In meinen Ausführungen gehe ich von der Perspektive unseres Projektes „Mut zum Hinsehen“ aus. Die erste Phase ist mit der Veröffentlichung des Gutachtens ist damit abgeschlossen. Mit heute wird die zweite Phase der Aufarbeitung eingeleitet und in die dritte Phase der Prävention übergeht.
Welche Schritte stehen in Richtung Betroffene an?
Die Ombudsstelle steht weiterhin zur Verfügung für Personen, die Missbrauch im innerkirchlichen Bereich durch Kleriker erlitten haben. Betroffene können sich an die Ombudsstelle wenden und erhalten dort Unterstützung.
Erlittenes Leid und Unrecht sollen und müssen zur Sprache gebracht werden, damit den betroffenen Menschen entsprechende Heilung und Gerechtigkeit zuteilwird – selbst wenn wir wissen, das Wunden nicht verjähren. Weiters wissen wir, dass nichts das Erlittene und zerstörte wieder gut machen kann.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir alle ihnen gegenüber einnehmen eine aufmerksame und mutige Haltung mit dem Mut, hinzuschauen, hinzuhören, zu verstehen, zu handeln und Veränderungen einzuleiten.
Was ist für betroffene Frauen und Männer vorgesehen?
Hier ist nicht nur ein solidarisches, sondern auch partnerschaftliches Denken und Handeln erforderlich. Es ist darauf hinzuarbeiten, dass es selbstverständlich ist, dass betroffene Frauen und Männer in allen diözesanen und pastoralen Gremien, Bildungseinrichtungen bewusst miteinbezogen werden und auf Augenhöhe beteiligt werden. Betroffene sind Mitmenschen mit ihren Talenten und Erfahrungen, die aus ihrer Perspektive wichtige Impulse und Überlegungen einbringen, die für alle drei Bereiche: Intervention, Aufarbeitung und Prävention von Bedeutung sind – und zwar in allen kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichen sowie auf allen Verantwortungsebenen.
Die Vernetzung unter den Betroffenen und die Bildung eines Betroffenenrates als diözesanes Gremium soll im Blick auf ihren Interessen und im Gespräch mit ihnen abgesprochen und nicht von vorneherein und schon gar nicht von oben herab festgelegt werden.
Was haben wir für Pfarrgemeinden in denen Missbrauch zum Thema wird, vorgesehen?
Für Pfarrgemeinden, Verbände oder Gruppen, in denen Missbrauchsfälle bekannt wurden oder erst jetzt bekannt werden oder die sich mit dem Thema befassen wollen, steht ein sogenanntes Support-Team zur Verfügung. Das Team besteht aus ausgebildeten Frauen und Männern, die bei Veranstaltungen und Treffen die Moderation übernehmen. Fachleute werden den inhaltlichen Part übernehmen. Für die Koordination des Support-Teams und für Anfragen steht Markus Felderer, der ehemalige Leiter des Amtes für Schule und Katechese, zur Verfügung.
Ziel ist, dass Pfarreien, Verbände oder Gruppen und ganz allgemein alle sprachfähig werden. Das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen führt häufig zu Spaltungen innerhalb der Pfarrgemeinden und Einrichtungen: die einen wussten, die anderen nicht; die einen wehren sich gegen solche Vorwürfe, die anderen sagen: endlich ist es heraußen. Und beide haben auf ihre Weise recht. Deshalb braucht es Räume, wo das Gespräch gefördert durch klare Informationen und Hinweise auf die Dynamik des Missbrauchs und deren Auswirkungen auch auf das Umfeld.
Schon allein, in dem das Tabu gebrochen wird, und Missbrauch zum Stammtischgespräch werden kann, kann das die unterschiedlichsten und kontroversesten Reaktionen auslösen.
Deshalb sind Gesprächskreise für verschiedenste Zielgruppen anzudenken, um das Thema Missbrauch und die damit verbundenen Erfahrungen und Fragen an- und zu besprechen.
Welche nächsten Schritte wird die Steuerungsgruppe setzen?
Zur Umsetzung des Projektes wurde eine Steuerungsgruppe eingesetzt. Ihr obliegt, die Planung und Umsetzung der nächsten Schritte. Die Steuerungsgruppe wird sich am kommenden Dienstag mit dem Gutachten und den Empfehlungen befassen und Konsequenzen für die Umsetzung des Projektes ziehen.
Um die Empfehlungen des Gutachtens und die Zukunftsvision des Projektes „Kirche als sicherer Ort für Kinder und Jugendliche“ konkret und nachhaltig in allen Bereichen der Diözese umzusetzen, werden sogenannte Projektgruppen gebildet. Sie bilden die vier Hauptbereiche der Diözese ab: Seelsorge, Bildung, Caritas und Verwaltung. Die Projektgruppen haben die Aufgabe, die Aufarbeitung und Präventionsarbeit in ihren jeweiligen Bereichen mit internen und externen Fachleuten anzugehen, Leitlinien und Maßnahmen zu erarbeiten, Aus- und Weiterbildungen zu diesen Themen vorzusehen, Schutzkonzepte innerhalb der je eigenen Einrichtungen und Bereiche partizipativ auszuarbeiten und Evaluierungsstrategien vorzusehen.
