroffene wenden. Sie muss unabhängig agieren können, braucht ein klares und verbindliches Regelwerk für das Vorgehen. Dies alles gibt es bereits teilweise. Neu gedacht muss die Interventionsstelle, die die Aufgabe hat, nach Einreichen von Missbrauchsvorwürfen, diese Aufzuarbeiten, Maßnahmen zu setzen zum Schutz der Betroffenen und Interventionen gegenüber den Beschuldigten. Diese Aufgaben liegen derzeit beim Generalvikar. In Zukunft soll es dafür eine eigene Stelle geben, die möglichst unabhängig agiert und für den Generalvikar und damit den Bischof einen Entscheidungsvorschlag vorbereitet. Und schließlich ist die Rolle des Zuständigen für den Bereich der Prävention besser zu definieren. Diese Stelle soll sich klarer von der Ombudsstelle unterscheiden und sollte nicht in die Behandlung konkreter Missbrauchsfälle einbezogen werden.

        Ombudsstelle – Interventionsstelle - Präventionsstelle –: diese drei Bereich müssen gestärkt werden, unabhängig arbeiten, einander ergänzen und auf kompetente Weise dazu beitragen, dass professionell Missbrauchsfälle bearbeitet werden. All dies soll sofort angegangen werden und wird innerhalb dieses Jahres zu einem Endergebnis kommen.

  • Weiters braucht es ein umfassendes diözesanes Regelwerk, das festlegt, wie bei Hinweisen auf Missbrauchsfällen vorzugehen ist. Es gibt zwar bereits Leitlinien, Richtlinien zu Verfahrensweisen und Rahmenkonzepte. Diese müssen überarbeitet und optimiert werden, wobei in der Studie dazu genügend Vorschläge zu finden sind. Das Regelwerk sollte dann vereinheitlicht und verbindlich in Kraft gesetzt werden. Auch dies wird in den nächsten Monaten erfolgen.
  • Weiters bedarf es regelmäßiger Überprüfung all dieser Regelwerke, um sie zu optimieren. Learning by doing gilt auch für diesen Bereich. Aus der Praxis kann man aber nur lernen, wenn man das eigene Tun evaluiert, reflektiert und Konsequenzen für das weitere Handeln zieht.
  • Dann gilt es auch Maßnahmen zu entwickeln, die festlegen, welche Konsequenzen Missbrauchsvorwürfe mit sich ziehen. Dieser Katalog von möglichen Interventionen und Sanktionen gegen Beschuldigte soll verbindlich sein, um den Verantwortlichen Handlungssicherheit zu bieten. Selbstverständlich ist zu trennen zwischen Maßnahmen, die präventiven Charakter haben, und solchen, die disziplinarisch sind.

        In diesem Zusammenhang braucht es dann auch ein Monitoring für Beschuldigte. Dadurch soll garantiert werden, dass Sanktionen eingehalten wurden und präventive Maßnahmen beachtet werden.

  • Dann ist auch die Aktenführung neu zu regeln. Die Anwälte haben diesbezüglich auf „gravierende Mängel“ in ihrer Studie hingewiesen, mündlich aber hinzugefügt, dass dies in anderen Diözesen ähnlich war und ist. Das wird nichts entschuldigen, sondern ist Ansporn, auch hier Standards aufzustellen. Denn die bisherige Praxis hat gezeigt, dass die Akten bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen eine tragende Rolle spielen. Selbst die Studie der Rechtsanwälte beruht zu einem großen Teil auf Aktenrecherche. Hier gilt es ein Regelwerk zu erarbeiten, Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu garantieren.

        In diesem Kontext gilt es, in Zukunft jeden Schritt, der bei der Aufarbeitung gesetzt wird, gut zu dokumentieren. Nur so ist nachvollziehbar, was getan wurde. Diese Dokumentationspflicht soll deutlich machen, dass Missbrauchsmeldungen ernstgenommen werden.

  • Und schließlich sehe ich es als meine Aufgabe ganz besonders auf die Mitarbeitenden im Bischöflichen Ordinariat zu schauen. Sie sollen für das Thema sensibilisiert und weitergebildet werden. Wesentlich ist dabei, auch auf die Kommunikation untereinander zu achten, diese zu fördern, die bereits zitierte Fehlerkultur zu fördern. Anlass dazu wird die Kurienreform geben, die in diesem Frühling angegangen wird und die von Fachleuten begleitet wird.

All diese Maßnahmen haben eines zum Ziel: die Kirche zu einem sichereren Ort für Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene zu machen. Dies zu tun, das gebietet uns das Evangelium. Und dieses haben wir zu verkündigen, vor allem durch unser Tun und Handeln.