Bis Herbst sollen entsprechende Ergebnisse und Vorhaben in allen diözesanen Gremien vorgestellt, diskutiert und entschieden werden. Mit der Pastoraltagung im Herbst beginnt die Implementierung der Richtlinien und Maßnahmen in den vier Bereichen Seelsorge, Bildung, Caritas und Verwaltung in einem partizipativen Prozess, der begleitet und nach einem Jahr evaluiert wird. Damit beginnt die dritte und abschließende Phase des Projektes.
Maßnahmen in der Auswahl und Aus- und Weiterbildung des kirchlichen Personal
Einen Schwerpunkt wird die Festlegung von Kriterien für die Auswahl von kirchlichem Personal sein, die den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen zum Inhalt haben. In der Aus- und Weiterbildung sowie bei Supervisions- und Praxisreflexionstreffen sind die Themen um den Missbrauch in jeglicher Form fester Bestandteil.
In der Jahresplanung und im Jahresbericht aller kirchlichen Organisationen, Verbände und Einrichtungen ist ein Punkt vorzusehen, der die Verantwortung und Sorge für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen zum Inhalt hat.
Selbst wenn im Gutachten der Rechtsanwälte die Ordensgemeinschaften aufgrund ihrer kirchenrechtlichen Eigenständigkeit nicht berücksichtigt wurden, werden die Ordensgemeinschaften im Projekt „Mut zum Hinsehen“ mitberücksichtigt und zu dessen Verwirklichung miteinbezogen.
Empowerment der Basis: „Wir wissen Bescheid“
Die Ergebnisse der Archivrecherche und der Interviews haben gezeigt, dass ein Kulturwandel erforderlich ist. Der beginnt bei der persönlichen Bewusstseinsbildung im Umgang mit Macht, Beziehung und Vertrauen. Es handelt sich um die Grundelemente für jegliche Form von Missbrauch, wenn die Befriedigung eigener Bedürfnisse und Interessen auf Kosten Minderjähriger und schutzbedürftiger Erwachsener erfolgt, weil sie nicht konsensfähig sind oder weil ihr Anspruch auf Selbstbestimmung missachtet wird.
Es braucht eine breit angelegte Veränderung im Umgang miteinander:
- Nicht mehr wegschauen, sondern hinschauen, zuhören, verstehen und handeln
- Nicht mehr Verantwortung abschieben, sondern selbst mutig und verantwortlich aktiv werden
- Nicht mehr besser sich nicht einmischen, sondern ich weiß Bescheid und handle
Dafür sind auch die Mitglieder der Pfarrgemeinden, der Verbände und Einrichtungen zu sensibilisieren und zu befähigen durch Gesprächskreise, Information und Weiterbildung.
In allen kirchlichen Einrichtungen gilt es, klare Regeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen sichtbar und erfahrbar zu machen, die ihr Wohl und ihren Schutz gewährleisten.
Die Mitglieder der Pfarrgemeinden, der Verbände und Einrichtungen werden ermutigt, bei Verdachtsfällen und bei Bekanntwerden von Vorfällen unmittelbar die zuständigen Verantwortlichen der Diözese zu informieren, damit entsprechend vorgesehene Schritte zur Klärung und zum Einhalt des Missbrauchs eingeleitet werden.
Gibt es Unterlagen, die für Gesprächsabend usw. zur Verfügung gestellt werden?
Auf der Homepage der Diözese sind neben den Informationen und Kontaktangaben eine Reihe von Unterlagen und Materialien zum Thema Missbrauch abrufbar wie zum Beispiel Hinweise auf Filme, Bücher und Artikel sowie Texte für liturgische Feiern. Diese werden fortlaufend ergänzt und durch best-practice Beispiele ergänzt.
Und noch zuletzt, weitere Schritte und Maßnahmen im Rahmen des Projektes „Mut zum Hinsehen“ wird die Steuerungsgruppe auf der Homepage der Diözese und über die Medien mitteilen bzw. davon berichten.
Am kommenden Donnerstag, 30. Jänner 2025 (Beginn 20 Uhr), findet auf der Onlineplattform Zoom ein Treffen in deutscher Sprache statt, bei dem Interessierte sich mit Generalvikar Eugen Runggaldier, die Ombudsfrau der Diözese, Maria Sparber, sowie dem Leiter der Fachstelle für Prävention der Diözese, Gottfried Ugolini, austauschen können. In italienischer Sprache findet ein Treffen am Freitag, 31. Jänner 2025 (Beginn 20.30 Uhr) statt, ebenfalls auf der Plattform Zoom. Auch bei diesem Treffen stehen Generalvikar Eugen Runggaldier, Maria Sparber und Gottfried Ugolini für Informationen rund um das Gutachten zur Verfügung.